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Klima und Wandel

Der Verein, der unsere Straßen plant, dient nicht dem Gemeinwohl

Daniela Becker
Autorin

"Wie kann die Klimakrise gelöst werden?" ist die Frage, die mich am meisten beschäftigt. Ich bin Mitglied von RiffReporter, einem Autorenkollektiv und einer Genossenschaft für freien Journalismus.

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Daniela BeckerFreitag, 15.04.2022
Eintausend Fragen, ich komme nicht drauf! Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf? Warum nehmen wir Brumm-Brumm eigentlich noch in Kauf? Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf?

ZDF-Satiriker Jan Böhmermann singt in seinem Video „Warum hört der Fahrradweg hier einfach auf“ so manchem genervten Radfahrer aus dem Herzen.

Doch warum also hört der Fahrradweg hier auf? Ein Grund dafür liegt bei der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Die privatwirtschaftlich organisierte Organisation erstellt Richtlinien, nach denen sich Verkehrsplaner landauf, landab richten. Das macht die FGSV zu einer enorm einflussreichen Organisation, prägt sie doch mit ihren Vorgaben das Straßenbild von Kommunen und Städten – und oftmals auch Vergaberichtlinien beispielsweise für die Förderung neuer Radwege. 

Große Hoffnungen setzten Fahrradverbände zum Beispiel in die Richtlinie Radvorrangroute / Radschnellverbindung (RVR-RSV), die 2021 von der FSGV publiziert wurde.

Ein Blick in die Richtlinie zeigt allerdings: Die Hürden für eine Radvorrangroute / Radschnellverbindung (RVR-RSV) sind enorm hoch. Dort steht nämlich, es solle zunächst eine Potenzialanalyse durchgeführt werden, um den „Bedarf“ nachzuweisen. Als Nachweiskriterium legt die Richtlinie mindestens 2.000 Radler am Tag fest. Das ist als Instrument problematisch, weil es ja eigentlich darum geht, den Radverkehrsanteil zu erhöhen und nicht den Status quo zu zementieren. Zudem fokussiert sich die Nachweispflicht stark auf den pendelnden Berufsverkehr, was aber außer Acht lässt, dass Menschen, die nicht ins Büro pendeln, natürlich auch sicher Fahrrad fahren wollen. Die Nachweispflichten erstrecken sich über vier Seiten der Richtlinie. Bevor also ein Radschnellweg gebaut werden kann, muss für jede einzelne Strecke zeitaufwendig und ressourcenintensiv der Nachweis geführt werden, damit der Bau überhaupt infrage kommt. 

Das unterscheidet sich stark von der FSGV-Methodik für den Entwurf von Stadtstraßen. Für sie muss keinerlei Bedarf nachgewiesen werden. Hier ist der Anspruch auf ein durchgängiges Straßennetz ganz selbstverständlich enthalten. Würde der Bau von Autostraßen oder Autobahnen den gleichen Nachweispflichten wie Radschnellwegen unterliegen, gäbe es davon in Deutschland kaum einen Neubau.


Obschon der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt, steht die FGSV seit Längerem in der Kritik. Der Verein zeigt sich allerdings für Reformen anscheinend wenig offen. 

Ich möchte jedem, der sich für Rad- und Mobilitätsthemen interessiert, dringend diesen Fachaufsatz von Oliver Schwedes, Mobilitätswissenschaftler und Hochschulprofessor an der TU Berlin, ans Herz legen.

Schon in einer vorangegangenen Analyse hatte Schwedes der Organisation umfassenden Reformbedarf attestiert. „Demokratie, Transparenz und Kommunikation innerhalb der FGSV erscheinen verbesserungsfähig“, heißt es dort. In den Arbeitskreisen seien beispielsweise Einrichtungen des öffentlichen Verkehrs nur sehr schwach vertreten; Umwelt- und Klimagruppen sowie Vertreter von Fuß- und Radverkehr so gut wie gar keine – Vertreter von Straßenbauunternehmen dafür umso mehr. Kurzum, in der FGSV sind überwiegend Menschen und Institutionen organisiert, die über lange Zeit den nicht nachhaltigen Status quo der deutschen Mobilität verursacht haben. Der Männeranteil bei den mitarbeitenden Personen lag zum damaligen Zeitpunkt bei 86 Prozent. Dazu kommt, dass der Entstehungsprozess der Regelwerke intransparent ist, sie sind auch nicht öffentlich einsehbar. Man muss sie kaufen. 

Schwedes zieht daher folgendes Fazit:

Die demokratische Legitimation von Expertengremien wie der FGSV ist in wachsendem Maße daran geknüpft, inwieweit es ihnen gelingt, den vielfältigen sozialen Interessenlagen im Sinne des Gemeinwohls zu entsprechen. Das wird in der Verkehrspolitik aufgrund des dynamischen Wandels aktuell besonders deutlich, wenn neue gesellschaftliche Akteure auf der politischen Bühne erscheinen, die sich in den technischen Regelwerken der FGSV nicht wiederfinden. Das ist am augenfälligsten mit Blick auf die Systematik der Regelwerke, die sich durch eine Hierarchie auszeichnen, die dem motorisierten Straßenverkehr die höchste Priorität einräumt, während demgegenüber der Rad- und Fußverkehr einen deutlich nachgeordneten Stellenwert erhalten. Damit repräsentieren die Regelwerke der FGSV nicht mehr den gesellschaftlichen Bedeutungszuwachs von Rad- und Fußverkehr aufgrund einer wachsenden Nachfrage von Seiten immer größeren Teile der Bevölkerung (UBA, 2021). In dem Maße, wie die FGSV ihre Expertise einseitig an Partikularinteressen ausrichtet und damit das Gemeinwohl verfehlt, verliert sie an demokratischer Legitimation.
Der Verein, der unsere Straßen plant, dient nicht dem Gemeinwohl

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Kommentare 2
  1. Daniela Becker
    Daniela Becker · vor fast 2 Jahre

    Das PDF scheint über den Link nicht mehr zu erreichen zu sein, daher poste ich ihn hier noch mal: http://spw.spirito.de/...

  2. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor mehr als 2 Jahre

    korrekt. Auch wenn ich mich frage inwieweit eine privatwirtschaftliche Organisation überhaupt 'demokratische Legitimation' besitzt?

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