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Kurator'in für: Technologie und Gesellschaft
Das ehemalige Team der WIRED Germany hat mit 1E9 einen inoffiziellen Nachfolger gestartet. Auch bei 1E9 geht es um einen optimistischen, aber dennoch kritischen Blick auf Zukunftstechnologien und ihren Einfluss auf unser Leben: von KI über Blockchain bis zum autonomen Fahren oder Biotechnologie. Garniert wird das mit SciFi und Popkultur.
Neben den Journalistinnen und Journalisten, die für 1E9 arbeiten, kommen auch viele engagierte und fachkundige Mitglieder der 1E9-Community zu Wort. Denn 1E9 soll die interdisziplinäre Debatte über Technologie voranbringen.
Was Facebook und YouTube begonnen haben, scheint die Kurzvideo-App TikTok zu perfektionieren: Die Algorithmen sorgen dafür, dass die Nutzerinnen und Nutzer genau das sehen, worauf sie Lust haben. Das, so argumentiert der Artikel, sei ein wichtiger Faktor für den riesigen Erfolg der App.
TikTok startete im September 2016 als eine rein chinesische Video-Sharing-Plattform namens A.me, die schnell in Douyin umbenannt wurde und binnen eines Jahres 100 Millionen Nutzer ansammelte. Ende 2017 kaufte ByteDance das chinesisch-amerikanische Start-up Musical.ly und dessen gleichnamigen Musik-, Video- und Lip-sync-Dienst, der zu diesem Zeitpunkt schon über 200 Millionen Nutzer hatte. Im Herbst 2018 wurden beide Dienste verschmolzen: zu TikTok. Und das mit immensen Erfolg. Derzeit ist TikTok in 75 Sprachen verfügbar und verfügt – Zeitpunkt Juli 2020 – über 800 Millionen Nutzer. Die verbringen im Durchschnitt 52 Minuten pro Tag in der App.
Auf Druck der US-Regierung wird TikTok - zumindest der amerikanische Dienst - wohl verkauft werden müssen. Microsoft, Walmart und Oracle sollen interessiert sein. Doch der Deal dürfte sich nur lohnen, wenn TikTok auch danach auf die ausgefeilte ByteDance-Technologie zurückgreifen kann.
Bei TikTok ist die Kontrolle der Künstlichen Intelligenz anders als bei den anderen Video-Apps nicht nur ein Faktor, sondern der Faktor überhaupt. Dafür lernt die Künstliche Intelligenz aus den zahlreichen Informationen, die die Nutzer beiläufig zurücklassen. Was sie schauen, welche Videos sie bis zu Ende laufen lassen, welche sie erneut schauen, welche sie wegwischen, wie schnell sie sie wegwischen, was geliked und kommentiert wird und vieles mehr. Anhand der zunächst wenigen Hundert, nach einigen Tagen wohl schon Zehntausenden Datenpunkten wird eine Landkarte der Nutzerinteressen erstellt.
Auch die Machart der Videos, die geschaut werden, wird analysiert. Was ist darin zu sehen, was wird gesprochen, welche Musik läuft, wie ist die Audio- und Videoqualität, wo wurde das Video aufgenommen, welche Tiere kommen darin vor und natürlich: was passiert darin. Wird getanzt oder gekocht oder geschminkt? Die TikTok-Algorithmen lassen fast nichts unbeobachtet.
Anders als bei anderen sozialen Netzwerken spielt es eine weniger wichtige Rolle, ob jemand viele Follower hat oder nicht. Die KI wählt auch Videos von ganz neuen Usern aus, wenn diese zu den Präferenzen anderer Nutzerinnen passen. So lassen sich schnell große Reichweiten erzielen. Die Technologie von TikTok ist offenbar so gut, dass sie durchaus gefährlich ist.Deren Zielsicherheit grenzt laut dem Tech-Blogger Eugene Wei an den gedankenlesenden Zauberhut aus Harry Potter, der entscheidet, welcher Zauberlehrling zu Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw oder Slytherin passt. Das heißt, sagt Wei: TikTok erkennt auch, welcher Subkultur jemand anhängt und stellt dadurch sicher, dass beispielsweise ein Gangster-Rap-Fan keinen Bubblegum-Pop vorgesetzt bekommt und umgekehrt.
Ryan Holmes, der Gründer des Social-Media-Management-Tools Hootsuite, fragte daher bereits im vergangenen Jahr, ob TikTok eine „tickende Zeitbombe“ sei. Denn die gleichen Künstlichen Intelligenzen, die TikTok derzeit nutzt, um die Videos zu analysieren und zu kategorisieren, könnten eingesetzt werden, um Videos von in China verfolgten Uiguren zu unterdrücken oder diese gezielt ausfindig zu machen. Oder Aktivisten aus Hongkong.
Quelle: Michael Förtsch Bild: 1E9/TikTok 1e9.community
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