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Volk und Wirtschaft

Wer braucht noch die ARD?

Frank Lübberding
Journalist und Autor
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Frank LübberdingMittwoch, 20.02.2019

Allein die Existenz dieses Artikels zeigt den technologischen Wandel. Die technisch begründeten Grenzen zur Vermittlung von Informationen sind Geschichte. Die Ursprünge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hatten aber mit diesen Grenzen zu tun. Es ging um die Kontrolle knapper Ressourcen mit großer politischer Bedeutung. In Europa entwickelten sich die Rundfunksysteme im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten unter staatlicher Regie. In Großbritannien und Deutschland nannte sich das öffentlich-rechtlicher Rundfunk als Ausdruck von Staatsferne. Um es in der Terminologie einer Elisabeth Wehling zu beschreiben: Ein Framing mit hoher Durchschlagskraft als noch niemand wusste, was das überhaupt ist. In Westdeutschland wurden diese Sendeanstalten nämlich spätestens ab den 1960er Jahren zur Beute politischer Parteien. Sie stritten auf allen Ebenen um Posten und Sendeminuten. Die Staatsferne war mehr Mythos als Realität. Das änderte sich erst mit der Etablierung privater Konkurrenz. Die Legitimation von ARD und ZDF hing plötzlich nicht mehr nur vom Wohlwollen der Parteizentralen ab. Der Zuschauer hatte mit seiner Fernbedienung ein Wort mitzureden, und zwang so die Sender auf dessen Erwartungen einzugehen. Angesichts dessen wird die Inhaltsleere der Phrasendreschmaschine namens "Framing-Manual" deutlich - und das Grundproblem der ARD erkennbar: Es gibt heute weder technologische Grenzen, noch erkennbare politische Gründe für ihre Existenz. Die ARD kann sich lediglich mit ihrer journalistischen Arbeit und publizistischen Bedeutung legitimieren. Daran wird das moralisierende Geschwafel einer Frau Wehling nichts ändern. Angesichts dessen muss man sich aber fragen, ob die ARD nicht besser als Pay-TV-Angebot zu organisieren wäre. Anschließend könnte jeder selbst entscheiden, ob er für "unseren gemeinsamen, freien Rundfunk ARD" bezahlen möchte. So hat Frau Wehlings Elaborat eine paradoxe Wirkung. Es macht erst die Legitimationskrise der ARD für jeden Bürger transparent.

Wer braucht noch die ARD?

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Kommentare 19
  1. Axel Erbstößer
    Axel Erbstößer · vor mehr als 5 Jahre

    Sehr interessant, diesen Artikel und Wirtschaft zu stellen. Haben die privaten Sender ein großes Interesse, den "sozialistisch" bezahlten, unabhängigen Sendebetrieb abzuschalten, um Marktanteile zu generieren.
    Die Fragestellung ist an sich schon verkehrt und ist ebenfalls Framing, in dem Fall ein Marketing Instrument. Die Frage an sich müsste eher lauten: Warum brauchen wir privates Fernsehen auf einem so unfassbar schlechten Niveau?
    Dicht gefolgt von Themen, die es zu erörtern gibt wie: Hängt der fortschreitende Egoismus und der zunehmende Verfall sozialer Strukturen innerhalb unserer Gesellschaft mit den Prekariats-Programmen der privaten Sender zusammen oder wird der Abwärtstrend dadurch gefördert?
    Wie kann es sein, dass Sport-Veranstaltungen mit enormen öffentlichen Interesse nur noch im vollen Umfang im Bezahl-Fernsehen bereit gestellt werden? Gewiss, da kommt wieder jemand mit der freien Marktwirtschaft, Angebot und Nachfrage und dem Preis. Wer allerdings ein Beispiel zu unfassbar aufgepumpten Blasen sucht, der wird hier fündig.
    Und zum Abschluss: Wie kann es sein, dass private Fernsehsender dem öffentlich rechtlichen Rundfunk bestimmen können, dass die Inhalte der Mediatheken nur auf ein Jahr zur Verfügung stehen?

    Das fände ich bedeutend interessanter zu wissen.

    Welchen Sprech die Kollegen vom "MDR" bevorzugen, nehme ich nicht besonders ernst.

