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Technologie und Gesellschaft

Wie Big Tech & Co. Ostdeutschlands Zukunft "kreativ" zerstören

Magdalena Taube
Redakteurin
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Magdalena TaubeMontag, 05.07.2021

Der Autor, Forschungsreisende und Aktivist Christoph Marischka hat technologische Zukunftsparks besucht, viele davon im Osten – so etwas wie Ostdeutschlands Silicon Valleys könnte man sagen.

Dabei hat Marischka, der übrigens auch Autor des Buchs "Cyber Valley – Unfall des Wissens. Künstliche Intelligenz und ihre Produktionsbedingungen – Am Beispiel Tübingen" (2019) ist, Überraschendes festgestellt :

"Gegenüber den großspurigen Pressemitteilungen sahen die jeweiligen Forschungscampi öde und vernachlässigt aus. Hier und da standen Neubauten. Dazwischen parkten Bagger und anderes Baugerät neben Schutt- und Kieshaufen sowie eingewachsenen, umgefallenen Bauzaun-Elementen."

Statt “blühender Landschaften” gibt es “brachliegende Landschaften”. Die fast verwahrlost wirkende Unfertigkeit des Gebiets liest Marischka allerdings nicht als Anzeichen von Scheitern, sondern als Ausdruck jener „schöpferischen Zerstörung“, welche der Idee von Expansion und Disruption zugrunde liegt.

So lässt sich auch die Nachwende-Geschichte neu lesen: es muss zunächst alles enteignet, privatisiert und platt gemacht werden, damit im Osten der geeignete Spielraum für das Kapital entsteht. Im Zuge dessen entstehen, wie wiederum Politikwissenschaftler Stefan Kausch und Diskursanalytiker Jürgen Link zeigen, perfekte Voraussetzungen.

Für den Aufbau Ostdeutschlands?

Nein, beispielsweise für Tesla, aber auch andere kapitalistische Player (Amazon, Google, RB Leipzig mit dem Unternehmen Red Bull als Hauptstruktur), die den normalen Weg kapitalistischer Produktion nicht gehen und die Regeln von Genehmigung, Arbeiter*innenrechten etc. nicht befolgen wollen.

Wie Big Tech & Co. Ostdeutschlands Zukunft "kreativ" zerstören

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Kommentare 4
  1. René Walter
    René Walter · vor mehr als 3 Jahre

    >aber auch andere kapitalistische Player (Amazon, Google, RB Leipzig mit dem Unternehmen Red Bull als Hauptstruktur), die den normalen Weg kapitalistischer Produktion nicht gehen

    Also sind sie jetzt kapitalistische Player oder nicht? Wenn sie kapitalistische Player sind, dann gehen sie den Weg kapitalistischer Produktion. Wenn sie nicht kapitalistische Player sind, dann nicht. Die viel interessantere Frage ist doch, wenn sie sich nicht an die Regeln halten, also NICHT kapitalistische Player sind, was sind sie dann?

  2. Norbert Simon
    Norbert Simon · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

    Die „kapitalistischen Player“ sind das, was sie sind deshalb, weil sie überall sind. So ist z.B. Amazon in Westdeutschland erheblich breiter aufgestellt als im „vom Kapital überrollten Osten“ (s. https://www.amazon-exp... ). Was – mit kurz drüber nachdenken und Blick auf das, was Amazon tut – zwingend logisch ist.

    Dass Tesla in Brandenburg gelandet ist, dürfte primär daran liegen, dass die „Wessi-BMW-Fabrik“, die dort ursprünglich geplant war, abgesagt wurde (womöglich, weil Bayern da intern interveniert hat, „Bayrische Motoren Werke“ könnten sonst noch als „Brandenburger Motoren Werke“ fehlinterpretiert werden?) – Tesla hat sich ins gemachte Nest gesetzt, den deutschen Autobauern waren die Ost-Löhne zu hoch, die sind lieber noch östlicher gezogen oder gleich gen China gegangen.

    Die „brachliegenden“ Landschaften wurden von der Treuhand generiert, die keinerlei Interesse am Erhalt funktionierender Industrie hatte (so waren z.B. die Geschäftsbücher der Maschinenbau-Firmen im Raum Magdeburg mit Aufträgen voll – halt mit Kunden „noch weiter östlich“ – wurde alles gecancelt, was zu Massenentlassungen führte).

    Wenn „der Osten“ so unproduktiv war, wie es die Deutsche Politik und Wirtschaft herbeigeredet hat: Weshalb haben Firmen wie Neckermann, Quelle und Otto, oder auch IKEA vor der „Wende“ so viel dort produzieren lassen? Wäre Qualität und Produktivität wirklich so schlecht gewesen, hätten die „PRIVILEG-Geräte von Quelle schneller kaputtgehen und rareres Gut sein müssen, als AEG, Miele und Co – war (zumindest in meiner Familie) allerdings „anders rum“ – die „Made in GDR“-Geräte tun teilweise noch heute zuverlässig ihren Dienst und haben gleich mehrere Generationen „Westgeräte“ kommen und sterben sehen – für die es im Gegensatz zu „Ost-Geräten“ regelmäßig z.T. erhebliche Wartezeiten gab. Doch „hält ewig“ ist anti-Konsum = antikapitalistisch, das musste weg.

