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Quelle: (c) Jochen Schmidt
Jochen Schmidt zählte 1999 zu den Mitbegründern der Berliner Lesebühne "Chaussee der Enthusiasten", bei der er bis 2017 wöchentlich auftrat und neue Texte las. Er veröffentlichte Erzählungen ("Triumphgemüse", "Seine großen Erfolge", "Meine wichtigsten Körperfunktionen", "Weltall. Erde. Mensch", "Der Wächter von Pankow"), Romane ("Müller haut uns raus", "Schneckenmühle", "Zuckersand"), Reiseliteratur ("Gebrauchsanweisung für die Bretagne", "Gebrauchsanweisung für Rumänien", "Gebrauchsanweisung für Ostdeutschland"), eine "Gebrauchsanweisung fürs Laufen" und "Schmidt liest Proust", das Tagebuch eines Lektürejahrs. Mit der Künstlerin Line Hoven arbeitete er für "Dudenbrooks", "Schmythologie" und "Paargespräche" zusammen. Gemeinsam mit David Wagner schrieb er die deutsch-deutsche Kindheitserkundung "Drüben und drüben". Zuletzt erschien der Roman "Ein Auftrag für Otto Kwant".
Auch die DDR hat Dinge hervorgebracht, für die man vor der Ewigkeit seine Hand ins Feuer legen kann, für mich gehören die Hyparschalenbauten von Ulrich Müther dazu. "Ulrich Müther Schalenbauten " von Rahel Lämmler und Michael Wagner (2008 Verlag Niggli AG, Zürich) kann als exklusiver Architekturreiseführer dienen, der einen durch den Osten Deutschlands führt, aber auch nach Wolfsburg, Hannover, Tripolis oder Helsinki, überallhin, wo Müthers Bauten mit den unverwechselbaren geschwungenen Dächern stehen oder standen. Daß in Berlin an der Fischerinsel noch im Jahr 2000 die Großgaststätte Ahornblatt von 1973 abgerissen und durch einen gesichtslosen Neubau ersetzt wurde, ist nicht zu entschuldigen und ein Verlust für die in ihrer Bausubstanz ohnehin gebeutelte Stadt. Müthers Bauten brachen radikal mit dem anfänglich von der SED bevorzugten Stil der "nationalen Traditionen", sie stehen im internationalen Kontext und wirken modern, lebensfroh, verspielt, experimentierfreudig, kühn, man denke nur an die Seerose in Potsdam, den Teepott in Warnemünde oder die Rettungsstationen in Binz (auch hier wurde die zweite 1993 abgerissen.) Das kleine, schön bebilderte Buch erklärt, was eine Hyparfläche ist, die sich "nicht abwickeln läßt", und wie sich so etwas mit normaler Holzverschalung bauen läßt. Man erfährt, daß Müther gar nicht Architekt war, sondern Bauingenieur und daß er eine Betonspritze aus dem Westen einsetzte. Bauen war in der DDR ein zentraler, mythisch aufgeladener, ideologisch umkämpfter, identitätsstiftender Vorgang, wer die DDR verstehen will, muß mehr über ihre Bauingenieure wissen.
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