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Medien und Gesellschaft

Rechtsextremismus, in Szene gesetzt

Mohamed Amjahid
Buchautor und Journalist

Reporter, Kurator, Autor für deutsche und internationale Medien. Studium der Politikwissenschaft/Anthropologie. Themen: Weiße Mehrheitsgesellschaft, MENA, Autokratien, Kapitalismuskritik, Feminismus und kritische Theorie.

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Mohamed AmjahidMontag, 08.07.2024

In nur wenigen Tagen haben ARD und ZDF zwei (aus journalistischer Sicht) problematische Sommerinterviews mit den beiden AfD-Politiker*innen Tino Chrupalla (in der ARD) und Alice Weidel (im ZDF) ausgestrahlt. Hier wie dort haben die rechtsextremen Politiker*innen ihre menschenfeindlichen Thesen verbreitet, falsche Zahlen und rechtlich fragwürdige Forderungen platziert. Auf Tagesschau.de erschien deswegen begleitend zum Interview ein Faktencheck, der einen etwas verzweifelten Eindruck hinterlässt. Hatte der AfD-Chef im Hauptprogramm ja seine Sendezeit samt Falschinformationen schon längst bekommen. Einige User*innen beschwerten sich im Netz über Pushnachrichten, die sie von der tagesschau-App auf ihre Handys erhalten haben sollen. Dort war (zunächst ohne Kontext) zu lesen: "Weidel wäre eine sehr gute Kanzlerkandidatin." Eine Formulierung wie aus der AfD-Propagandazentrale. 

Seit Jahren stehen vor allem die sogenannten Sommerinterviews in der Kritik. Die Idee dahinter ist durchaus lohnenswert: Politiker*innen können ausgeruht und ohne aktuellen Nachrichtendruck von erfahrenen Journalist*innen kritisch interviewt werden. Alles schön inszeniert, meist in einer ruhigen Natur-Kulisse. Nur funktioniert diese Idee im Fall von Rechtsextremismus nicht: Falschinformationen, Hass, Spekulationen und politische Plattitüden, so können die entsprechenden Interviews mit AfD-Figuren beschrieben werden. Das gilt auch für Print-Interviews und Gastbeiträge von Politiker*innen, die (meiner Meinung nach) generell abgeschafft werden sollten. Dazu kommt noch, dass die AfD (und andere rechtsextreme Parteien) sich bei diesen Auftritten in den klassischen Medien bedienen, um ihre Propaganda-Maschine im Netz zu speisen. 

Auch anderswo lässt sich dieses journalistische Phänomen im Umgang mit Rechtsextremismus beobachten: Über Jahre hinweg konnte sich die Chefin des rechtsextremen Front National normalisieren – dank ihrer medialen Präsenz. Marine Le Pen kam im französischen Fernsehen mehrmals in Home-Stories vor, in denen sie die Liebe zu ihren Katzen betont, schöne Familienbilder an der Wand kommentiert, sich in einen Sessel zurücklehnt und sanft lächelt. Diverse Medienhäuser freuten sich über so viel Nähe, profitiert hat in Frankreich davon aber vor allem der Rechtsextremismus, der (aufgrund einer Brandmauer) bei der Parlamentswahl nun zwar nicht auf Platz eins gelandet ist aber sein Ergebnis stark verbessern konnte

Ein krasses Beispiel journalistischer Naivität hat der US-Sender CNN nur wenige Stunden vor der zweiten Runde der französischen Parlamentswahlen ins Netz gestellt: Christiane Amanpour sitzt bei einem als konfrontativ inszenierten Interview gegenüber von Marine Le Pen und liest Fragen von ihrem Tablet ab. Das Problem: die Moderatorin ist inhaltlich mehr als nur schlecht auf das Gespräch vorbereitet, wirkt wenig souverän gegenüber einer eingespielten Le Pen, die einfach Dinge behaupten kann und als wäre das nicht genug prangt im Hintergrund noch das Logo der rechtsextremen Partei. Ein Paradebeispiel warum im Journalismus generell über den Umgang mit rechtsextremen Parteien und Politiker*innen nachgedacht werden muss. 

