Es ist erstaunlich – und frustrierend –, dass jedes Jahr vor Beginn der Saison aufs Neue über Geschlechtergerechtigkeit auf Festivalbühnen diskutiert wird. Einerseits sind Bemühungen erkennbar, siehe das Line-up vom letztjährigen Primavera-Festival oder das von Carolin Kebekus initiierte DCKS-Festival mit rein weiblicher Besetzung. Solchen Entwicklungen stehen jedoch die immer gleichen P*****-Paraden von Rock am Ring gegenüber. Die lange Corona-Durststrecke hat zudem dazu beigetragen, dass vielerorts "auf Nummer sicher" gegangen wird, wenn es darum geht, Konzertorte zu bespielen – was oftmals heißt, dass eben altbewährte Herrenabende stattfinden. Beim anstehenden Glastonbury-Festival Ende Juni, das beim derzeitigen Line-up auf immerhin 47 Prozent weibliche Acts kommt, zeigt sich ein neues Problem: fehlende weibliche Headliner.

Emily Eavis, Tochter des Glastonbury-Initiators und Organisators Michael Eavis und inzwischen seine Nachfolgerin, wünscht sich, dass die Musikindustrie mehr "headlining-taugliche" Künstlerinnen hervorbringen sollte:

The music industry needs to invest in more female musicians to create future headliners, said Eavis. “We’re trying our best so the pipeline needs to be developed. This starts way back with the record companies, radio. I can shout as loud as I like but we need to get everyone on board.”

Wie sollte ein Headliner-Training in der Praxis aussehen? Sollen Musikerinnen darauf hinarbeiten, so zu klingen wie Guns N' Roses, die Arctic Monkeys oder Elton John (die diesjährigen Headliner)? Je länger man darüber nachdenkt, desto absurder erscheint diese Idee. Dazu kommt, dass weibliche Top-Acts wie Lizzo, die definitiv als Headliner infrage käme, sich in der zweiten Reihe wiederfinden – mit fadenscheiniger Begründung:

Lizzo will open for the US rockers (Guns N'Roses) and has joint headline billing. “She could totally headline,” said Eavis, adding that the Pyramid stage often sees bigger crowds in the afternoon than at night. “Many of the artists could. But the headline slot had already been promised to someone else.”

Ein weiteres Hindernis zeigt sich laut Eavis in den Tourplänen der Bands, die – auch das ein coronabedingtes Phänomen – schlichtweg überbucht sind:

With Wet Leg, she added, the Isle of Wight indie duo’s profile blew up so much in between their booking and their performance that they probably could have headlined the Other stage. “There is a degree of flexibility this year,” she said. “We might have to move a couple of things like that if they suddenly explode.”

So hätten die Fans beispielsweise Taylor Swift erwartet, die wegen anderer Verpflichtungen nicht kommen kann. Die reunierten Spice Girls wären ebenfalls Headliner-Kandidatinnen, aber das dürfte sich um ein Gerücht handeln, bis dato steht erst ein Soloauftritt von Mel C fest. So oder so braucht es offenbar noch Zeit, bis Bands wie Los Bitchos, Horsegirl oder Warpaint abgehalfterte Typen wie Guns N' Roses auf der Mainstage ablösen.