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Literatur

SPRING No.13  - The elephant in the room - Eine deutsch-indische Comic-Anthologie

SPRING No.13 - The elephant in the room - Eine deutsch-indische Comic-Anthologie

Lucy Fricke
Schriftstellerin
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Lucy FrickeSonntag, 07.08.2016

Manchmal habe ich das Gefühl, ich lebe hinterm Mond. Auf meinem Tisch liegt das neueste, mir bis dahin völlig unbekannte, SPRING Magazin und sieht fantastisch aus. Ich beginne zu blättern und zu lesen, in dieser 260 Seiten dicken Comic-Anthologie, in der ausschließlich weibliche Künstlerinnen vertreten sind. Sechzehn sind es und ich kenne nur eine einzige: Ulli Lust. Falls jemand noch weiter hinterm Mond leben sollte als ich: Ulli Lust ist eine ganz großartige Zeichnerin, die vor vielen Jahren mit der autobiographischen Graphic Novel „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens“ berühmt, ja eigentlich weltberühmt, wurde und zuletzt die kongeniale Comicadaption von Marcel Beyers Roman „Flughunde“ im Suhrkamp Verlag veröffentlichte.

Während mich schon auf den ersten Seiten die großformatigen Bilder von Kathrin Stangl umhauen, ruft ein Bekannter aus Hamburg an, ein Illustrator, der nie anruft. „Ich lese gerade einen Comic“, sage ich, „heißt SPRING. Da sind nur Frauen drin!“ „Klar“, antwortet er, „gibt es schon seit mindestens zehn Jahren, ist ein Frauenkollektiv, da ist auch Stephanie Wunderlich dabei, die macht ganz tolle Sachen. Ich habe alle Ausgaben zuhause, die sind alle super.“ „Ach was?!“, sage ich, was man eben sagt, wenn man mal wieder von nichts eine Ahnung hat.

Seit 2004 existiert also das Netzwerk SPRING, einmal im Jahr veröffentlichen sie eine Anthologie, vertrieben wird sie über den Hamburger mairisch Verlag. Die dreizehnte und neuste Ausgabe ist in Zusammenarbeit mit indischen Zeichnerinnen entstanden, die gesamte Truppe traf sich nahe Bangalore in einer Künstlerresidenz, die vom Goethe Institut betreut wird. Was das Goethe Institut betrifft, gibt es manchmal Bedenken, die künstlerischen Ergebnisse betreffend, und man ist versucht ganz laut zu rufen: Merkt man aber gar nicht! Merkt man echt nicht.

Ich sehe eine unrasierte Ananas, die ihre Menstruation hat, sich nicht auf eine Party traut und überhaupt gern besser aussehen würde. Außerdem eine wirklich schöne Serie von Vagina-Tempeln, deutsche Kinder, die früher Baader-Meinhof-Bande spielten und viele Geschichten über die sogenannten weiblichen Themen: Selbstbestimmung und Kinder(losigkeit), Partnerschaft, das Hadern mit dem eigenen Körper, das Gefühl, nicht zu genügen, den Eltern nicht gerecht zu werden, der Gesellschaft nicht. Es sind vor allem die acht indischen Zeichnerinnen, die sich mit ihren Familiengeschichten beschäftigen, den Müttern und Großmüttern, die in arrangierten Ehen lebten, nicht studieren durften, von Vätern und Ehemännern gedemütigt und misshandelt wurden. Allein die Tatsache, dass ihre Töchter, jetzt im Alter zwischen 30 und 40 Jahren, in Comics darüber erzählen, zeigt den Wandel, aber auch den Kampf, der für diese Veränderung notwendig ist.

Es ist hier schon nicht leicht, seinen Eltern zu sagen: Ich werde Künstlerin und Kinder will ich auch nicht - und sich davon dann auch nicht mehr abbringen zu lassen. Wie schwierig das in Indien sein muss, davon vermittelt das Magazin eine Vorstellung. In der Hauptsache aber präsentiert Spring überragende Zeichnerinnen, deren Stile so vielfältig, gereift und humorvoll, schlicht grandios sind.

Das ist das beste Comicmagazin, das ich je gelesen habe. Comicmagazine gab es übrigens auch hinterm Mond, aber die waren von Männern.

Ich bestelle mir jetzt alle zwölf verpassten Jahrgänge. Das ist ja der Vorteil bei den späten Entdeckungen - man hat das Beste aus der Vergangenheit noch vor sich.

Am besten direkt beim Verlag: www.mairisch.de/shop

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