    1. Frank Lübberding
      Frank Lübberding · vor mehr als 5 Jahre

      Historisch waren Massenmedien schon immer primär Unterhaltungsformate. Die Bild hatte in den 1970er Jahren über 5 Millionen Auflage, die Faz unter 300.000. Auch das Fernsehen dieser Zeit wurde nicht von Debatten zwischen Adorno und Gehlen zur Primetime bestimmt. Als das lief, schnarchten Oma und Opa um die Wette ... . Mit der Einführung des ZDF gab es sogar schon eine Konkurrenzsituation und den Kampf um Quoten. Entsprechende Kommentare in den Medien gab es gratis dazu, wenn etwa im Sommerloch andauernd nur Wiederholungen liefen. Im Bildungsbürgertum wurde das Fernsehen noch in den 1960er Jahren als Instrument zur Volksverblödung betrachtet. Die Forderung von Helmut Schmidt nach fernsehfreien Tagen kam nicht aus Zufall. Wir sollten uns davor hüten, die Vergangenheit zu idealisieren ... .

    2. Christine Köhler
      Christine Köhler · vor mehr als 5 Jahre

      @Frank Lübberding Niemand auf dieser Seite "idealisiert" die Vergangenheit oder Gegenwart. Der indirekte Idealisierungsvorwurf ist eine Generalisierung und Übertreibung und wird der Diskussion auf dieser Seite nicht gerecht. (Es sei denn, man ist darauf aus, den ,,Abschaffungsdiskurs" des Öffentlichen zu befeuern?!)

  2. Daniela Becker
    Daniela Becker · vor mehr als 5 Jahre

    Dieses ganze Geschimpfe über die furchtbare Inhaltsleere der ARD-Sendungen kann ich immer nur halb nachvollziehen. Dann guckt halt arte. Arte ist auch ein ÖR, wird auch über den Rundfunkbeitrag finanziert und bietet rund um die Uhr alles, was der ARD angeblich fehlt: Fordernde Kulturprogramme, hochwertige Nachrichtensendungen, Dokus, innovative Online-und Mitmachansätze.
    Tatort, Talkshows, Pilcher, Musikantenstadl ist alles nicht meines, aber offensichtlich gibt es doch ganz viele Leute, die das gerne sehen. Mir kommt das alles ein bisschen vor wie die Diskussion um den Dorfladen. Angeblich wollen alle einen, aber wenn es dann einen gibt, macht der ratzfatz insolvent, weil doch die meisten in die Supermärkte fahren.

    1. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor mehr als 5 Jahre

      Und es ist ja auch nicht so, als käme aus der ARD gar nichts neues. Hier ein Beitrag über "News-WG", ein Format des BR um ein jüngeres Publikum anzusprechen, was scheinbar ganz gut funktioniert. https://www.ndr.de/fer...

    2. Frank Lübberding
      Frank Lübberding · vor mehr als 5 Jahre

      Die Versuche, solche Dorfläden durch Subventionierung zu erhalten, sind auch deswegen gescheitert.

    3. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor mehr als 5 Jahre

      @Frank Lübberding Achja, wo wurden Dorfläden subventioniert? Mein Punkt war aber, dass die ÖR doch eigentlich ein ziemlich diverses Angebot offerieren.

    4. Frank Lübberding
      Frank Lübberding · vor mehr als 5 Jahre

      @Daniela Becker Es gab diverse Versuche, sie genossenschaftlich zu organisieren.

    5. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor mehr als 5 Jahre

      @Frank Lübberding Eine Genossenschaft ist halt was ganz anderes als eine staatliche Förderung. Aber ich denke das führt jetzt zu weit vom Thema weg.

    6. Frank Lübberding
      Frank Lübberding · vor mehr als 5 Jahre

      @Daniela Becker Es beschreibt aber das ökonomische Probem, nicht nur des Dorfladens ... .

    7. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

      ...ich würde diese Kritik nicht pauschal abwürgen wollen. Es geht ja eben nicht darum, dass viele den Tatort und Fussball sehen wollen, sondern um solche Auswüchse wie die kolportierten 400Mios an die FIFA für die TV Rechte zur WM 2014. Ich sags mal so: da ist Luft nach unten. Und zwar ohne das Konzept ÖR zu gefährden.

