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Kurator'in für: Zeit und Geschichte Fundstücke
Michaela Müller, in Dachau geboren, studierte Politikwissenschaften, Zeitgeschichte und Geschichte Asiens in Berlin. Sie schreibt über Menschenrechte, Migration und Ostafrika. Aufenthalte in Kenia, New York, Paris, Somalia und Somaliland. Bücher/Essays: Vor Lampedusa (2015), Auf See. Die Geschichte von Ayan und Samir (2016). Für piqd wählt sie Texte über die Geschichte des Holocaust, Arbeitergeschichte, Migration und Mentalitätsgeschichte aus.
In der vergangenen Woche hat die Berliner Bezirksverordentenversammlung in Mitte die Umbenennung der Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße beschlossen und damit auf die anhaltende Rassismus-Kritik reagiert.
Aus diesem Grund hat das Philosophie Magazin ein Porträt Anton Wilhelm Amos freigeschaltet, das sich mit seinem Leben und Denken befasst. Amo zählte als Universitätsgelehrter in Halle und Wittenberg zu den bedeutenden Philosophen der Aufklärung und wird als erster Schwarzer an einer europäischen Universität als Doktor der Philosophie promoviert.
Amo wurde 1703 in der Hafenstadt Axim, im heutigen Ghana geboren, zu einer Zeit, in der die europäischen Kolonialmächte Afrika vereinnahmten. Als vierjähriges Kind wurde er verschleppt und dem deutschen Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel „geschenkt“. Dieser finanzierte Amos Bildung und 1727 immatrikulierte er sich als 24-Jähriger an der Universität von Halle, die damals ein streitbares Zentrum der Frühaufklärung war. Zwei Jahre später legte er eine erste Schrift vor, in der möglicherweise auch schon die Frage nach dem Abolitionismus eine Rolle spielte.
Er wechselt an die Universität Wittenberg und erhält dort die Magisterwürde in Philosophie. 1734 verteidigt er seine Dissertation mit dem Titel „Über das Fehlen der Empfindung der menschlichen Seele.“
So hallen vor allem sein Dissertationsprojekt über Körper und Seele sowie seine pragmatische Aburteilung des Sklavenhandels nach. Flankiert und doch angeschwiegen wird Amo in der Zeit der Aufklärung vom teils offen rassistischen Immanuel Kant. Die gegenwärtige Rezeption irritiert das. Wie schafft man Zugang zu einem, der selbst als Aufklärer gilt, dessen Lebenslauf aber geprägt ist von kolonialistischen Ressentiments?
Diese Erfahrung muss Amo häufiger machen: Dass der universalistische Anspruch der Aufklärung bei Weitem nicht überall und von jedem eingelöst wird und letztlich doch durch einen Rassebegriff beschränkt wird.
Sie berufen sich auf die Vernunft, doch das Verdrängte kehrt wieder und diskriminierende Verweise auf die „Natur“ und die „Arten“ der Menschen schleichen sich in den Diskurs ein (dies gilt beispielsweise für Denker wie Kant und Hume, doch auch beim toleranten Voltaire findet man offene rassistische Behauptungen). Aufklärung also als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ – aber eben nicht für alle Menschen, da einige von Natur aus unmüdiger als andere schienen. Folgt man dieser Spur der rassistischen Ausgrenzung, hat man das Negativ der Aufklärung und ihres „universellen“ Anspruchs vor sich.
Amo entschließt sich, zurück in sein Heimatland zu gehen. Er lässt sich wieder in Axim nieder und lebt dort als Gelehrter einsiedlerisch, wo er im Alter von 50 Jahren stirbt.
Zu Amo gibt es über die Jahrhunderte hinweg eine breit gefächerte Forschungsliteratur, auch als Vordenker der antikolonialistischen Bewegung, des Abolitionismus und der Négritude. In den 1960er-Jahren werden seine Werke ins Deutsche, Englische und Französische übersetzt. Seit 1994 verleiht die Universität Halle-Wittenberg den Anton-Wilhelm-Amo-Preis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten.
In Braunschweig, wo er aufwuchs, wird derzeit eine Ausstellung im Kunstverein gezeigt, die hervorragend kuratiert, sicher einen Besuch wert ist. Dort nähern sich 16 Künstler*innen aus elf Ländern seinem Werk. Benjamin Freund hat die Ausstellung für das Magazin Monopol besucht.
Quelle: Martin Duru, Übersetzung aus dem Französischen Till Bardoux Bild: Illustration: Mat... philomag.de
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Die Aktivitäten für eine Umbenennung der Mohrenstraße konnte man verstehen oder auch nicht. Wäre sie geschehen, was hätte das geändert an rassistischen Ressentiments oder Benachteiligungen von Minderheiten? In der DDR war der Begriff Mohr offiziell nicht abwertend konnotiert. Ein Jugendbuch und ein Kinderfilm: „Mohr und die Raben von London“ – der Protagonist: Karl Marx. Aber das nur am Rande.