Dabei ist CNN der Sender, der in der Vergangenheit wegen seines Umgangs mit Donald Trump eigentlich aus der Geschichte hätte lernen können. Viele Medien in den USA, das ist heute klar, haben dem rechtsextremen Trump überhaupt zu seiner ersten Präsidentschaft verholfen. Mit bis zu 2 Milliarden Dollar gratis Sendezeit, in denen Trump seine Botschaften ungefiltert und in Szene gesetzt für Millionen von Menschen platzieren konnte. 

In den USA, Frankreich aber auch in Deutschland scheinen viele Medienhäuser aus diesen Erfahrungen wenig bis nichts gelernt zu haben.

Rechtsextremismus, in Szene gesetzt

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Kommentare 6
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 6 Monaten · bearbeitet vor 6 Monaten

    Vielleicht sollten sich die Medien nicht nur ein anderes Volk sondern auch andere Politiker suchen? Und wovon sollten Medien leben, wenn es diese andersdenkenden Minderheiten nicht gäbe? Was haben denn die deutschen Medien aus ihrem Umgang mit den rechten Parteien gelernt. Sind diese nicht gerade durch die undifferenzierten Angstkampagnen immer größer geworden?

    Ja, Falschbehauptungen sind zu entlarven, aber nicht nur die der AfD.

  2. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor 6 Monaten

    Ist ja eine alte Debatte mittlerweile. Und ich kann da nicht mit. Sind "Medien" in der Situation zu canceln, was durch unsere Rechtssysteme nicht unterbunden wird? Ich glaube nicht. Man überlege, wie so ein Boykott sich auf den Opfermythos dieser Kräfte auswirken würde, wie sie das ausschlachten würden für ihren kranken Narrativ von ihrem "Endkampf" um die "wahre" Demokratie, wie sehr er ihrer inneren Radikalisierung und Stabilisierung dienen würde.

    Und anders gefragt: braucht die AfD die Öffis um zu wachsen? Wohl scheinbar nicht.

    Es bleibt nur die Kritik an den einzelnen Medien und Medienschaffenden, wenn sie schlecht vorbereitet sind und es ihnen nicht gelingt die politische und gesellschaftliche Dysfunktionalität rechtsextremer Politik zu enttarnen.

    1. Mohamed Amjahid
      Mohamed Amjahid · vor 6 Monaten

      Aus meiner Sicht lautet die Reihenfolge: Recherche > Konfrontation > Berichterstattung. Das ist kein Boykott, aus meiner Sicht eher der Kern von Journalismus.

    2. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 6 Monaten

      Hier geht es ja gar nicht um Boykott; aber unwidersprochen Politikern eine Plattform bieten - wieso?
      Und ja, das gilt für alle. Aber eben besonders für die, die fakenews 1. permanent betreiben und 2. diesen Vorwurf gerade über den Medien immer erheben.

    3. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 6 Monaten · bearbeitet vor 6 Monaten

      @Cornelia Gliem "Unwidersprochen" wäre oder ist fatal - das ist klar.
      Ich betone nochmal: die AfD braucht höchstoffensichtlich die Medien, über die wir hier reden, nicht für ihre Reichweite und ihr Wachstum. Wir brauchen diese Medien, um die AfD vor breitem Publikum zu entlarven.

      Und in der Überschrift des empfohlenen Beitrags wird zum Boykott aufgerufen, am Ende auch - warum geht es dann nicht um Boykott bitte?

      Da steht außerdem "Aus den Redaktionen tönt ganz oft, dass man die Akteurinnen und Akteure der AfD „inhaltlich stellen“ wolle und besonders kritisch mit präsentierten Inhalten und Fakten umgehen möchte. Das funktioniert aber nicht, wenn weder der interviewte Rechtsextremist oder seine rechtsextreme Anhängerschaft an Inhalten oder Fakten interessiert ist." Ich finde das grundfalsch als Ansatz. Das finde ich schon eher Arbeitsverweigerung. Natürlich kann man die AfD inhaltlich stellen. Muss man auch. Erfassen wie selten dämlich es ist zB. national agieren zu wollen angesichts von Themen wie Migration, Klimakatastrophe, Verteidigung, Finanzaufsicht oder Digitalisierung.

      Das wird überall schlecht gemacht - die Kritik muss man mir nicht erklären. Aber Boykott?

      Übersehe ich was?

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 6 Monaten

      @Marcus von Jordan Genau so …..

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