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Das Wort "Heimat" sollten wir dem rechten Rand überlassen

Johannes Kram
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Johannes KramSonntag, 11.02.2018
"Der Begriff 'Heimat' darf nicht den Rechten überlassen werden",

schrieb die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring Eckardt im Oktober 2017 in einem Gastkommentar in der taz. Warum das nicht nur Quatsch ist, sondern auch gefährlich, erläutert der Kulturkritiker und Buchautor Daniel Schreiber nun in einem Beitrag für ZEIT ONLINE. Anlässlich der Pläne, in einer möglichen neuen Großen Koalition das Innenministerium auch zu einem "Heimatministerium" zu machen, schreibt er:

"'Heimat' ist kein politisch unschuldiger Begriff, daran ändert ein Ministerium nichts."

Und:

"Wir sollten das Wort dem rechten Rand überlassen."

Auf seiner Facebookseite zeigt sich Schreiber "schockiert" von den Plänen zum Heimatministerium. Seinen Kommentar auf ZEIT ONLINE habe er dennoch nicht aus bundespolitischer, sondern aus "kulturgeschichtlicher Sicht" verfasst.

Was ihn aber bundespolitisch nicht weniger brisant macht. Im Gegenteil. Schreiber, der bereits in seinem sehr lesenswerten Essayband "Zuhause" die mit "Heimat" gestreuten Ressentiments aus einer vermeintlich besseren Zeit beschrieben hat, beleuchtet die Karriere des Wortes in den letzten Jahren, das von einem eher ironisch verwendeten Begriff zu einem politischen Schlagwort, zu einer unbestimmten Pathosformel geworden sei:

"Unsere heutige "Heimat"-Obsession ist nichts weiter als die deutsche Variante von Trumps Wahlspruch "Make America Great Again" – der Wunsch, in eine idealisierte Vergangenheit zurückzukehren, die es nie gegeben hat. Sie ist eine Blüte des Rechtsrucks, der durch die Welt geht. Sie ist eine Gegenreaktion auf die Globalisierung und die Begleiterscheinung eines weltweit wachsenden Nationalismus."
Das Wort "Heimat" sollten wir dem rechten Rand überlassen

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Kommentare 19
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor fast 7 Jahre

    Da ein von mir empfohlener Artikel in den Kommentaren auftaucht, Anmerkungen:
    1.) Es war ein Weihnachtsartikel, den ich auswählte. Er beleuchtet eine bestimmte Ebene. Gleich am Anfang spricht Seibt von einem "oft missbrauchtem Begriff".
    2.) Vieles, was zu missbrauchen ist, ist zu gebrauchen.
    3.) Es gab im Kaiserreich, in der Nazidiktatur wie in der DDR einen Missbrauch von Heimat, aber sie war in allen drei Staatsformen auch eine Kraftquelle für Fortschrittliches. Alle bis heute noch wirkende Literatur des Kaiserreichs war Heimatliteratur. Man lese aber auch Briefe und Schriften der linken Opposition. Die Dokumente des Widerstands gegen die Nazibarbarei zeigen das Heimatgefühl als Kraftquelle. Deshalb gab es in der DDR auch viel Fortschrittliches dazu. Man lese und höre und sehe Brecht und Eisler und etliche DEFA-Filme. Leider setzte das sich nicht in der Partei- und Staatsführung durch.
    4.) In der frühen Bundesrepublik gab es eine reaktionäre Instrumentalisierung von "Heimat". Deshalb opponierten viele Regisseure in den 1960er Jahren gegen die im Artikel erwähnten Heimatfilme der Adenauer-Zeit. Und später überraschte einer von ihnen, Edgar Reitz, mit seiner Serie HEIMAT.

