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Tracking the Killer: Open Source-Recherchen im Ukraine-Krieg

Christian Gesellmann
Autor und Reporter

Geboren 1984 in Zwickau, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Germanistik in Jena und Perugia. Volontariat bei der Tageszeitung Freie Presse, anschließend zweieinhalb Jahre als Redakteur in Zwickau. Lebt als freier Autor in Leipzig und Bukarest. Quoten-Ossi bei Krautreporter.

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Christian GesellmannMittwoch, 10.08.2022

"Von unabhängiger Seite konnten die Angaben nicht überprüft werden", ist eine beliebte Floskel, mit der Medien transparent machen, dass die Quellen ihrer Information nicht unabhängig sind. Man könnte genauso gut schreiben: Wir waren nicht da, wir wissen es nicht besser. In der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine ist das ein Problem. Deutsche Medien sind groß darin, Debatten zu schwingen, man darf dann leicht angepisste Briefwechsel der Akademikergülde bezüglich ihrer Ansichten über die Relevanz des Militärethikers Carl von Clausewitz lesen, bebildert mit einem Baselitz; oder die Diskussionen führender Historiker darüber nachverfolgen, inwiefern es in einer zukünftigen Geschichtsschreibung angemessen sei, nationalsozialhistorisch belastete Begriffe wie "Vernichtungskrieg" in Bezug auf den aktuellen russischen Vernichtungskrieg in der Ukraine anzuwenden. 

Wichtiger wäre es, finde ich, dass deutsche Medien noch mehr Ressourcen bündeln, um "Angaben von unabhängiger Seite zu überprüfen." Ein mustergültiges Beispiel dafür, wie man das selbst ohne Korrespondenten vor Ort hinkriegt, liefert diese Open Source-Recherche von Bellingcat, die sich auf die Spuren der Mörder eines ukrainischen Kriegsgefangenen gemacht haben. Hintergrund: Ende Juli wurden mehrere Videos von der Exekution und vorherigen Kastration eines Mannes in ukrainischer Militärkleidung in russischen sozialen Medien verbreitet: 

The three videos were initially posted on a Russian telegram channel whose name translates as ‘Cargo 200, death to Ukrainians’, which extolls casualties among Ukrainian armed forces. The videos were subsequently reposted on the popular Rosich Telegram channel run by a nationalist Russian mercenary group.

Das Bellingcat Investigation Team nimmt dich in diesem Artikel mit auf die Suche nach der Wahrheit hinter den Videos. Schritt für Schritt (keine Angst, es wird nicht zu langatmig) diese Suche als Leser nachzuvollziehen, hat, finde ich, den Effekt, dass man wirklich versteht, warum es investigative Recherchen in diesem Krieg braucht, und wie viele billige smarte Werkzeuge dem modernen Journalismus (und jedem Laien) dafür theoretisch bereitstehen. Was Bellingcat in wenigen Tagen allein mit frei zugänglichen Quellen im Internet an Beweisen für Kriegsverbrechen, an Einsichten in die Leben der Söldner im Dienste Putins, an Einblicken in die perverse Kommunikationslogik der russischen Armee bietet, ist verblüffend. Und der zweite große Vorteil dieses Artikels ist, dass er tatsächlich transparent ist. Die verwendeten investigativen Methoden und Mittel werden nicht nur genannt, ihre Schwachstellen und Vorzüge werden ebenfalls kommentiert. 

Tracking the Killer: Open Source-Recherchen im Ukraine-Krieg

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