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Medien und Gesellschaft

Ein ganzheitlicher Blick auf den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg

Mohamed Amjahid
Buchautor und Journalist

Reporter, Kurator, Autor für deutsche und internationale Medien. Studium der Politikwissenschaft/Anthropologie. Themen: Weiße Mehrheitsgesellschaft, MENA, Autokratien, Kapitalismuskritik, Feminismus und kritische Theorie.

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Mohamed AmjahidFreitag, 08.09.2023

Nach Bekanntwerden einer mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung und der Festnahme von drei mutmaßlichen Tätern im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg setzten viele Medien an – und veröffentlichten vor allem emotionsgeladene und teilweise auch populistische Meinungsstücke. Es waren die üblichen Texte und Beiträge, die reflexhaft von angeblicher Überfremdung und vermeintlich unsicheren Orten handelten und vom eigentlichen Thema (sexualisierte Gewalt an öffentlichen Orten) ablenkten. Es sind Beiträge, die ich bewusst nicht reproduzieren möchte, denn hier geht es ja um Qualitätsjournalismus. In diesem Sinne hat der RBB diesmal einen ganzheitlichen Blick auf den bundesweit bekannten Park in der Hauptstadt geliefert, mit vielen Akteur*innen gesprochen und Statistiken eingeordnet, die nicht nur für Aufklärung sorgen, sondern auch viel über die sonstige Berichterstattung zu diesem Ort erzählen: 

1.567 Straftaten verzeichnete die Berliner Polizei dabei im vergangenen Jahr im Görlitzer Park. Das sind auf dem Papier erst mal mehr als in jedem anderen Park in Berlin. Dabei lohnt sich allerdings ein genauerer Blick auf die Art der Straftaten: 292 registrierte Delikte sind sogenannte "Aufenthaltsdelikte" und 719 sind Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Laut Polizei Berlin sind das erfahrungsgemäß jene Vergehen, die umso häufiger registriert werden, je häufiger auch kontrolliert wird. Schaut man sich andere Delikte wie Sexualstrafdelikte an, zeigt sich: Im Mauerpark (10) oder im Volkspark Friedrichshain (9) gab es im Jahr 2022 sogar mehr als im Görlitzer Park (7).

Jede schwere Straftat ist eine zu viel, doch werden medial halt einige Täter*innengruppen oder Orte anders behandelt. Es stellt sich die Frage, warum es keine großen Debatten zur sexualisierten Gewalt in anderen Parkanlagen Berlins oder in anderen deutschen Großstädten gab und gibt. Um dies reflektieren zu können, braucht es eben diesen Recherche-Journalismus, der kritisch auf Polizeistatistiken und politische Diskurse blickt: nüchtern, präzise, ohne etwas dabei zu verbergen. Dieser RBB-Bericht schafft es auf wenig Platz sehr viel Erkenntnis über ein emotionales Thema zu liefern. In der Recherche kommen ein Dealer, ein Sozialarbeiter und ein aus Gambia stammender Koch zu Wort. Es sind Perspektiven, die wichtig sind, wenn es um die Sicherheit der Gesamtbevölkerung geht. Dabei geht es auch darum mit Falschinformationen aufzuräumen. Mühselig, aber genauso wichtig: 

Die Debatten um die Sicherheit rund um den Görlitzer Park keimten derweil im Juni erneut auf. Anlass war eine mutmaßliche Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park. Kurz darauf gab es Verwirrung um die Anzahl der erfassten Sexualdelikte. Nach einer parlamentarischen Anfrage kursierte in den Medien die Zahl von sechs Vergewaltigungen, die im ersten Halbjahr 2023 im Görlitzer Park stattgefunden haben sollen. Diese Behauptung stimmte allerdings nicht, hatte die "Taz" im Nachhinein mit einer Anfrage bei der Berliner Polizei herausgefunden. Es war eine Vergewaltigung, die im Park stattfand. In den anderen fünf Fällen bezog sich die örtliche Zuschreibung "Görlitzer Park" auf den gesamten kriminalitätsbelasteten Ort, zu dem auch der gesamte Wrangelkiez gehört.

Solche ganzheitlichen journalistischen Projekte sind immens wichtig für den Lokaljournalismus und bundesweite Debatten, auch wenn sie den Schaden Kampagnen-artiger Berichterstattung nicht ganz wettmachen können

Ein ganzheitlicher Blick auf den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg

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Kommentare 7
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

    "Ein Dealer, ein Sozialarbeiter und ein aus Gambia stammender Koch erzählen", das ist m.E. noch kein ganzheitlicher Bericht. Aber wir müssen über das Problem und die verfehlte Asyl- und Migrationspolitik reden. Und über falsche Vorstellungen - hier und in den anderen Heimatländern.

    1. Dominik Lenné
      Dominik Lenné · vor einem Jahr

      Eine pauschal-wolkige Zuschreibung: "verfehlte Asyl- und Migrationspolitik".

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Dominik Lenné Na ja, über eine wunderbar erfolgreiche Asyl- und Migrationspolitik brauchten wir natürlich nicht reden. Und wenn alles nur vermeintlich und angeblich ist, dann ist ja alles ok. Die eigentlichen Probleme definiert dann jeder selbst.

    3. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor einem Jahr

      sicher sind die drei allein noch kein ganzheitlicher Blick; allerdings dürften zumindest der Dealer und der migrantische Koch häufig auch in anderen Berichten nicht vorkommen.
      interessant finde ich die Zahlen, die eben doch ein etwas anderes Bild zeichnen vom problembehafteten Görlitzer Park...

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      @Cornelia Gliem Das auch in vielen anderen Parks gedielt etc. wird ist aber keine neue Erkenntnis. Der Görli ist nur das bekannteste Symbol ….

  2. Lutz Müller
    Lutz Müller · vor einem Jahr

    Der Situation rund um den "Görli" und der Sicherheitslage allgemein widmete der rbb kürzlich seinen Live-Bürgertalk der Reihe "Wir müssen reden!". Die Sendung "Streit um Görlitzer Park - Wie bekommt Berlin die Kriminalität in den Griff?“ ist in der ARD-Mediathek verfügbar und in diesem https://www.piqd.de/fu... (als 3. Beitrag) verlinkt.

    1. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor einem Jahr

      Heute wieder Gewalt, vor Sonnenaufgang - Messerattacke gegen 37Jährigen: https://www.tagesspieg...

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