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Technologie und Gesellschaft

In der Kälte von Spitzbergen entsteht ein Archiv für das analoge und digitale Wissen der Menschheit

1E9 Magazin
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1E9 MagazinDienstag, 11.08.2020

Der Gedanke daran, warum es auf der norwegischen Insel Spitzbergen nicht nur ein Archiv für das Saatgut der Kulturpflanzen gibt, sondern inzwischen auch das Arctic World Archive, ist eigentlich beunruhigend: Beide Einrichtungen sind für den Fall gedacht, dass Katastrophen die Menschheit heimsuchen... und wir von vorne anfangen müssen.

Dennoch ist es faszinierend, zu erfahren, wie das Arctic World Archive, das im Schacht einer stillgelegten Kohlemine untergebracht ist, arbeitet. Hinter der Einrichtung stehen Norwegens staatliche Bergbaufirma und das Datensicherungsunternehmen Piql. 1E9 hat mit Katrine Loen gesprochen, die das Archiv betreut und an der Entscheidung, was dort aufgenommen wird, mitwirkt. Grob zusammengefasst geht es dabei um das Wissen der Welt – aus Wissenschaft, Kultur oder auch Wirtschaft.

Eingelagert werden Texte, Fotografien und digitale Daten aller Art. Wobei: „Das Arctic World Archive akzeptiert nur Depositen, die einen Nutzen für die künftigen Generationen darstellen – oder, die für eine Organisation von besonderer Bedeutung sind“, sagt Katrine Loen.

Neben einer Kopie von Edward Munchs Schrei, dem Album Music for the Jilted Generation von The Prodigy oder der Kopie einer Gutenberg-Bibel finden sich im Archiv auch Sicherungen von Hunderten Manuskripten aus den Beständen des Vatikans. 

Seit Juli 2020 lagern im Arctiv World Archiv außerdem die Quelltexte von 6.000 der wichtigsten Programme, die auf der Software-Verwaltungs- und Entwicklungsplattform GitHub gelistet sind. Darunter die Betriebssysteme Linux und MS-DOS, die Programmiersprachen Python und Ruby, das Künstliche-Intelligenz-Framework TensorFlow und die Webplattformen Node und React – samt Informationen, was für Programme es sind und wofür sie taugen. Insgesamt 21 Terabyte an Daten. Der Siemens-Konzern wiederum hat Dokumente und Fotogramme aus seiner Gründungszeit in die sichere Verwahrung gegeben.

Erstaunlich ist, wie die Daten in Spitzbergen gelagert werden. Denn obwohl wir inzwischen gigantische Speicherkapazitäten für digitale Inhalte haben – auf CDs, Festplatten oder Servern –, wird dabei auf ein althergebrachtes Medium gesetzt: Filmrollen. Denn nur die halten länger als (bestenfalls) wenige Jahrzehnte. Der spezielle 35mm-Film, der verwendet wird, schafft sogar deutlich mehr.

„Wir haben seine Widerstandsfähigkeit gegenüber Zeit, Umweltbedingungen, extrem hohen Temperaturen bis hin zu extrem niedrigen Temperaturen getestet“, sagt Loen. Der Film soll in ausgiebigen Versuchsreihen radioaktiver Strahlung und selbst einem Tauchgang in minus 196 Grad Celsius kaltem Flüssigstickstoff standgehalten haben. Mindestens 500 Jahre könnten die PiqlFilm getauften Filmstreifen halten – unter Idealbedingungen sogar 1.000 Jahre oder mehr.

Im Stollen befinden sich auch Filmrollen, die erklären, wie man an die Daten des Archivs herankommt – wie sich also etwa die in Form von QR-Codes dokumentierten Programmcodes mit einfachsten Mitteln wieder in echte Codezeilen umwandeln lassen. Das Archiv ist schließlich so geplant, dass es seine Macher sehr lange überdauern kann.

In der Kälte von Spitzbergen entsteht ein Archiv für das analoge und digitale Wissen der Menschheit

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