  2. Leopold Ploner
    Leopold Ploner · vor fast 7 Jahre

    Ich kann mich mit der Argumentation von Daniel Schreiber wegen der weiterführenden Implikationen nicht anfreunden. Er argumentiert, dass erstens der Begriff in der Vergangenheit politisch instrumentalisiert wurde, und zweitens, heute von der rechten Szene als eine Chiffre für Ausgrenzung gebraucht wird.
    Erstens ist richtig, aber neben Heimat wurden auch Dutzende andere Begriffe politisch instrumentalisiert: Freiheit, Fortschritt, Glaube, Gerechtigkeit, Arbeiter, Kultur ... Na Mahlzeit, da steht uns eine Menge Arbeit bevor, wenn wir das alles aussortieren wollen. Wahrscheinlich geht es schneller, wenn wir eine (kurze) Liste der Begriffe aufstellen, die noch nie politisch instrumentalisiert wurden.
    Richtig ist auch. dass der Heimatbegriff von Rechts als Chiffre für Ausgrenzung missbraucht wird. Aber sollen wir nun jedesmal den Schwanz einziehen, wenn die Rechten einen Begriff für sich belegen? Was, wenn sie ihre rückwärts gewandte Ideologie demnächst als Fortschritt anpreisen? Verzichten wir dann auf "Fortschritt", weil es ein rechter Begriff ist? Wenn sie Frauenrechte als Förderung von Müttern und Hausfrauen definieren, geben wir dann klein bei?

  3. Fabian Goldmann
    Fabian Goldmann · vor fast 7 Jahre

    Achim Engelberg hat neulich auch etwas Schönes dazu gepiqd: https://www.piqd.de/se...

  4. Fabian Goldmann
    Fabian Goldmann · vor fast 7 Jahre

    Finde den Text sprachlich schön, meinungstark u generell teile ich Daniels Heimat-Hype-Sorge. Wie in vielen Begrifsdiskussuonen kann ich aber nichts mit diesem reduzierten Verständnis von Sprache anfangen. Daniel schreibt Heimat sei nicht "unschuldig". Stimmt - wie so zml jeder gesellschaftspol. verwendeter Begriff. Sprache ist nie gut o schlecht, neutral o missbraucht, sie ist immer das, was der Aussprecher aus ihr macht. Für die Frage, wie ein Begriff wirkt, ist seine Geschichte wichtig, gerade der "Missbrauch". Manche Begriffe sind unrettbar. Aber oft ist es nicht so einfach, auch weil es neben G. noch x andere Faktoren gibt, die Wirkung beeinflussen. Es gibt 100e-Seiten-Disses, die Wirkungsgeschichte eines Suffixes ergründen und dennoch reicht manchmal ein Britney-Song um die Bitch zu einer selbstbewussten Frau zu machen. tl;dr Im Fall v Heimat ist Verwendung offenbar vielfältig: von "Ausländer raus" bis "Knutschen mit Steffi am Baggersee 1994" ist alles dabei. Das muss man erstmal zur Kenntnis nehmen, wenn man ernsthaft Urteil fällen will, ohne Gefahr zu laufen, selbst die Frage d Begriffsverwendung für eine Diskussion zu missbrauchen, die wmgl eine ganz andere ist.

    1. Daniel Schreiber
      Daniel Schreiber · vor fast 7 Jahre

      Das Wort "unschuldig" hat sich die Redaktion für den Untertitel einfallen lassen, nicht ich. Und ich sage an keiner Stelle des Textes, dass Leute das Wort "Heimat" nicht benutzen sollen, wenn ihnen danach ist. Im Text geht es darum, dass wir den Begriff politisch dort lassen sollen, wo er herkommt. Wir sind gerade dabei, ein Bundesministerium unter einem rechtspopulistischen Politiker, das auch für die Flüchtlingspolitik zuständig ist, um den Titel "Heimat" zu erweitern. Hat wenig mit Erinnerungen an einen Sommer am Baggersee zu tun. Der Gustav-Seibt-Artikel, den du unten empfiehlst, schafft es übrigens, die gesamte Geschichte der grauenhaften politischen Instrumentalisierungen dieses Begriffs - vom Kaiserreich über die Nazis bis in die DDR - zu ignorieren. Man muss sich historisch schon richtig riesige Scheuklappen aufsetzen, um darin ein "gutes Gefühl" zu erkennen.