In der Diskussion zu www.piqd.de/zeitgeschi... stieß ich auf einen Gastbeitrag des Bonner Historikers Michael Zeuske auf www.tagesspiegel.de/po... „Warum den großen Menschheitsphilosophen die Sklaverei egal war“. Er erschien 2020, wenige Wochen vor diesem PIQ. U. a. geht er auf Immanuel Kants Schriften zur Anthropologie ein, in denen eine Systematik der „Menschenracen“ entwickelt wird.
Zuvor forderte Zeuske im Deutschlandfunk Kultur (6 min; https://www.deutschlan... ), über historische Persönlichkeiten wie den Philosophen Immanuel Kant neu zu diskutieren. Die FAZ (Paywall, www.faz.net/aktuell/po... ) nahm Bezug auf dieses Gespräch und schrieb über Kants Motivation, sich überhaupt mit solchen Themen zu beschäftigen, die er in dem Satz zusammenfasste: „Die Kenntnisse, welche die neuen Reisen über die Mannigfaltigkeiten in der Menschengattung verbreiten, haben bisher mehr dazu beigetragen, den Verstand über diesen Punkt zur Nachforschung zu reizen, als ihn zu befriedigen.“ In der großen Zeit der Entdeckungen, was die Begegnung mit bis dahin unbekannten Völkern einschloss, sei Kant dazu gekommen, auch über Rassen nachzudenken. Kants anthropologische Schriften gelten eher als abseitiger Teil seines Werkes, setzten aber in ihrer Zeit Maßstäbe.
Der Philosoph Marcus Willaschek beschrieb in einem weiteren Beitrag für die FAZ Kants Rassismus als ein Kind seiner Zeit: www.normativeorders.ne... Nach seiner ausführlichen Analyse resümiert der Autor: „Wenn es selbst Kant nicht gelang, seine moralischen und politischen Grundüberzeugungen konsequent zu durchdenken und gravierende Fehlurteile zu vermeiden, wie wollen wir ausschließen, dass auch einige unserer Urteile und Praktiken sich im Nachhinein als moralisch unhaltbar erweisen?“
"Die gegenwärtige Rezeption irritiert das. Wie schafft man Zugang zu einem, der selbst als Aufklärer gilt, dessen Lebenslauf aber geprägt ist von kolonialistischen Ressentiments?"
Man muß sich über die Naivität und Überheblichkeit der "gegenwärtigen Rezeption" wundern. Jede Vernunft, auch die der "Aufklärer" ist in ihren Möglichkeiten an den Zeitgeist, an das Wissen und an die Weltsichten seiner Epoche gebunden. Das Heraustreten aus der Unmündigkeit ist ein "ewiger" Prozess, den jede Generation und jedes Individuum neu und weiter gehen muß. Vernunft ist nie fertig. Kant etc. heute kolonialistische Ressentiments vorzuwerfen zeugt jedenfalls m.E. nicht von Verstehen und Vernunft. Eher von der Unfähigkeit sich in die Menschen, in die Situationen und in den Erkenntnisstand vergangener Jahrhunderte hineinzuversetzen. Und von fehlenden Geschichtskenntnissen.
Liebe Michaela, entschuldige, dass ich hier dazwischengrätsche, aber dieser Beitrag regt mich auf.
Martin Duru wirft der DDR Instrumentalisierung von Amo vor, aber Amo wird nun von Leuten benutzt, um eine alte Berliner Straße umzubenennen.
Und dafür erfindet man grausame Details, etwa er wäre als Vierjähriger verschleppt worden. Als Student ist er gekommen und deshalb wusste er auch später, wo seine Familie in Afrika lebt. So konnte er zu dieser zurückkehren.
Hier ein guter Artikel zu Amo:
https://www.berliner-z...
Gut, dass die Westdeutschen und die nach der DDR Geborenen Amo jetzt kennenlernen, gut auch, dass diejenigen, die in der DDR aufgewachsen sind, sich erinnern an jemanden, an dem sie möglicherweise in Halle achtlos vorbeispaziert sind.
Der im Beitrag genannte Burchard Brentjes hat bestimmt Amo nicht für die DDR "instrumentalisiert".
Ulrich van der Heyden, einer der in dieser Tradition steht, ist gegen die Umbenennung: https://www.deutschlan...
Hoffen wir, dass die fatale Entscheidung im Bezirk, der über die Mehrzahl seiner Bürger hinwegregiert, gestoppt wird.
Mohrenstraße sollte bleiben. Hier die Begründung:
https://www.berliner-z...