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Zeit und Geschichte

Gestern & Heute: Der Weltmeister des Hausverstandes

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergMontag, 20.02.2023


Orwell war in einem ganz eminenten Sinne ein „freier Mann“, einer nämlich, der mit Scharfblick, Redlichkeit und Mut seine eigenen Ansichten formulierte, dabei oft richtig lag, selten völlig daneben griff, seine Fehler wenigstens selbst machte, der sich nie vor einen Karren spannen ließ oder auf die gängigen Lügen seiner Zeit herein fiel.

So stellt der politische Schriftsteller Robert Misik in einem ungemein lesenswerten zweiteiligen Essay seinen "Lehrer" George Orwell vor. In dem Beitrag gibt es zahlreiche treffende Zitate, bei denen wohl viele gern das ganze Werk lesen würden.

Ins kurze Leben von George Orwell passen mehrere lange Leben, aber es gab für Robert Misik ein Schlüsselerlebnis. Zentral ist für ihn dabei der Historiker Peter Stansky, Verfasser des Standardwerks "The Unknown Orwell and Orwell: The Transformation: The Transformation":

Im spanischen Bürgerkrieg … wurde er nicht nur der Autor George Orwell, sondern auch der vollständig ergebene Sozialist. In vielerlei Hinsicht wurden die sechs Monate in Spanien und seine Kriegserlebnisse die entscheidendste Erfahrung seines Lebens.

Und gerade Teil 2 dieses biografisch-literarisch-politischen Essays ist frappierend aktuell.

In Spanien machte er die Erfahrung, dass die totalitäre politische Propaganda die absurdesten Lügen in die Welt setzen kann, und diese sich in eine Art Wahrheit verwandeln, wenn sie nur oft genug verbreitet werden. Die stalintreuen Kommunisten erfanden die bizarrsten Geschichten, denunzierten undogmatische Linke als Agenten der Faschisten, Geschehnisse, die niemals vorgefallen waren, wurden erfunden und er musste mit Erstaunen feststellen, dass sie in der britischen linken Presse wie Tatsachen behandelt und von KP-treuen Intellektuellen verbreitet wurden. Wenn man der Lüge nicht entgegen tritt, verwandelt sie sich in Wahrheit, so Orwells Schluss, und mit der Lüge lässt sich das Denken steuern.

Damals erkannte Orwell, dass diejenigen, die aus wohlmeinendem, aber naivem Antimilitarismus einer angegriffenen unfertigen Demokratie Waffenlieferungen versagen, den Feinden der Freiheit helfen.

Später korrigierte er sich kurzzeitig angesichts des Weltkrieges, um dann Zeilen zu schreiben, die nicht nur Robert Misik an heutige Debatten erinnern:

Die Mehrheit der Pazifisten gehören entweder zu eigenartigen religiösen Sekten oder sie sind ganz einfach Humanisten, die es ablehnen, irgendjemanden das Leben zu nehmen und die über dieses elementare Prinzip hinaus jeden Gedanken ablehnen. Aber es gibt eine kleine Gruppe intellektueller Pazifisten, deren reales, doch uneingestandenes Motiv der Hass auf die westliche Demokratie und die Bewunderung des Totalitarismus ist. Pazifistische Propaganda wird üblicherweise auf die simple Behauptung verdünnt, dass die eine Seite genauso schlecht wie die andere sei, aber wenn man die Schriften heutiger Pazifisten genauer betrachtet, dann stellt man fest, dass sie keineswegs beide Seiten auf die gleiche Weise anklagen, sondern beinahe ausschließlich Großbritannien und die USA.

Sein ganzes kurzes Leben – George Orwell starb mit 46 Jahren – plädierte er für einen einfachen, aber nicht vereinfachenden Stil:

Ein gewissenhafter Autor wird sich bei jedem Satz, den er schreibt, vier Fragen stellen:

Was versuche ich zu sagen? Welche Worte werden es am besten ausdrücken? Welches Sprachbild und welcher Klang wird es klarer machen? Ist es lebendig genug?

Und er wird sich höchstwahrscheinlich zwei weitere Fragen stellen: Kann ich es kürzer sagen? Habe ich irgendetwas gesagt, das hässlich ist, und das vermieden werden kann?

Und George Orwell blieb skeptisch gegenüber einer vermeintlichen Wissenschaft, die bewusst verunklart, um Widersprüche nicht prägnant, scharf und dramatisch darzustellen. So gibt es bei ihm einen englischen Professor, der den stalinistischen Totalitarismus rechtfertigt.

Er kann nicht geradeheraus sagen, ‚ich glaube, dass wir durch die Ermordung von Oppositionellen gute Resultate erzielen werden‘.

Daher wird er etwas von der Art sagen: Während wir durchaus bereitwillig einräumen müssen, dass das sowjetische Regime einige Eigenarten hat, die aus humanitärer Sicht beklagt werden können, so müssen wir, denke ich, auch einräumen, dass eine gewisse Begrenzung des Rechts zur politischen Opposition als unvermeidbare Begleiterscheinung der Übergangsperiode angesehen werden muss …

Seine umwerfende Schlichtheit lernte Orwell nach seinen Begegnungen mit englischen Arbeitern. Über sie schrieb er erzählerisch überzeugend, weil mit großer Empathie. Dabei geriet er aber auch nicht in die Schieflage der Sozialromantik.

Er sah sie in ihren Widersprüchen, die bis heute wirken:

Die Arbeiter des Westens werden für den Sozialismus gewonnen, indem man ihnen sagt, sie seien ausgebeutet, während sie im Weltmaßstab gesehen selbst „Ausbeuter seien“, eine Wahrheit, die geflissentlich übersehen werde, formulierte Orwell.

Über Orwell zu schreiben, ohne seine beiden Klassiker "Farm der Tiere" und "1984" zu erwähnen und einzuordnen, reicht nicht. Deshalb sei neben dem Essay von Robert Misik dieser Dokumentarfilm von Philippe Calderon und Caroline Benarrosh (F 2017) empfohlen, der beide Werke in Beziehung setzt mit einem anderen visionären Schriftsteller: Aldous Huxley: der Mann, der "Schöne neue Welt" schrieb. Auch hier gibt es Passagen mit brennender Aktualität.

Gestern & Heute: Der Weltmeister des Hausverstandes

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