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Flucht und Einwanderung

"Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Grundgesetz, Artikel 16 a

Achim Engelberg
Dr. phil.
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Achim EngelbergMontag, 27.05.2024

Das Grundgesetz ist vor 75 Jahren in Kraft getreten und es wird berechtigt gefeiert. Wer jedoch genau hinsieht, findet Lücken und erkennt, vieles war ganz anders als allgemein angenommen.

Zwar ist das Grundrecht auf Asyl bis heute eine besondere Errungenschaft der westdeutschen Demokratie, aber es war seinerzeit weniger eine Lehre aus der NS-Zeit als eine Reaktion auf die Herausforderungen der Nachkriegsjahre. Dem Parlamentarischen Rat ging es daher nicht vorrangig um ausländische Verfolgte – sondern um deutsche.

So erklärt es Michael Mayer, Leiter des Arbeitsbereichs Zeitgeschichte an der Akademie für Politische Bildung Tutzing, in Die ZEIT. Derzeit habilitiert er sich mit einer Historie des Asylrechts.

Rückblende: Deutschland war damals in vier Besatzungszonen aufgeteilt, zerbombt und moralisch geächtet. Wie heute waren Flüchtlinge nicht willkommen. Auch solche nicht, die aus der sowjetischen Zone gen Westen gingen. Immer wieder kam es im Vorfeld des Grundgesetztes zu Konflikten:

Am 7. Mai 1947 erließ die niedersächsische Regierung deshalb mit britischer Zustimmung eine Verordnung, wonach nur noch politisch Verfolgte, die "einen Nachweis hierfür erbringen", Aufnahme finden sollten. Von diesem Zeitpunkt an mussten SBZ-Flüchtlinge ein Asylverfahren durchlaufen. Wer keine Verfolgung nachweisen konnte, durfte nicht bleiben. Das Ziel der neuen Verfahren (die bald auch die anderen Länder der britischen Zone übernahmen) war also ein doppeltes: Sie sollten Verfolgte schützen und zugleich die Zuwanderung reduzieren. Mindestens zwei Drittel der Flüchtlinge wurden fortan zurückgeschickt.

Da Asyl gemeinhin nur Ausländern gewährt wird und so die sowjetische Zone indirekt zum "Ausland" werden konnte, wählte man eine neutrale Formulierung, eben den Artikel 16 a.

Am Ende ließ sich das "Illegalenproblem" nur durch liberalere Asylverfahren lösen. Von 1958 an lag die Ablehnungsquote bei unter zwei Prozent. Zugleich wurden viele zuvor Abgelehnte nachträglich anerkannt. Das "Wirtschaftswunder" mit seinem Hunger nach Arbeitskräften erleichterte diese Liberalisierung: Die meisten DDR-Flüchtlinge waren jung und auf dem Arbeitsmarkt begehrt. 1961 schließlich versiegte der Zustrom von Flüchtlingen aus der DDR – durch den Mauerbau. Es ist nicht ohne Ironie, dass Artikel 16 GG letztlich nie dazu verwendet wurde, wofür er ursprünglich geschaffen worden war.

Als das Grundgesetz ab 1990 im neu vereinten und anders geteilten Deutschland galt, brachen die jugoslawischen Kriege aus:

Hunderttausende Kriegsflüchtlinge suchten Schutz in Deutschland – und nach einer heftig geführten Debatte wurde das Asylrecht 1993 mit dem sogenannten Asylkompromiss massiver beschnitten als je zuvor.

Seither ist der umkämpfte Artikel (nun unter der Ziffer 16 a) in der Praxis wieder so gut wie bedeutungslos geworden. 2023 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insgesamt 16,3 Prozent aller Antragsteller als asylberechtigt an. Bei lediglich 0,7 Prozent entschied es dies nach Artikel 16 a.

Hinweis: Als ich diesen Pick erstellte, war der Artikel frei zugänglich. Wenn das nicht mehr der Fall sein sollte: In den meisten Bibliotheksverbünden kann man mit einem gültigen Ausweis die ZEIT lesen und einzelne Artikel wie diesen als PDF herunterladen.

Wer Flüchtling, wer Migrant ist, wer bleiben darf, wer nicht, bleibt gesellschaftlich-politisch umkämpft. Wie diese sich heute zeigen, das kann man mit dem Artikel 16 a des Grundgesetz nicht gestalten.

Ein neuer Sonderforschungsbereich "Produktion von Migration" an der Universität Osnabrück will das erhellen und darstellen. 

Auch wenn es angesichts der weltweiten gesellschaftlichen Relevanz von Migration und der Allgegenwärtigkeit migrationsbezogener Debatten überraschen mag,

so Andreas Pott, der Sprecher des Sonderforschungsbereich auf Soziopolis, dieser sei beim Großthema der erste, der die gesellschaftliche Auseinandersetzung von Migration und ihren Folgen untersucht.

Wir setzen Migration sowie migrationsbezogene Kategorien und Bezüge – wie etwa „Freizügigkeit“, „Herkunftsland“, „Integration“, „Mehrheitsgesellschaft“ – nicht mehr als selbstverständlich gegebene Forschungsgegenstände voraus, sondern reflektieren sie und fragen nach ihrer gesellschaftlichen Genese. Warum wird die in Deutschland lebende Schwedin nicht als Migrantin bezeichnet, in Deutschland geborene Kinder und Enkel türkischer Einwanderer:innen aber schon? Was ist der Unterschied zwischen Migration und Mobilität oder zwischen Migration und Flucht? Wer unterscheidet hier wie und mit welchen Folgen?

Im Zeitalter weltweiter Vernetzungen ist so etwas nur international zu erklären und darzustellen. Geforscht wird unter anderem in EU-Ländern wie Deutschland und Frankreich, aber auch in Nicht-EU-Europa wie in Serbien und Moldau, aber auch in afrikanischen uns asiatischen Staaten wie Senegal, Indien und Nepal.

"Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Grundgesetz, Artikel 16 a

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