    2. Marcus Ertle
      Marcus Ertle · vor fast 7 Jahre

      @Daniel Schreiber Heribert Prantl hat sehr gute Gedanken zur Heimat. Der ist auch über den Verdacht erhaben, Rechtspopulist zu sein.

    3. Daniel Schreiber
      Daniel Schreiber · vor fast 7 Jahre

      @Marcus Ertle Ich bin mit Heribert Prantls Heimat-Ansichten vertraut. Habe ein Buch zu dem Thema geschrieben und mich lange damit auseinandergesetzt.

    4. Marcus Ertle
      Marcus Ertle · vor fast 7 Jahre

      @Daniel Schreiber Das ist durchaus beeindruckend. Ich meinte es auch für diejenigen Leser, die noch kein Buch zu dem Thema verfasst haben

    5. Daniel Schreiber
      Daniel Schreiber · vor fast 7 Jahre

      @Marcus Ertle Wie schön, dann empfehlen Sie doch besagte Texte in einem Piq oder in einem Kommentar und nicht als eine Antwort auf meine obige Erklärung. So würde das jene Leser dann auch erreichen.

    6. Marcus Ertle
      Marcus Ertle · vor fast 7 Jahre

      @Daniel Schreiber Lieber Kollege,

      Ruhig Blut.

    7. Daniel Schreiber
      Daniel Schreiber · vor fast 7 Jahre

      @Marcus Ertle Ich bin vollkommen ruhig.

    8. Marcus Ertle
      Marcus Ertle · vor fast 7 Jahre

      @Daniel Schreiber Das ist schön

    9. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 7 Jahre

      @Daniel Schreiber Ist der Begriff wirklich so eindeutig den Rechten zuzuordnen? Es gab doch auch immer wieder linke, bzw reformorientierte Gruppen, die eigene Vorstellungen von Heimat pflegten. Ich denke etwa an die einst nicht ganz unbedeutende Wandervogel-Bewegung, in gewisser Weise an die legendären Burg-Waldeck-Festivals, wo eine unverkitschte Volksmusik wiederbelebt wurde, und auch an Waldorfschulen. Nur ein paar, zugegeben willkürliche Beispiele, die mir spontan einfallen.

    10. Daniel Schreiber
      Daniel Schreiber · vor fast 7 Jahre

      @Dirk Liesemer Unter dem Artikel stehen gerade 2700 Kommentare, die meisten davon rechtskonservative Hasskommentare. Mein Facebook-Postfach ist voll mit reizenden Nachrichten wie "du krankes linkes Arschloch" - ich würde also mal sagen, dass das mit der linken Besetzung des Begriffs trotz Wandervögel und Burg-Waldeck nicht so ganz geklappt hat ...

    11. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 7 Jahre

      @Daniel Schreiber Oh Gott .... die Spinner toben sich aus. Die verstehen unter Heimat auch nur "national befreite Zonen". Und klar: Die Wandervögel wurden von den Nazis ausgeschaltet.

    12. Daniel Schreiber
      Daniel Schreiber · vor fast 7 Jahre

      @Dirk Liesemer Und ich fürchte, es wird immer schlimmer mit besagten Spinnern ...

    13. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor fast 7 Jahre

      @Daniel Schreiber :( - ich hoffe, es gelingt dir diese Wut ein wenig als Bestätigung zu empfinden...und sonst wünsche ich einfach eine dicke Haut.

    14. Daniel Schreiber
      Daniel Schreiber · vor fast 7 Jahre

      @Marcus von Jordan Danke!!! Eher dicke Haut ... :))

  5. Marcus Ertle
    Marcus Ertle · vor fast 7 Jahre

    Heimat und die damit verbundenen Gefühle, die sich immer mehr als politische Faktoren etablieren kann man nicht einfach als "unsere Obsession" abtun, die man den Rechten überlassen sollte. Das wäre überheblich und, schlimmer, es wäre ein Fehler.

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