      Vergleiche mit Dorfläden ziehen für mich nicht. Der ÖR beruht auf der Wahrnehmung, dass Information keine beliebige, kapitalistische Ware ist. Dass das so lange gut und halbwegs friedlich auf der selben Wiese wie der privatwirtschaftliche Journalismus geblüht hat, lag ja nur daran, dass der eben einen eigenen superfetten Geldschlauch hatte, nämlich Werbung. Der ist weg, einer neuer ist nicht in Sicht und dementsprechend schwieriger ist das Geldverdienen und dementsprechend ärgerlicher ist ein Konkurrent, der seinen Nullpunkt bei 8 Milliarden jährlich hat.
      Ich glaube, dem ÖR würde es gut anstehen, sich an dieser Stelle verantwortlich zu fühlen für die privaten Pendants und zu überlegen, wie man sich am Markt so verhalten kann, dass es für beide förderlich ist. Mindestens für alle, die offensichtlich einstehen dafür, dass Journalismus kein beliebiges Geschäft ist.

      Die willigen "Privaten" könnten mal darüber nachdenken, ob der ÖR und seine böse, planwirtschaftliche Kohle (und sein böses Framing) vielleicht das einzige ist, was zwischen ihnen und dem Wolfsrudel aus Tech-Giganten steht.

  3. Christine Köhler
    Christine Köhler · vor mehr als 5 Jahre

    "öffentlich-rechtlich" als präskriptiv synonym mit ,,Staatsferne" zu assoziieren empfinde ich als "framing" im schechtesten Wehlingschen Sinne, eine solche Vorgehensweise wird in dem piqer-Text sogar kritisiert. Das Parlament, der Reichstag, hat in Deutschland die Glaskuppel, damit er von oben kontrolliert werden kann, von der Öffentlichkeit, nicht von Gott oder selbsternannten Gottesvertretern. Wie soll das gehen ohne die vierte Gewalt, die dem Anspruch nach unabhängig eine solche Kontrolle ermöglichen muss/ einfacher machen muss? Eine rein privatisierte ,,vierte Gewalt" sehen wir in Rumänien oder Italien. wollen wir das? ,,Öffentlich-rechtlich" bedeutet für mich ,,staatlich" im positiven Sinne. Der Staat sind wir. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen und auch Druck zu machen. Texte als ,,Lead-in'' zu piqen um ,,hintenrum" (siehe meine Kritik oben) zu desavourieren und die Abschaffung zu fordern, finde ich journalistisch grenzwertig und staatsbürgerlich enttäuschend.

    1. Frank Lübberding
      Frank Lübberding · vor mehr als 5 Jahre

      Es ging beim Link zu Netzpolitik darum, die veränderten technologischen Bedingungen deutlich zu machen. Vor dreißig Jahren wären die Verantwortlichen ungerührt auf ihren Sessel sitzen geblieben, weil sich außer ein paar Journalisten niemand mit dem Papier beschäftigt hätte. Das wäre im Spiegel oder Stern thematisiert worden. Anschließend mit ein paar Kommentaren in den anderen Blättern. Das ist die berühmte Gatekeeper-Funktion, die verloren gegangen ist. Bisweilen gibt es wirklich die Neigung, die alten "closed shops" zu idealisieren. Und was soll eine rein "privatisierte vierte Gewalt" sein? Die Kritik an Berlusconi funktionierte auch nur unter den Bedingungen des untergehenden alten Mediensystems. Heute kommt es darauf an, dass gewisse Standards nicht von einem "moralischen Argument" weggespült werden, das Frau Wehling zur theoretischen Grundlage ihres Papiers gemacht hat. Die ÖRs werden ihr Gebührenmodell nur aufrechterhalten können, wenn sie einen substantiellen Mehrwert produzieren, den privatwirtschaftlich organisierte Medien nicht erbringen können. Ob Journalismus die "vierte Gewalt" ist, wage ich auch zu bezweifeln: Die hing letztlich von realer Macht als Gatekeeper ab, der Diskurse prägen konnte.

