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Die Frau ohne Kinder – suspekt

Jennifer Sutholt
psychologische Beraterin

Als psychologische Beraterin unterstütze ich alleinstehende Personen mit Kinderwunsch, baue ein Informationsportal für Co-Elternschaft auf und engagiere mich ehrenamtlich bei Solomütter Deutschland e.V.

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Jennifer SutholtDienstag, 29.11.2022

Jahrelang wurde spekuliert und darüber geschrieben, meistens zu aufdringlich, zu intim, zu bevormundend und zu vorwurfsvoll: Warum hat eine Frau wie Jennifer Aniston keine Kinder? Ist sie zu egoistisch? Zu karrieregeil? Verwehrt sie ihren Ehemännern die Freude des Vaterwerdens? Will sie nicht schwanger sein, nicht dick werden? Warum keine Leihmutter? 

Alles zusammen wahrscheinlich. Und alles zusammen eine Unverschämtheit, denn wem steht es zu, darüber zu entscheiden, ob eine Frau ein Kind bekommt oder nicht? Eigentlich nur der Frau selbst, oder? Leider in unserer Gesellschaft nicht. 

Und daher ruft das Interview, das Jennifer diesen Monat der Allure gegeben hat, nicht nur Freude hervor. Cathrin Schmiegel ist eher entsetzt und enttäuscht, dass Jennifer davon erzählt, wie sie jahrelang versucht hat, unbedingt schwanger zu werden, auch medizinisch unterstützt.

Jennifer Anistons unerfüllter Kinderwunsch und das unbedingte Interesse daran, zeigt doch nur wieder den gesellschaftlichen Umgang mit Frauen – oder vielmehr: die Erwartung an sie alle. Auch im Jahr 2022 bekommen Menschen mit Uterus vor allem eine Rolle zugeschrieben: die Mutterrolle. Erfüllen sie sie nicht, brauchen sie immer noch einen verdammt guten Grund oder noch besser: eine lange und eigentlich sehr intime Leidensgeschichte, die sie vom Muttersein abhält. Daran hat sich auch nach über 100 Jahren emanzipatorischen Kämpfen, Frauenwahlrecht und unzähligen Debatten über Abtreibung, Gender Pay Gap und Care-Arbeit nichts geändert.
Und jetzt kommt ein Gedanke, für den ich mich als Feministin ein wenig schäme. Ich werfe ihr insgeheim vor, dass sie darüber gesprochen hat. Denn es bestätigt leider auch all jene, die denken, es sei ihr gutes Recht, über den Uterus einer anderen Person zu spekulieren.

Ein unerfüllter Kinderwunsch ist für Personen, die sich Kinder wünschen, eine der schlimmsten Situationen, die vorstellbar ist. Vom eigenen Körper verraten zu werden, schmerzt tief, erträumte Lebensmodelle, die niemals Realität werden, können einen Menschen an den Rand der Verzweiflung bringen. Darüber sprechen sollen die Betroffenen aber auch nicht wirklich oder machen es einfach nicht, weil die Reaktionen meistens auf dem Niveau von: „Du musst dich nur mal entspannen, dann wirst du ganz schnell schwanger“ bleiben. Wahrscheinlich hat Jennifer Aniston deshalb so lange geschwiegen.

Gleichzeitig werden Frauen, die keine Kinder wollen, genauso angegangen. Schlimmer noch, denn sie „enthalten der Gesellschaft Kinder vor“. In der Süddeutschen Zeitung erschien schon 2021 ein Artikel zum Thema mit einer möglichen Erklärung:

„Schwangerschaft und Kinder gelten, nicht nur aber auch, als ‚öffentliche Angelegenheit‘, die demnach die ganze Gemeinschaft etwas angeht“, sagt Villa. Besonders im Verlauf des 19. Jahrhunderts habe sich die Idee durchgesetzt, dass Weiblichkeit vor allem daraus bestehe, eine Mutter zu sein. Wer als Frau also ein anderes Lebensmodell bevorzugt, lebt – so folgt daraus – „wider seiner Natur“. Daher also auch die wiederholt auftretende Belehrung, Frauen würden es bereuen, keine Kinder zu haben. Männer seien diesem Diktat nicht im gleichen Maße ausgesetzt wie Frauen, deren Körper quasi als „Rohstoffe“ betrachtet werden. 

Warum sind Frauen, die keine Kinder bekommen möchten oder keine bekommen können, uns allen so suspekt? Coach Sina Scheithauer sagt im Oktober auf femtastic.com:

Gesamtgesellschaftlich ist es immer noch ein gängiges Narrativ, dass wir so leben sollten. Wir sehen die heteronormative Kleinfamilie überall, von Mainstream-Medien bis zur gesamten Unterhaltungsindustrie. Es ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen, dazuzugehören. Individualität wird in unserer Gesellschaft ja sehr groß geschrieben. Aber wenn man genauer hinschaut, merkt man, dass dennoch viele von uns ähnlich leben. Es zieht sich durch alle gesellschaftlichen Bubbles, dass man Kinder bekommen sollte. Und da zu sagen „Ich mach‘ das anders!“, kann ein Kraftakt sein und braucht Mut.

Es braucht Mut, sich gegen das Narrativ der Gesellschaft zu stellen. Zum Glück machen das immer mehr Frauen. Egal, ob sie Kinder haben möchten oder nicht oder schon welche haben, die sie bereuen. Denn auch das ist möglich. Auf familie.de gab es Mitte dieses Monats einen Artikel zum Thema Regretting Motherhood, der 17 Kurzinterviews mit Müttern vorstellt.

Mutterschaft ist definitiv nicht jedermanns Sache und nur weil wir die Ausstattung dafür haben, heißt das noch lange nicht, dass wir die Veranlagung dazu haben. Ich gab alles, was ich konnte, tat alles, was ich tun musste, aber war es eine ‚Freude‘? Nein. Wenn ich noch einmal die Möglichkeit hätte, würde ich nie Kinder bekommen.“

Auch so darf eine Frau sich fühlen.

Die Frau ohne Kinder – suspekt

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Kommentare 3
  1. Theresa Bäuerlein
    Theresa Bäuerlein · vor 2 Jahren

    "Nur die Menopause bringt Erlösung" – ich frage mich, wie das in Zukunft sein wird, wenn es möglicherweise sehr viel einfacher sein wird, dass Frauen auch mit 60 Kinder gebären. Es geht ja jetzt schon, mittels Eizellenspenden etc., ist nur teuer und mühsam und in Deutschland zum Beispiel nicht erlaubt. Ich mag den Gedanken, dass die Menopause nicht nur der Tod der eigenen Fruchtbarkeit ist, sondern auch die Chance auf einen Neubeginn, weil man als Frau sein Leben nun offiziell etwas anderem widmen "darf". Das wäre damit wohl erledigt... andererseits hört der Anspruch, dass Frauen sich immer um andere kümmern sollen, eigentlich nie auf, oder?

    1. Jennifer Sutholt
      Jennifer Sutholt · vor 2 Jahren

      Ich glaube, es hört einfach nie auf. Ich hoffe trotzdem sehr, dass sich in den nächsten Jahren einfach das Bewusstsein ändert und Frauen auch jede andere Rolle, die sie für sich selber gerne hätten, einnehmen können, ohne kommentiert und diskriminiert zu werden.

    2. Theresa Bäuerlein
      Theresa Bäuerlein · vor 2 Jahren

      @Jennifer Sutholt Das hoffe ich auch.

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