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Literatur

Übersetzungsarbeit – Uljana Wolfs Essays und Reden

Übersetzungsarbeit – Uljana Wolfs Essays und Reden

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtMittwoch, 27.10.2021

Dass alle Kunst Übersetzen sei, hat Novalis angemerkt. Er hatte damit sicher den Transformationsprozess vor Augen, der aus einem Gegenstand jenseits der Kunst jenen macht, der im Bild erscheint, aber mehr ist als bloße Abbildung. Die Verwandlung der Welt. Der Verlag kookbooks hat nun einen Band mit dem Titel „Etymologischer Gossip“ vorgelegt, der Reden und Essays der Autorin Uljana Wolf enthält, die in den letzten Jahren zu unterschiedlichen Anlässen entstanden sind und wie Wolfs lyrisches Werk die Mehrsprachigkeit, die Übersetzung, die Sprachgrenzen zum Gegenstand haben und erweitern.

Uljana Wolf betrachtet dabei das Spiel zwischen den Sprachen, die klanglichen Diffusionen und Interferenzen, die dabei zum Vorschein kommen. 

Einige der Essays zum Beispiel nehmen Gedanken und Konstellationen auf, die durch die Beschäftigung mit dem Werk Ilse Aichingers induziert wurden. An einer Stelle heißt es erzählerisch, als eine Lektorin darauf aufmerksam macht, dass das amerikanische Publikum ein Wort der Übersetzung als Tippfehler identifizieren würde:

„Oh, dachte ich, um einen Fehler handelt es sich gewiss. Einen Webfehler, der die Struktur der Sprache und ihre Durchlässigkeit auf andere Sprachen zu Bewusstsein bringt, der, mit anderen Worten, Schreiben erst möglich macht.“

Dieses Verhältnis scheint eben auch in der lyrischen Produktion Wolfs auf; hier bezieht sie sich auf Aichinger, bringt aber etwas Allgemeines zum Ausdruck. Jenen Verfremdungsprozess, der der Kunst innewohnt und der letztlich zur Schärfung des Blicks beiträgt. Des Blicks in jede Richtung, auf die eigene Sprache und auf die fremde.

Auf Aichinger kommt Wolf auch zurück, wenn sie sich an anderer Stelle dem Prosagedicht widmet, jener hybriden Gattung, die sich in der französischen Moderne generierte und von da an in verschiedenen Sprachen wie aus einem Myzel Fruchtkörper trieb, eben auch im Amerikanischen und im Deutschen.

„Ein Prosagedicht ist ein Prosatext, der etwas zu sein scheint, was er nicht ist. Diese Abweichung kann sich auf der narrativen Ebene ereignen, also das Gene als Genre in Frage stellen, oder Referenzialität als solche unterlaufen. Im Herzen all dieser Spielarten liegt die anarchistische Weigerung, Codes zu gehorchen, ein Formwillen, der zugleich polymorph und amorph ist, permanent in Bewegung.“

Als Referenz gibt Wolf an dieser Stelle eben Text von Lydia Davis an, einer Autorin deren Werke auf Deutsch in Übersetzungen von Klaus Hoffer im Droschl Verlag erscheinen, und die auch eine Meisterin auf dem Gebiet der literarischen Reduktion ist.

Wolfs Interesse liegt auf der Rändern der Gattungen und Sprachen, dort wo sich Gattungen und Sprachen Vermischen und in dieser Vermischung, Ablenkungen, Abweichungen vom Normativen auftreten, die nicht zu vermeiden sind und die die Regel einerseits unterlaufen und dadurch andererseits als Formgrund erst sichtbar werden lassen. 

Am eindrucksvollsten erweist sich das vielleicht im Text „Wandernde Errands“ der sich mit dem ebenfalls hybriden Buch „Dicktée“ der koreanisch amerikanischen Künstlerin und Schriftstellerin Hak Kyung Chas befasst, mit dem Einwanderungsschicksal als Sprachschicksal.

„Mir ging es von Anfang an so, Sprache war nicht zu Hause anzutreffen.“

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