    2. Christine Köhler
      Christine Köhler · vor mehr als 5 Jahre

      @Frank Lübberding Der ,,Mehrwert" ist vor allem ein ,,Wenigerwert". Der ,,Gatekeeper" funktioniert als ,,Filter". Wenn die ÖRs wegfallen, gibt es weniger Möglichkeiten zum "cross-checking"/ "double checking". Wenn es nur noch ''privatwirtschaftlich organisierte Medien'' gibt (das verstehe ich unter "rein privatisierter vierter Gewalt"), fehlt ein wichtiger Filter, es wird schwer bis unmöglich, die ,,Nadel im Heuhaufen zu finden"/ die Wahrheit zu finden/ sich eine Meinung zu bilden/ die gegnerische Wahrheit zu finden/ sich auf Gegenmeinungen einzustellen. Auch ich sehe den Wehlingschen ,,Kampf ums bessere Framing nach der Methode des Einhämmerns'' sehr kritisch. Ich warne davor, dass man sich auf dieses Niveau herablässt, um - aus meiner Sicht ohne Not - das Ende der ÖRs / den Untergang des ,,alten" Mediensystems'' herbeizuschreiben. Ich lehne es ab, wenn die ,,Krise'' der ÖRs als ,,Chance'' zur Abschaffung genutzt werden soll.

  4. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor mehr als 5 Jahre

    Danke für den piq! Die Idee mit dem Pay-Angebot der ARD finde ich interessant. Wäre spannend zu erfahren, wie viel Prozent dies nutzen würden ...

    Als Bürger wünsche ich mir von den ÖR folgendes:
    - Perspektiven-Vielfalt, d. h. dort werden Themen journalistisch aufbereitet, unterschiedliche Perspektiven dargestellt, Rand-Themen beleuchtet
    - Tiefen-Journalismus, d. h. durch die sicheren Einnahmen, können tiefere journalistische Tätigkeiten finanziert werden (wie Correctiv es macht), mehr Hintergründe
    - Mediathek, d. h. alle produzierten Filme, Podcasts können einfach abgerufen werden, ohne Zeitbeschränkung
    - Dialog, d. h. die ÖR könnten auf der einen Seite mehr in einen Dialog mit den Bürgern gehen, auf der anderen Seite könnten sie mehr ein Plattform sein, um Bürgern untereinander einen Dialog anzubieten. Wir brauchen dringend mehr Dialogräume, d. h. Räume, in denen es nicht um Richtig/Falsch, sondern um Zuhören, Verstehen, Erkennen geht

    Ich wünsche weniger von den ÖR bei:
    - weniger Geld in große Sportereignisse (Olympia, Fußball-WM, Bundesliga), sondern eine solide Basisberichterstattung darüber. Ich möchte die Millionengehälter der Fußballer & Co. nicht über den Zwangsbeitrag finanzieren
    - weniger Werbung auf den Kanälen

    Aus meiner Sicht hätte ich die 120.000 Euro für das Framing-Gutachten lieber einem Journalisten für eine Reportage gegeben, statt damit moralisches Framing zu erkunden. Doch die Präferenzen sind bekanntlich unterschiedlich. [zur Transparenz: ich bin kein Journalist]

    Abschließend freue ich mich jedoch über den Diskurs, weil es einen Spot auf das Framing wirft. Damit steigt die Sensibilität zum Thema!

    1. Frank Lübberding
      Frank Lübberding · vor mehr als 5 Jahre

      Einen solchen Kanal würden wahrscheinlich fast alle über 50 buchen. Sie müssten die Einzugsermächtigung nur weiterlaufen lassen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Bei den Jüngeren sieht das schon anders aus, weil sie das mit anderen Angeboten vergleichen - und ihr Informationsbedürfnis auch außerhalb der ÖRs befriedigen könnten. Die von Ihnen oben genannten Punkte wie Plattform für einen Bürgerdialog werden ja auch schon angeboten. Wo ich skeptisch bin, ist die Ablehnung von Sport-Berichterstattung. Gerade die Live-Übertragungen sind das, wo das klassische lineare Fernsehen noch funktioniert. Eine andere Frage ist aber, ob sich die ÖRs weiterhin erpressen lassen. Aber der Verzicht des ZDF auf die Champions League oder die Querelen um die Olympischen Spiele waren ein Signal an die Rechtehändler, den Bogen nicht zu überspannen. Und im Free-TV Privatfernsehen lassen sich diese Summen nicht refinanzieren. Hier könnten also die Grenzen erreicht sein.

