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Kurator'in für: Fundstücke Kopf und Körper Klima und Wandel
Ich bin in Singen am Hohentwiel geboren und lebe in Potsdam. Schreibe Radiofeature für den Deutschlandfunk und für die Sender der ARD. Bin Mitgründer des Bremer Hörkinos. Seit nun fast 19 Jahren stellen wir in Bremen ein Radiofeature der Öffentlichkeit vor.
www.bremer-hoerkino.de
Oliver von Dobrowolski ist einer von rund 300.000 Polizeikräften in Deutschland. Er ist seit über 25 Jahren Hauptkommissar. Im Augenblick an sog. Brennpunkten wie dem Görlitzer Park oder auf dem Alexanderplatz in Berlin. Für sein Engagement für eine anständige Polizei wird er in den eigenen Reihen angefeindet. Dafür muss er eine Menge einstecken. Nun hat Oliver von Dobrowolski ein Buch geschrieben: "Ich kämpfe für eine bessere Polizei", das gerade erschienen ist. Das Deutschlandfunk-Kultur-Interview zu diesem Anlass ist spannend, aufschlussreich und macht auch nachdenklich. Oliver von Dobrowolski kritisiert unter anderem den mangelnden Respekt seiner Kolleginnen und Kollegen gegenüber manchen Mitbürger/innen und auch die Gewalt im Polizeialltag.
"Es hört nicht auf mich zu schockieren, weil ich es nicht nachvollziehen kann, weil ich denke, grade in diesem Beruf sind wir nicht nur mit einer gewissen Wichtigkeit unterwegs, was wir tun für unsere Gesellschaft, sondern wir sind natürlich auch im Fokus, grade wenn wir in Uniform auf der Straße Dienst tun. Dann sind ganz schnell die Blicke, möglicherweise aber auch die Kameralinsen von Smartphones auf uns gerichtet, und was man dort an Ausfällen teilweise mitbekommt und Sie wissen ja auch, dass wir in den letzten Jahren ganz viele Fälle hatten, wo so etwas dokumentiert wurden von Einsätzen, wo es dann Filme gab, wo Leute auch von der Polizei Grenzen überschritten haben und Sie mögen auch bedenken, wie hoch die Dunkelziffer dann ist. Also wenn man weiß, da ist jetzt grad niemanden, der einen beobachtet, dann ist es oftmals auch wirklich schlimm."
Polizeikommissar und Buchautor Oliver von Dobrowolski berichtet nicht nur von körperlicher Gewalt, sondern auch von verbaler Gewalt innerhalb der Polizei. Er kritisiert offen die Missstände. Spricht über Homophobie, Transfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Alltagsrassismus in Polizeiwachen. Kaum einer traut sich in der Institution, erzählt er, sich mit einer anderen Meinung zu positionieren.
Die Polizei ist eine spezielle Institution. Juristen sprechen auch immer von einer Gefahrengemeinschaft. Das bedeutet, man muss mit den Menschen auf der Straße auch wirklich auskommen. Man muss ja sicher sein, dass die einem beispringen, die einen auch verteidigen, wenn man im Fokus von Angriffen steht und die Gruppendynamik wie bei allen sozialen Gruppen ist bei der Polizei besonders hoch, so finde ich das. Und deshalb ist leider auch der reflexartige Trieb, sich da halt ja miteinzubringen oder zumindest zu schweigen, unglaublich hoch. Und was mich total belastet, weil ich mich frage: Wo sind denn die, die sagen, das ist jetzt nicht anständig und da müssen wir dagegen vorgehen!
Im Augenblick wird ja viel über rechtsextremistische Chatgruppen bei der Polizei berichtet und diskutiert. Zum Beispiel Frankfurt/Main. Stichwort: NSU 2.0. Die Frage, ob Polizistinnen und Polizisten in rechte Straftaten involviert waren oder sind. Die Moderatorin Britta Bürger fragt Oliver von Dobrowolski, was geschieht mit ihm, wenn er bspw. Anzeige gegen Kolleginnen oder Kollegen erstattet, wenn er Missstände im Dienst wahrnimmt und sie offen kritisiert:
Wenn man in so einer Gruppe drin ist und diese ganzen dynamischen Prozesse, die dort dann stattfinden, werden auch dazu führen, dass man dort zumindest als jemand wahrgenommen wird, dem man gegenüber nicht mehr ungefangen sein kann. Das ist natürlich schade, weil ich dann auch feststelle, dass Menschen wie ich, die auch tatsächlich den Mund aufmachen, etwas zur Meldung bringen, dann auch anders behandelt werden, dann auch so automatisch ausgeschlossen werden. Die nächste Stufe wird, das man dann konkret angefeindet wird. Man ist ein Kollegenschwein, Netzbeschmutzer, Ratte etc., das macht natürlich schon was mit einem, da ist von einem gedeihlichen und kollegialen Umgang kaum noch zu reden."
