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Technologie und Gesellschaft

"Uninterressanz" vs. Politisierung – Der Weg der Plattformen aus der Radikalisierungsfalle

Michael Seemann
Kulturwissenschaftler, Autor, Internettheoretiker
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Michael SeemannMittwoch, 14.03.2018

Nach Facebook steht nun YouTube in der öffentlichen Kritik, der große "Radikalisierer" zu sein. Für diese These gibt es zwar durchaus Anhaltspunkte und es lassen sich der Plattform auch leicht Versäumnisse in der Moderation vorwerfen, jedoch bringt die Debatte Plattformen in eine grundsätzliche Bredouille.

Denn der Radikalisierungseffekt ist eben Resultat einer auf Populärität hin optimierenden – ansonsten aber neutralen – Empfehlungsstruktur. Es sind die Menschen, die sich radikalisieren wollen. Sich dem entgegenzusetzen ("du willst das zwar, aber es ist nicht gut für dich") würde ein Werturteil erfordern. Bei zu viel Zucker und Salz im Essen kann man ein solches Werturteil zwar vertreten, aber bei politischen Meinungen und Wahrheiten würde es von Plattformen verlangen, ihre (politische) Neutralität aufzugeben.

Marcel Weiß analysiert dabei nicht nur die gegebenen Algorithmusprobleme, sondern nimmt die wirtschaftlichen Bedingungen des Plattformgeschäfts mit in den Blick. Er zeigt, dass selbst eine Abkehr vom Werbegeschäftsmodell, wie es vielerorts gefordert wird, das Problem nicht löst. Jede Plattform muss auf Popularität hin optimieren, egal wie sie ihr Geld verdient. Eine Plattform, die das nicht tut, mag dann zwar nicht mehr radikalisieren, wird aber auch sonst keine Rolle spielen.

Plattformen sind an den Punkt angekommen, den ich 2016 auf der re:publica unter dem Titel "Netzinnenpolitik" angekündigt hatte: Sie müssen politisch Farbe bekennen, oder sich selbst auf Uninteressantes beschränken. Facebook – das ja vor demselben Dilemma steht – scheint mit seiner letzten Algorithmus-Änderung für die Option "Uninteressanz" entschieden zu haben. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist?

So oder so. Es gibt keine populäre Lösung für dieses Problem und hätte somit auf jeder Plattformen wenig Chance sich durchzusetzen.

"Uninterressanz" vs. Politisierung – Der Weg der Plattformen aus der Radikalisierungsfalle

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Kommentare 1
  1. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor mehr als 6 Jahre

    Sehr guter Text. An einem Punkt, bzw. an einer Formulierung habe ich mich aber gestoßen. Marcel nutzt Plattform hier gleichbedeutend mit "sozialem Netzwerk". Netflix ist z.B. eine Plattform, aber eben kein soziales Netzwerk. Gerade wegen der regulatorischen Probleme, sehe ich mehr denn je Bedarf für öffentlich-rechtliche Plattform-Alternativen. Nur darf man die sich nicht wie Facebook und YouTube vorstellen (also bitte keine ÖR sozialen Netzwerke), sondern wie Netflix: Eine zentrale, nutzerfreundlich Plattform auf der nach redaktioneller Entscheidung ausgewählte Inhalte präsentiert werden (natürlich nicht nur von den ÖRR). Das ist nicht DIE Lösung, aber es wäre ein sehr wertvolles Gegenangebot und läuft nicht Gefahr bestehendes kaputt zu regulieren.

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