  5. Frank Lübberding
    Frank Lübberding · vor mehr als 5 Jahre

    Die ARD ist ein Konglomerat mit einem großen Potential für journalistische Produkte. Wahrscheinlich wissen sie selber nicht, wieviele Redaktionen dort in allen Sektoren unterwegs sind. Die publizistische Bedeutung besteht in ihrem Binnenpluralismus, der aber neuerdings wieder zurückgegangen ist. Stattdessen dominiert gerade wieder eine Binnensicht, die sich als Gralshüter der Demokratie begreift. Und auf die Kritik von rechts reagieren sie mit einer Art Festungsmentalität, wie sie in dem Framing Manual zum Ausdruck kommt. So ist Monitor mit Georg Restle wirklich erfrischend, selbst wenn einem der hohe moralische Ton auf die Nerven fällt. Wenn aber alle nur noch mit dem gleichen Tonfall unterwegs sind, müssen sie sich über die Reaktionen nicht wundern. Das ist dann wirklich nur für den Teil des Publikums interessant, der diese Sichtweisen teilt. Warum werden ARD und ZDF über den Straßenkarneval wieder in aller Ausführlichkeit berichten? Sicher nicht wegen der journalistischen Relevanz, sondern weil es Zuschauer bindet. Funktioniert somit auch nicht anders als die privatwirtschaftliche Konkurrenz. Das ist die Verlogenheit in diesem Papier: Tatort und die gefühlt tausend anderen Krimis, Schmonzetten wie Rosamunde Pilcher (oder ganz ketzerisch Charite und Berlin Babylon), Florian Silbereisen, Fußball und Wintersport sind von größerer Relevanz als alle journalistischen Produkte. Das ist nachvollziehbar, weil ein solches Gebührenmodell am Ende sein wird, wenn nur noch eine verschwindende Minderheit für diese Zahlungen eine Gegenwert bekommt. Die werden sich dann fragen, warum sie meine Informationsbedürfnisse auf Arte oder Phoenix mitfinanzieren sollen. Nichts davon findet sich in diesem Papier. Stattdessen suggerieren sie nach einer anderen Logik zu funktionieren als die bösen Kommerzmedien. Nur könnten das, was ARD und ZDF in ihren Kernbereichen anbieten, auch private Akteure ohne Qualitätseinbußen machen. Etwa die Liveberichterstattung vom Karnevalsumzug ... . Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber lediglich Nischen besetzen soll, wäre das mit einem wesentlich reduzierten Programmangebot zu machen - und billiger ... . Nur hängt halt die Akzeptanz für das Gebührenmodell an einem Punkt: Ob sie in ihrer klassischen journalistischen Berichterstattung als kompetentes Medium akzeptiert werden. Das bedeutet von allen gesellschaftlichen Gruppen, unabhängig von deren politischen Präferenzen. Aber gerade bei Wehling findet sich das glatte Gegenteil. Deshalb wird es auch von den Kritikern als Selbstermächtigung zur Erziehung des Publikums interpretiert. Wer will sich aber schon von Journalisten erziehen lassen, nicht einmal Volontäre. Insofern zeigt Frau Wehling recht gut, was gerade schief läuft. Dafür hätte ich auch 120.000 € ausgegeben ... .

    1. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

      Um das klar zu sagen - einen Reformbedarf sehe ich auch dringlichst. Es wäre auch verwunderlich, wenn es angesichts der dramatischen Veränderungen dieser Jahre nicht gäbe. Dazu finde ich zwei Prämissen wichtig:
      1. In die Vergangenheit fassende Schuldzuweisungen sind langweilig - was der ÖR gemacht hat und geworden ist, ist aus der Lage damals zu beurteilen. Wenn man jetzt über Veränderungen redet, sollte man auch über jetzt reden. Es ist wie in der Parteipolitik - gegenseitige Vorwürfe im Bezug auf gemachte Fehler oder verpasste Chancen oder nicht getätigte, rechtzeitige Reformen sind zwecklos.
      2. Die Debatte darf nicht vergessen, dass diese Konzerne, so wie andere auch, Verpflichtungen haben gegenüber enorm vielen Menschen. Diese behindern manche radikale Reform, aber die rechte dieser Menschen sind zu schützen. Wen das ärgert, der siehe Punkt1.

