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Der Spargel, die rumänischen Erntehelfer und der Tod
Journalist
geb. 1967 in Rostock, freiberuflicher Journalist mit Schwerpunkt Mittel- und Südosteuropa.
In der europäischen Klassengesellschaft sind sie die modernen Sklaven. Diejenigen, die ganz unten stehen. Normalerweise kommen sie in Bussen oder in klapprigen Transportern und Pkws. Wegen der Einschränkungen im Grenzverkehr werden sie zurzeit mit speziellen Charter-Flugzeugen jeden Tag zu Tausenden eingeflogen: rumänische Erntehelfer, die das deutsche Obst und Gemüse von den Feldern holen, bevor es verrottet. Darunter auch Spargel.
Einer von ihnen, Nicoale Bahan aus dem nordrumänischen Ort Solca, starb vor zwei Wochen auf einem Spargelhof in Bad Krozingen in Baden-Württemberg. An oder jedenfalls mit dem Coronavirus. Sein Tod hatte ein gewaltiges Echo in den Medien. Viele Fragen stellten sich und sind zum Teil noch immer offen, darunter vor allem, ob die Erntehelfer ausreichend geschützt und Sicherheitsmaßnahmen in den Betrieben eingehalten werden.
Mit dem Tod von Nicolae Bahan ist auch das Thema der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Erntehelfern und generell von Menschen aus Osteuropa, die bei uns arbeiten, wieder ins Blickfeld gerückt. Sie kommen aus Gegenden, aus Staaten, die ihnen so gut wie keine Existenzmöglichkeiten und Lebensperspektiven bieten, sie sind deshalb darauf angewiesen, sich als Saison- und Wanderarbeiter zu verdingen, sie sind unterbezahlt, haben meistens keine Krankenversicherung, sie sind, wie ihre Arbeitgeber auch dieser Tage gerade schwärmen, flexibler und belastbarer als Deutsche, sie murren meistens nicht und begehren meistens nicht auf. Jetzt, in dieser Corona-Zeit, haben sie die zynische Wahl, zuhause zu verhungern oder bei der Arbeit den Corona-Tod zu riskieren.
Mein Kollege Nils Klawitter und ich haben versucht zu rekonstruieren, unter welchen Umständen Nicolae Bahan gestorben ist, wie die Arbeits- und Lebensbedingungen auf dem Spargelhof in Bad Krozingen, bei dem er arbeitete, sind und wie es in dem Ort in Nordrumänien, aus dem er kam, aussieht. Einem großen Teil der Öffentlichkeit wird jetzt - vielleicht wieder, vielleicht zum ersten Mal - bewusst, dass unser Land ohne die Erntehelfer, Ärzte, Pfleger, Putzleute, Schlachter, Paketfahrer und Bauarbeiter aus dem Osten in großen Teilen zusammenbrechen würde.
Es wäre an der Zeit, dass die Menschen aus dem Osten endlich fairer und gleichberechtigt behandelt würden. Zeit auch für einen Aufschrei über unendliche Schäbigkeit, wie wir sie am Ende unseres Textes beschrieben haben.
Quelle: Nils Klawitter, Keno Verseck spiegel.de
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