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Klima und Wandel

Warum die Verkehrswende auch eine Frage von Gerechtigkeit ist

Alexandra Endres
Journalistin
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Alexandra EndresMittwoch, 23.09.2020

Erinnert sich noch jemand an die Krankenschwester? Jene Frau, die zwar in einer Stadt arbeitet, aber sich die Miete dort nicht (mehr) leisten kann und deshalb mit dem Auto zur Arbeit pendeln muss?

Im vergangenen Herbst war sie eine viel beschworene Figur in der klimapolitischen Debatte in Deutschland – lange bevor wegen der Corona-Pandemie noch einmal ganz anders über Krankenschwestern diskutiert wurde. Damals, im Herbst 2019, ging es um einen CO2-Preis. Würde er in Form einer Steuer oder eines Emissionshandelssystems kommen? Und vor allem: Wie hoch würde er sein?

Eine Art Common Sense schien zu besagen: Zwar müsse es wegen des Klimas teurer werden, CO2 zu emittieren. Aber bitte schön nicht allzu sehr, denn sonst könne die Krankenschwester auf dem Land sich den Weg zur Arbeit nicht mehr leisten. Die Gegnerschaft zu einer ehrgeizigen Klimapolitik wurde ganz allgemein mit der angeblichen Sorge begründet, sie würde Menschen mit geringen Einkünften zu hart treffen.

Jetzt hat sich das Umweltbundesamt einmal mit der Frage beschäftigt, wie sozial gerecht eigentlich das bestehende Verkehrssystem ist – und was passieren müsste, um eine sozialere und ökologischere Mobilität zu erreichen.

Pressesprecher Felix Poetschke fasst die wichtigsten Ergebnisse des Positionspapiers im hier gepiqden Twitter-Thread zusammen. Er schreibt:

Das heutige Verkehrssystem in Deutschland ist ungerecht. Haushalte mit niedrigen Einkommen, Kinder, ältere Menschen, Frauen und Menschen ohne Auto sind benachteiligt. Froh kann sein, wer ein Auto hat.

Nur ein paar Gründe, die Poetschke dafür anführt:

  • Wer wenig verdient, wohnt eher an stark befahrenen, also lauten Straßen mit dreckiger Luft. Wer Geld hat, verursacht hingegen die Emissionen.
  • Die Verkehrswege sind auf Autos ausgelegt, Fußgänger*innen und Radfahrer*innen werden behindert, auf dem Land wird man zum Auto gezwungen.
  • Die Preise des ÖPNV sind stärker gestiegen als die Unterhaltungskosten für ein Auto.
  • Das trifft vor allem Ältere, Kinder und Frauen, denn die können sich häufiger kein Auto leisten.
  • Das Dienstwagenprivileg fördert daher vor allem Männer, und natürlich Wohlhabende. Auch das ist ungerecht.

Poetschkes Fazit:

Die Krankenschwester braucht das Auto, um zur Arbeit zu kommen? Dieses beliebte Beispiel blendet ganz viele Krankenschwestern aus, die gar kein Auto haben. Oder die lieber mit dem Bus fahren würden. Oder diejenigen, die an lauten Straßen wohnen.

Klimaschutz und eine sozial gerechtere Verkehrspolitik schließen sich also keineswegs aus. Ganz im Gegenteil.

Warum die Verkehrswende auch eine Frage von Gerechtigkeit ist

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Kommentare 5
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 4 Jahren · bearbeitet vor 4 Jahren

    genau. Ganz zu schweigen davon dass wir als Gesellschaft es als normal akzeptieren - dass es auf den Straßen potentiell tödlich ist.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 4 Jahren

      Potentiell ist es überall tödlich. Am meisten im Bett .....

  2. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 4 Jahren · bearbeitet vor 4 Jahren

    Beispiele sind kein Beweis und doch kann man damit alles zu "beweisen" versuchen. Das sich Kinder kein Auto leisten können ist natürlich traurig. Selbst wenn sie "natürliche Reiche" sind. Wir sollten das Alter für den Führerschein runter setzen ....
    Welche Verkehrswege sind denn auf Autos ausgelegt - Bahn, Flüsse, Fußwege, Radwege?

    1. Alexandra Endres
      Alexandra Endres · vor 4 Jahren

      Mit "Verkehrswege" meinte ich das Verkehrssystem insgesamt, bitte darum, mir die semantische Ungenauigkeit nachzusehen. Und das ist ja schon sehr aufs Auto ausgerichtet, wenngleich der natürliche Verlauf der Flüsse in Deutschland schon lange feststand, bevor es den Verbrennungsmotor gab...

      Natürlich sind Einzelbeispiele kein Beweis, aber hier geht es ja um bestimmte Bevölkerungsgruppen und den Versuch, eine statistisch nachvollziehbare Antwort auf die Frage zu finden, inwieweit das gegenwärtige Verkehrssystem ihnen nützt oder nicht. Das finde ich schon bedenkenswert, wenn wir uns Gedanken darüber machen, wie Verkehr künftig funktionieren soll.

      Vielleicht stellt der gepiqte Thread das (zu) verkürzt dar. Aber ich denke schon, das ein Blick in die Studie des Umweltbundesamts, auf der er basiert, lohnen kann.

  3. Andreas P.
    Andreas P. · vor 4 Jahren

    Ich finde es ungerecht dass viele Autofahrer für wenige Radfahrer durch pop up Radwege behindert werden, dass die Krankenschwester nicht mit einem alten Auto, dass sie sich leisten könnte in die Umweltzone einfahren darf, dass die Fahrer teuerer SUVs einen so großen Anteil am Steueraufkommen beitragen müssen, bevor sie sich ein SUV kaufen können und das Michelle Mouton nie gegen Walter Röhr gewonnen hat. Aber, die Welt ist nun mal ungerecht und wird es immer bleiben.

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