      Dann wäre es sinnvoll sich klar zu werden, dass und für was man den ÖR braucht in Zukunft. Dass das Gespräch keinen erwartungsvollen Anfang nimmt, wenn man sagt "weg mit euch!", ist irgendwie klar oder? Ich akzeptiere natürlich, wenn jemand sagt, dass er auf die Abschaffung besteht, würde mich aber eben für etwas anderes einsetzen.

      Tatort und seine 1001 Ableger, Rosamunde Pilcher (die gabs wirklich!) und die 100ten von Millionen für die FIFA sind mir auch unerträglich. Eine gewisse Abdeckung über die hochkulturellen, sehr schlauen und unsagbar wertvollen Nischen hinaus leuchtet mir aber ein. Der Effekt soll ja den Mainstream erreichen und braucht insofern schon eine inhaltliche Bandbreite.

      Das Papier von Frau Wehling eignet sich meiner Ansicht nacht mitnichten dazu, die ÖRs an sich zu diskutieren. Klar ist es "verlogen". Es handelt sich um eine PR Strategie, nicht um eine Analyse. Auch macht der Vorwurf des "moralisierenden Geschwafels" nicht viel Sinn denke ich, denn sie beschwört halt auftragsgemäß, was man so heranziehen kann an PR tauglichen Narrativen zur Stützung der ARD. Das ist Framing? Oder doch eher PR? Werbung? Manipulation? Argumentation? Auf jeden Fall ist es (auch auftragsgemäß) aufgeblasen, aber der Skandal scheint mir lediglich darin zu liegen, dass sie es nicht geschafft haben, das für sich zu behalten. Bzw. nicht antizipiert haben, dass das nicht möglich sein würde und es dementsprechend formuliert haben.

      Trotzdem - große Teile des ÖR erscheinen mir eben doch nach einer anderen Logik als privatwirtschaftliche Medien zu funktionieren. Ich habe es ja oben schon angeschnitten - sie müssen nicht permanent kommerziell optimieren um wenige private Shareholder zu "ernähren" und sie sind als der "Staatsfunk", als den man sie dann eben von mir aus bezeichnen mag, eben immerhin noch etwas anderem verpflichtet als privaten, extrem mächtigen "Heuschrecken" (man mag den Anführungszeichen in diesem Satz meine Verachtung für diese dämlichen Polarisierungen entnehmen).
      In dieser Hinsicht funktioniert einiges sehr gut denke ich. Ich bin jedenfalls immer wieder positiv überrascht, wie der BR nach Generationen von CSU Allmacht immer noch stramm kritisch ist gegenüber diesem "Staat".

      Ein Beispiel für veränderten Auftrag des ÖR könnte sein: digitale Strukturen anbieten oder unterstützen, die einen transparenten, mittelstandsfähigen Deal für die Distribution von medialen Inhalten im Netz anbieten. Nur so als eine Idee mal...

  6. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

    mal nachgefragt: was ist denn für dich die journalistische Arbeit und publizistische Bedeutung der ARD? Oder wie bewertest du das? Ich verstehe, dass das für dich keine Legitimation mit sich bringt?
    Ich persönlich erkenne sehr wohl noch politische Gründe, die öffentlich-rechtlichen Rundfunk legitimieren. Bericht, Thematisierung und kulturelle Reflexion gerade von allem, was sich in einem kommerziell immer weiter optimierten Kontext nicht mehr lohnt. Sei es in der thematischen oder in der regionalen Nische. Und: freie Verfügbarkeit. Und: die Sammlung von Fakten mindestens mal abseits von kommerziellem Framing.

    Die Staatsferne ist tatsächlich theoretischer Natur. Aber warum ist das so schlimm? Es ist ja doch eine demokratisch gewählte Staatlichkeit, in der entsprechend zyklisch auch immer wieder Machtverhältnisse verändert werden und eine gewisse Transparenz obligat ist. Ich sag mal: ist das nicht ein wünschenswertes Gegengewicht zur Wahrnehmung der Öffentlichkeit der Stärksten? Anders gefragt: wünscht du dir in letzter Konsequenz einen Markt, auf dem Journalismus eine beliebige Ware ist? Ich jedenfalls nicht.

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