    Hätten die Ostdeutschen gewusst – bzw. wäre die westdeutsche Politik ehrlich gewesen und hätte eingeräumt, dass die westdeutsche Usurpation erst mal alles plätten würde, weil Usurpatoren das nun mal tun – wer weiß, wie sich das entwickelt hätte.

    Die Annahme, dass „im Osten“ anderes Arbeits- oder Genehmigungsrecht gelten würde als im Westen ist – mit Verlaub – grober Unfug: Das ist deutsche Bürokratie, die war „vor allem anderen“ als Erstes da. Sie war wesentliches Hilfsmittel bei der Abwicklung funktionierender Betriebe, die „gegen die Vorschriften“ verstießen.

    Das mag für Firmen der Grund sein, noch östlicher zu ziehen. Doch gerade „big tech“ folgt anderen Gesetzen als „Hauptsache billig“. Dass der Osten für manch fragwürdige Technikproduktion so interessant ist, liegt m.E. vor allem an dem hohen Ausbildungsniveau – im „Westen“ gibt es ja nur noch „Influencer“…

    1. Christoph Kruse
      Christoph Kruse · vor mehr als 3 Jahre

      Hui, da haben sich aber einige Mythen tief eingegraben.

      "Dass Tesla in Brandenburg gelandet ist, dürfte primär daran liegen, dass die „Wessi-BMW-Fabrik“, die dort ursprünglich geplant war, abgesagt wurde (womöglich, weil Bayern da intern interveniert hat, „Bayrische Motoren Werke“ könnten sonst noch als „Brandenburger Motoren Werke“ fehlinterpretiert werden?)"
      1) BayErische Motoren-Werke
      2) Sie wissen aber schon, wie Standorte in der heutigen Zeit ausgesucht werden? Dass z.B. noch keines der Millionen BMW-Motorräder nach dem Krieg in Bayern produziert wurde? (sondern in Berlin, btw.) Google-Auftrag: Spartanburg/USA.

      "Wenn „der Osten“ so unproduktiv war, wie es die Deutsche Politik und Wirtschaft herbeigeredet hat: Weshalb haben Firmen wie Neckermann, Quelle und Otto, oder auch IKEA vor der „Wende“ so viel dort produzieren lassen? Wäre Qualität und Produktivität wirklich so schlecht gewesen, hätten die „PRIVILEG-Geräte von Quelle schneller kaputtgehen und rareres Gut sein müssen, als AEG, Miele und Co – war (zumindest in meiner Familie) allerdings „anders rum“

      Wenn "der Osten" so produktiv war, warum ging die DDR pleite? Warum dauerte es 20 Jahre und brauchte Milliarden, um die Umweltkatastrophen in Regionen wie Bitterfeld zu beseitigen? Das ist mal eine Dolchstoßlegende der anderen Seite. Übrigens: Bevor sie die Produktion ebenfalls in Billiglohnländer verlegten, stand Miele für die am längsten haltbaren Geräte überhaupt. Gehen Sie bei der Suche nach Belegen dafür vielleicht lieber nicht nach einem ungefähren "war in meiner Familie jedenfalls so"-Gefühl, sondern fragen Sie z.B. mal einen Kundendienstbetrieb, der über ein paar Jahrzehnte alle Fabrikate betreut hat. Man muss dazu sagen, dass die Miele-Geräte allerdings auch in etwa doppelt so teuer waren wie alles aus Billigfertigung.

      "Die „brachliegenden“ Landschaften wurden von der Treuhand generiert, die keinerlei Interesse am Erhalt funktionierender Industrie hatte (so waren z.B. die Geschäftsbücher der Maschinenbau-Firmen im Raum Magdeburg mit Aufträgen voll – halt mit Kunden „noch weiter östlich“ – wurde alles gecancelt, was zu Massenentlassungen führte)."

      Das glauben Sie wirklich, oder? Also, ernsthaft?
      Grundgütiger, was hätte denn da für eine Motivation dahinter stecken sollen? Es gab keine "funktionierende Industrie" in der DDR mehr, der Staat war bankrott und wirtschaftlich völlig am Ende. Ich vermute einfach mal, Sie sind so jung, dass Sie von den damaligen wirtschaftlichen Realitäten aus erster Hand nichts wissen, anders kann man sich so eine Äußerung nicht erklären.

