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Jochen Schmidt zählte 1999 zu den Mitbegründern der Berliner Lesebühne "Chaussee der Enthusiasten", bei der er bis 2017 wöchentlich auftrat und neue Texte las. Er veröffentlichte Erzählungen ("Triumphgemüse", "Seine großen Erfolge", "Meine wichtigsten Körperfunktionen", "Weltall. Erde. Mensch", "Der Wächter von Pankow"), Romane ("Müller haut uns raus", "Schneckenmühle", "Zuckersand"), Reiseliteratur ("Gebrauchsanweisung für die Bretagne", "Gebrauchsanweisung für Rumänien", "Gebrauchsanweisung für Ostdeutschland"), eine "Gebrauchsanweisung fürs Laufen" und "Schmidt liest Proust", das Tagebuch eines Lektürejahrs. Mit der Künstlerin Line Hoven arbeitete er für "Dudenbrooks", "Schmythologie" und "Paargespräche" zusammen. Gemeinsam mit David Wagner schrieb er die deutsch-deutsche Kindheitserkundung "Drüben und drüben". Zuletzt erschien der Roman "Ein Auftrag für Otto Kwant".
Nicht wundern, ich bespreche in diesem Monat nur Bücher von Nicholson Baker, er ist bei uns immer noch viel zu unbekannt, und das wird sich durch mich auch nicht ändern, aber vielleicht lernt er irgendwann Deutsch und liest das hier, und dann ist es, als würde ich ihm freundlich zuwinken. "Der Anthologist" ist als einziges seiner Bücher zunächst nicht bei Rowohlt erschienen, sondern bei C.H.Beck. Warum? Hielt man den Roman für zu sperrig, weil so viel englischsprachige Lyrik zitiert wird? Wie soll ich ein Buch anpreisen, in dem es um den jambischen Pentameter, einen Sommer des Prokrastinierens in einer Scheune, die Geburt der Sprache aus dem rhythmischen Sprechen, Verlassenwerden und schmackhaftes Hühnchen von "Essen auf Rädern" geht? Man muss reingucken und erleben, wie Bakers Art zu denken und sein Blick für das von allen übersehene Alltagsdetail den konventionellen Roman völlig umkrempeln. Das klingt dann so: "Ich legte den Band auf den Metalltisch und ging ins Haus, um ein Gedicht über die Luftottomane zu schreiben, die eine Tischdecke bildet, bevor sie auf einen Metalltisch sinkt." Deshalb ist es bemerkenswert, dass er bei diesem Roman noch eine Runde weiterkrempelt und fast schon wieder konventionell erzählt, so richtig mit Hauptfigur und (leider!) ohne seitenlange Fußnoten. (Die Fortsetzung "Das Regenmobil", sein bisher letzter Roman, wird sogar noch "zugänglicher" sein, was immer das bedeuten soll, denn für mich persönlich sind die Informationen auf der Hafermilchverpackung ein genauso sorgfältig zu lesender Text wie "Ulysses".) Mir ist jetzt erst aufgefallen, dass ich Baker unter anderem so gerne lese, weil er es schafft, interessante Idyllen zu schreiben. Er konzentriert sich auf das Schöne am Leben, so schwer das auch ist. "Der Tod ist ein so kleiner Teil des Lebens und nicht unbedingt der, an den man dauernd denken will, denn Leben ist schließlich Leben und steckt voller unbeschriebener Details." Und dann steckt er die Nase in seine Aktentasche, die zufällig neben ihm steht, und zählt auf, was er dort rausfischt, z.B. eine staubige Rosine. Und das ist genau der Punkt: viele Autoren haben keinen Sinn für die Interessantheit und Schönheit von staubigen Rosinen in Aktentaschen und denken, der Tod wäre das lohnendere Thema. Aber da der Erzähler Paul Chowder in die Jahre kommt ("Doch inzwischen ist Ashbery alt und schon deshalb sympathischer", sagt er über einen Autor) und seine Lust, Gedichte zu schreiben irgendwie schwindet ("Man braucht die Kunst, um das Leben zu lieben."), und vor allem, da er von seiner Freundin verlassen worden ist, ist die Bakersche Idylle hier etwas gebrochener. Zudem quält Paul Chowder sich damit, eine Lyrikanthologie zusammenzustellen und dafür ein Vorwort zu schreiben, und unter den Lyrikern sind überdurchschnittlich viele kaputte Sozipathen mit Alkoholfahne vertreten. Ein Sommer in der Scheune, bei großer Hitze, inmitten von hunderten Lyrikbänden, die voller brillanter Stellen sind, fast hätte Baker es geschafft, daß ich auch mal wieder freiwillig ein Gedicht lese. Obwohl mir seine Prosa immer lieber sein wird: "Es kommt vor, dass ich für eine lachhafte E-Mail eine Stunde brauche. Ich feile so lange, bis ich ihr den Anschein gegeben habe, dass ich sie in drei Minuten runtergetackert habe. Tippfehler lasse ich stehen. Mehr noch, manchmal, wenn ich den Fehler automatisch schon korrigiert habe, gehe ich zurück und baue ihn wieder ein, damit alles spontaner wirkt. Warum, weiß ich nicht."
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Völlige, hundertprozentige Zustimmung. Das zauberhafte an Nicholson Baker hat Jochen Schmidt hier ganz zauberhaft beschrieben. Ich meine, Nicholson Baker würde viel mehr Fans verdienen.
Und die Schlusspointe von The Anthologist ist ziemlich clever.