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Kurator'in für: Pop und Kultur Fundstücke
Schlüsselmoment? Auf undurchsichtigen Wegen, die nichts mit Geld, sondern mit krimineller Energie zu tun haben, ergattert 1979 ein kleiner Junge seine erste Platte. "Parallel Lines" von Blondie - als Picture Disc, was wichtig ist, weil der kleine Junge damals eher visuell als musikalisch an Musik interessiert ist. Das ändert sich mit den ersten Tönen dieser Platte. Um die Geschichte kurz zu machen: Der Junge wird größer, versucht sich in verschiedenen Subkulturen und landet schließlich beim Radio, bei Gedrucktem, beim Netz, um über Musik zu reden und zu schreiben. Nur ein paar Namen: ByteFM ("Electro Royale", "Time Tunnel"), Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur, Tagesspiegel. Ein Blog namens technoarm.de und natürlich ein wöchentlicher Podcast: "Pop nach 8".
Seine große Liebe ist der Club, aber eigentlich findet er Chet Baker genauso spannend wie Blake Baxter. Mal sehen, wie das endet.
Wayne Shorter ist tot. Der Jazzmusiker, einer der letzten großen der alten Garde, ist mit fast 90 Jahren gestorben – ein Alter, bei dem man nicht unbedingt überrascht ist von der Todesmeldung. Hier gepiqd ist ein langer Artikel über den Saxofonisten, in dem alles Wichtige noch einmal zusammengefasst wird. Danach kann man mitreden und hört sich vielleicht noch einmal ein paar der alten Aufnahmen von Shorter an, am besten das Zeug aus den 60ern, allem voran sein Album "Speak No Evil".
Aber die Überschrift hier will ja nicht nur auf Wayne Shorter hinaus, sondern insgesamt auf tote Musiker. Es ist nämlich tatsächlich mittlerweile so, dass an fast jedem Tag ein oder sogar mehrere Tote aus dem Musikbereich vermeldet werden. Nur ein paar Namen aus diesem Jahr: Wayne Shorter, Burt Bacharach, Steve Mackey von Pulp, Trugoy The Dove von De La Soul, Tony Marshall, Hans-Joachim Behrendt von Ideal, Alan Rankine von den Associates, Lisa Mary Presley, Huey "Piano" Smith, Chuck Jackson, David Crosby, Tom Verlaine von Television, Jeff Back, Gangsta Boo. Nicht alle diese Namen werden einem auf Anhieb etwas sagen, aber unwichtig war keiner von ihnen. Woran liegt diese Häufung? Früher hat es sie nämlich nicht gegeben! Die Antwort ist relativ simpel: Als es in den 40ern oder 50ern so langsam mit den Popstars losging, waren die alle ziemlich jung und gesund. Und es gab auch nicht so viele von ihnen. Aber im Lauf der Jahrzehnte hat die Zahl von Bands und Musiker*innen immer weiter zugenommen. Und weil Popstar mittlerweile auch nicht mehr zwangsläufig "jung" bedeuten muss, gibt es heute sehr viele gar nicht mehr so junge Menschen aus dem Popbereich, die eine gewisse Popularität haben oder hatten. Und die Zahl der Sterbefälle in diesem Bereich steigt dann im Lauf der Zeit.
Als Musikjournalist kommt man dann manchmal gar nicht mehr hinterher. Ich selbst merke das bei meinem Podcast "Pop nach 8", den ich immer ein paar Tage vor der Veröffentlichung mit meinem Kollegen aufzeichne. Und fast immer müssen wir die Woche darauf noch einmal erklären, warum wir bestimmte Todesfälle nicht in der Show hatten – das sind die Toten, die in den paar Tagen zwischen Aufzeichnung und Veröffentlichung dazugekommen sind. Meist nicht nur einer, sondern mehrere. Es ist wie ein Rennen, das niemals aufhört. Kaum hat man sich noch einmal zurückerinnert, sich eingelesen oder noch einmal eingehört, dann steht schon wieder der nächste Fall an. Das englische Mojo-Magazin, das sich eher mit Musik von gestern als mit der von morgen beschäftigt, hat neulich etliche Seiten nur mit Nachrufen gefüllt. Und Tote, die vor ein paar Jahren noch eine Titelstory bekommen hätten, werden nun mit ein paar Zeilen verabschiedet.
Um noch mal kurz zu Jazzlegende Wayne Shorter zurückzukommen: 89 Jahre, das ist kein biblisches, aber schon ein ordentliches Alter. Die meisten Musiker aber werden gar nicht so alt, sondern sterben angeblich schon mit 56. Ich habe einen älteren (englischsprachigen) Artikel gefunden, in dem das statistisch erfasst wurde und der erklärt, warum das so ist. Was diesen Artikel auch so sympathisch macht: Er räumt auf mit dem Mythos des sogenannten Clubs 27, zu dem Musikerinnen und Musiker wie Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain oder Amy Winehouse gezählt werden, weil sie alle mit 27 gestorben sind. "Club 56" – das hört sich natürlich nicht ganz so dramatisch und nicht ganz so sexy an wie Club 27. Aber scheint realistischer zu sein.
Quelle: Wolfgang Sandner Bild: Tshi/VU/laif www.faz.net
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