      "Das ist deutsche Bürokratie, die war „vor allem anderen“ als Erstes da. Sie war wesentliches Hilfsmittel bei der Abwicklung funktionierender Betriebe, die „gegen die Vorschriften“ verstießen."

      Ich würde mich ernsthaft selbst hinterfragen, wenn ich Thesen aufstellen würde, in denen die DDR ein Staat mit "funktionierenden Betrieben" war, der dann unter Zuhilfenahme der "westlichen Bürokratie" vorsätzlich "abgewickelt" wurde. Und zwar nur deswegen, weil man "gegen die Vorschriften verstieß". Die DDR war ein Unrechtsregime, das aber nicht an seinen Verstößen gegen alle Menschenrechte, sondern an seiner kaputten Wirtschaft zugrunde ging.

    2. Norbert Simon
      Norbert Simon · vor mehr als 3 Jahre

      @Christoph Kruse Es geht allein um den Aspekt, wie Kapitalismus sich Arbeitskraft sucht, sie ausnutzt und steuert. Ich habe nirgends behauptet, die DDR habe „funktioniert“ oder sei ein erfolgreiches politisches Modell gewesen

      Das, was „Milliarden und 20 Jahre brauchte“ ist das Ergebnis des im Westen gefeierten „Wirtschaftswunders“ – Westdeutschland hat billig in Ostdeutschland eingekauft. Dass es bei uns „schön sauber“ ist, liegt daran, dass wir die „Drecksarbeit“ dort erledigen lassen, wo wir sie schön billig bekommen – hier mussten wir mal „selbst aufwischen“.

      Die „Investitionen in den Osten“ waren primär eigennützig, weil es Herrn Kohl weitere Regierungsrunden und Neuwähler bescherte, „der Westen“ konnte „den Osten“ mit seinen „Errungenschaften“ beglücken, der wiederum ein paar Wahlperioden brauchte, bis er verstanden hatte, wie das mit den „blühenden Landschaften“ wirklich gemeint war.

      Wie sehr hat es uns gestört, dass wir aus einem „Unrechtsregime“ unsere Waren billig bezogen haben? Wie sehr stört es uns jetzt, dass auf den meisten unserer Alltagsgeräte „Made in PRC“ steht?

      Es gab mehrere gute Gründe, volle Geschäftsbücher zu ignorieren: Eine im Westen siechende Industrie wäre durch starken Mitbewerber im Osten ins Straucheln geraten. Also einen „West-Manager“ an die Spitze gesetzt, der „von Fach“ – also einem Mitbewerber – ist. Dazu noch der politische Wille, keine Kooperationen „alter Seilschaften des Unrechtsregimes“ zu stützen. Im Westen waren wir da bei der Justiz, dem Geheimdienst etc. deutlich entspannter bzgl. Nazi-Vergangenheit.

      Eigene Seilschaften sind natürlich was anderes: Das letzte Beispiel solcher „Motivation“ ist Air Berlin, das von einem „Lufthansa-Mann“ mit politischer Schützenhilfe »saniert« wurde.

      Wofür Miele „stand“ ist in diesem Kontext irrelevant. Auch dort hat der Kapitalismus gewonnen – haltbar ist Umsatz-schädlich. Heute sind sie immer noch doppelt so teuer, halten aber keineswegs proportional länger als „Billigprodukte“ – das weiß ich verbindlich, als Vermieter bin ich regelmäßigem mit Geräteersatz konfrontiert.

      Was Sie „Mythen“ nennen ist persönliche Erfahrungen aus Gesprächen mit Betroffenen, Beteiligten und eigenen Projekten von damals bis heute. Ich habe „die Wende“und die „Goldgräber-Stimmung“ als „Wessi“ erlebt und so einiges mitbekommen, was in keiner Zeitung stand.

      Persönliches Erleben aus rund 60 Lebensjahren ist ein belastbarer Maßstab, den ich mir nirgends angelesen oder eingeredet bekommen habe. Da ich diese Erfahrungen aus einem umfangreichen Bekanntenkreis verdichten kann (ich hatte schon früh das, was neudeutsch „Netzwerk“ heißt), mag das statistisch unsauber sein. Doch ist es Information aus erster Hand – ganz ohne Suchmaschine.

      Es ging mir zu keiner Zeit darum, für die DDR eine „Lanze zu brechen“ – das war ein Mist-Staat. Doch wenn sie mitbekommen, dass ein funktionierender Familienbetrieb (gab es in der DDR tatsächlich!) schließen muss, weil die Maschinen, die seit über 100 Jahren erfolgreich produziert haben aber unmöglich an die nun geltenden „West-Standards“ angepasst werden können und damit „signifikante Sicherheitsmängel“ aufweisen, – die bis dahin nie ein Problem waren – ist es schon so, dass die „westliche Bürokratie“ maßgeblichen Anteil an der Zerschlagung selbst aus „westlicher Sicht“ funktionierender Betriebe hatte.

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