Es ist spannend, Oliver von Dobrowolski zuzuhören. Man spürt, dass es ihm nicht leicht fällt, seine Kolleginnen und Kollegen zu kritisieren. Und: Dass er dafür einen hohen Preis zahlt. Tagtäglich im Dienst und auch nachts, wenn er nicht schlafen kann. Aber man kriegt auch mit, dass er nicht anders kann. Er muss über die Missstände bei der Polizei sprechen. Es treibt ihn an. Es seien eben keine Einzelfälle. Schuld daran sind auch nicht Enthüllungen von Journalistinnen und Journalisten. Überhaupt "Einzelfälle" bei der Polizei: Das ist für ihn das Unwort der vergangenen Jahre.
"Weil es auf sehr eindrucksweise leider zeigt, wo wir das Problem haben, nämlich in der Erkenntnis. Es fehlt eine realistische und gelingende Fehlerkultur. Nehmen wir mal Dokumentationen auf Smartphone-Videos oder auch viele überzeugende Zeugenaussagen. Was die Polizei macht in Deutschland ist gegenwärtig immer noch, reflexhaft zu sagen, nein, das stimmt nicht und um Gottes Willen, natürlich auch oft protegiert durch namhafte Protagonisten der Innenpolitik. Jetzt haben wir ja eine Bundesinnenministerin, worüber ich mich sehr freue, die auch verschiedentlich schon gute Sachen gesagt hat und einen guten neuen Kurs einschlägt. Aber wir hatten auch einen Bundesinnenminister, der nach Bekanntwerden diverser Skandale, und wirklich menschenverachtende Umstände aus der Polizei, es eine gute Idee fand zu sagen: Die Sicherheitsbehörden sind ein Juwel. Und der auch immer verneint hat, dass es irgendeine Art Problem gab. Wir hatten ja auch den größten Polizeieinsatz der Nachkriegsgeschichte 2017 in Hamburg, den G20-Gipfel, und das wurde auch sehr kontrovers diskutiert. Gab es Polizeigewalt: Ja? Nein? Eigentlich haben die Bilder für sich gesprochen. Und auch die wichtigsten Menschen, die das Ganze zu verantworten hatten, meinten, nein es gab keine Polizeigewalt. Und man hat gesagt, die Polizei hat heldenhaft agiert. Das ist in meinen Augen schon fast Realsatire, wenn man bedenkt, was es dort für gegenteilige Anzeichen und Beweise gab."
Quelle: Britta Bürger Bild: © Marcus Höhn www.deutschlandfunkkultur.de
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Ich kann mich da nur anschließen!
Vor eineinhalb Jahren traf ich Martin Herrnkind. Er war 38 Jahre lang bei der Polizei, und arbeitet jetzt als Dozent für Kriminologie, an einer Fachhochschule der Polizei in Schleswig-Holstein. Bei dem Interview für ein Radiofeature ging es um Whistleblower in der Polizei. Ich zitiere ihn mal:
"An der Bundespolizeiwache in Hannover wurde ein Asylbewerber offenbar misshandelt. Es wurden mit dem Smartphone Aufnahmen gemacht, wie er am Boden lag, man sieht in den Filmaufnahmen mehrere Polizeistiefel. Der mutmaßliche damalige Täter rühmte sich über soziale Medien, dass er den Asylbewerber dort misshandelt hat und das hat zwei Kollegen veranlasst Anzeige zu erstatten. Unterm Strich ist bei dem Verfahren nichts rausgekommen. Aber die beiden Kollegen sind unter einem ganz erheblichen Druck gekommen und so geht es nicht wenigen Leuten. Es gibt einen Beamten, den ich interviewt habe, der in einem Sammelverfahren vom Richter gefragt wurde, würden Sie das denn noch mal machen? Also Kollegen anzeigen. Dann hat er sich umgedreht im Gerichtssaal, geschaut ob da irgendwelche Presse sitzt und dann hat er geantwortet: Nein. Das würde ich nicht noch mal machen. Und ich würde jedem Kollegen, ich würde jedem raten das Maul zu halten.
Frage an Martin Herrnkind: Kann man auch sagen, dass die, die Kollegen anzeigen, weil sie das Fehlverhalten innerhalb der Polizei nicht aushalten, physisch oder psychisch krank werden?
Ja. Einer meiner Interviewten ist herzkrank geworden. Der ist krank geworden und letztendlich aus dem Beruf ausgeschieden. Ein Interview-Partner hat gekündigt, bei der Polizei, ist jetzt Rechtsanwalt. Es gibt Leute, die das über einen längeren Zeitraum dann irgendwann verarbeitet haben, mit Psychotherapien, die in andere Dienstbezirke dann sich versetzt haben lassen und dann ja wieder zurückgefunden haben in dem Beruf. Aber es gibt nicht wenige Fälle von Leuten, insbesondere bei jungen Leuten, die in die Kündigung getrieben wurden, die den Polizeiberuf verlassen haben."
Ohne eine unabhängige Stelle außerhalb der Polizei, an die sich Polizistinnen und Polizisten ohne Angst vor Nachteilen wenden können, wird sich mMn nichts ändern. Der korporative Geist in der Polizei muss aufgebrochen werden und die Polizeibehörden müssen sich zu mehr Transparenz bekennen. Erforderlichenfalls sind einzelne Einheiten auch aufzulösen, wie das in Hessen ja bereits durchgeführt wurde.