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No Lederhosentyp! Wie Frauen bei Punk mitmischten
Journalist, Sammler
Kurator'in für: Pop und Kultur Fundstücke
Schlüsselmoment? Auf undurchsichtigen Wegen, die nichts mit Geld, sondern mit krimineller Energie zu tun haben, ergattert 1979 ein kleiner Junge seine erste Platte. "Parallel Lines" von Blondie - als Picture Disc, was wichtig ist, weil der kleine Junge damals eher visuell als musikalisch an Musik interessiert ist. Das ändert sich mit den ersten Tönen dieser Platte. Um die Geschichte kurz zu machen: Der Junge wird größer, versucht sich in verschiedenen Subkulturen und landet schließlich beim Radio, bei Gedrucktem, beim Netz, um über Musik zu reden und zu schreiben. Nur ein paar Namen: ByteFM ("Electro Royale", "Time Tunnel"), Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur, Tagesspiegel. Ein Blog namens technoarm.de und natürlich ein wöchentlicher Podcast: "Pop nach 8".
Seine große Liebe ist der Club, aber eigentlich findet er Chet Baker genauso spannend wie Blake Baxter. Mal sehen, wie das endet.
Eigentlich traurig, dass es im Punk genau so abgelaufen ist wie sonst fast überall: Frauen wurden kleingehalten, ihr Beitrag nicht richtig gewürdigt, im Nachhinein sind sie aus der Geschichte herausgeschrieben worden bzw. sie wurden von Anfang an nicht hineingeschrieben von der Musikpresse. Traurig ist das, weil sich Punk ja als revolutionäre und gegen das Spießertum gerichtete Kraft verstanden hat - aber gegen die von Männern errichtete Welt wollten sich die Punk-Männer dann doch nicht wenden. Die Filmemacherin und Musikjournalistin Christine Franz hat über den oft verschwiegenen, aber wichtigen Anteil von Frauen bei der Entwicklung von Punk eine Dokumentation gedreht: "Punk Girls. Die weibliche Geschichte des britischen Punk". Hier gepickt ist eine gute Zusammenfassung des Films von Ingo Scheel, die er für den Stern verfasst hat.
Der Titel der Film-Doku ist ein bisschen irreführend, denn es geht auch um die Entwicklung von Punk in Deutschland, vor allem um die Rolle von Annette Benjamin, die damals, Ende der 70er, mit Hans-A-Plast so schöne Titel wie "Lederhosentyp" und "Für ne Frau (gut)" aufgenommen hat. Ansonsten wird wirklich gut erzählt, welche Rolle Frauen bei der aufkommenden Punk-Bewegung in Großbritannien gespielt haben. Und mit welchen Schwierigkeiten sie damals zu kämpfen hatten:
Die Zeiten werden schnell rau, um nicht zu sagen gefährlich für die ersten Vertreterinnen ihrer Art. Slits-Sängerin Ari Up entkommt nur knapp einem Messerangriff, die Musikerinnen werden auf der Straße verfolgt, auf der Bühne angerotzt. Gleichzeitig halten sie mit Trotz und neuem Selbstbewusstsein dagegen. "Don’t fuck with us", erzählt Slits-Gitarristin Viv Albertine und lacht, "genau das war unsere Einstellung!"
Christine Franz hat schon 2017 mit ihrem Film über die Sleaford Mods ("Bunch Of Kunst") gezeigt, was sie als Filmemacherin drauf hat. Das setzt sich in "Punk Girls" fort. Der Film ist vor Kurzem schon mal bei einem Festival gelaufen, kommt jetzt zu Arte (13. September 2024, 22:40 Uhr) und kurz vorher auch in die Arte-Mediathek. Keine "History of Punk", sondern eine "Herstory", so wird er beworben. Stimmt.
Quelle: Ingo Scheel Bild: Rocco 1979/ZDF www.stern.de
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