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Technologie und Gesellschaft

Über die Zensur von Journalisten auf Twitter

René Walter
Grafik-Designer, Blogger, Memetiker | goodinternet.substack.com

Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.

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René WalterSonntag, 18.12.2022

Heute Morgen fand in meiner Mail einen Newsletter von Taylor Lorenz, in dem sie ihre Leser über die Sperrung ihres Twitter-Kontos informierte. Falls Sie Taylor Lorenz nicht kennen: Sie ist die vielleicht weltweit bekannteste Journalistin für Netzkultur und erfand die Meme „OK, Boomer“.

Erst gestern schrieb ich hier auf piqd darüber, wie die Twitter-Files eine Kabale woke-aktivistischer Mitarbeiter zeigen, die virale Ströme auf dem zentralen Meme-Hub (Twitter) kontrollierte, konservative Meinungen unterdrückte, und das Dilemma dieses Vorgehens angesichts demokratisierter Medienmanipulationstaktiken. Nun sperrt der neue Besitzer willkürlich die Konten von Journalisten und ich habe Bauchschmerzen. (Diesen Text hier habe ich heute morgen in meinem eigenen Newsletter veröffentlicht und für piqd auf Deutsch übersetzt.)

Auf die Frage der Journalisten, die die Twitter-Files veröffentlichten, warum Musk die Plattform gekauft habe, antwortete er: „Ich dachte, dies sei wichtig für die Zukunft der Zivilisation (und) um die Erweiterung des Bewusstseins zu schützen.“

Er hat recht damit: Virale Ströme und die memetische Verbreitung von Ideen prägen seit über zehn Jahren die kollektive Vorstellung und unser Weltbild, mit allen guten und schlechten Konsequenzen, die daraus resultieren. Sowohl die Obama- als auch die Trump-Ära waren unterschiedliche Ergebnisse dieses neuen, beschleunigten, demokratisierten, reibungslosen, höchst viralen und sichtbaren Bildungsprozesses der öffentlichen Meinung.

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Clay Shirky hat einmal in einer berühmten Rede die Möglichkeiten der neuen Koordinations-Tools im Netz als "Love, Internet Style" bezeichnet. Memetik und Viralität waren damals, als Shirky auf der Supernova 2007 darüber sprach, noch neue Denkmodelle und boten nach einem „memetischen Winter“, der einer ersten Welle memetischen Denkens Anfang der 90er-Jahre folgte, neue Wege, um über diese neuen Distributionsmöglichkeiten nach dem Wegbruch der Gatekeeper durch traditionelle Medien nachzudenken.

Hier ein Transkript dieses Teils dieses Vortrags:

Was unsere Generation grade erlebt, ist, dass wir über eine Reihe von Tools verfügen, um Dinge, die den Menschen wichtig sind, auf eine Weise zusammenzufassen, die sowohl ihren Umfang als auch ihre Langlebigkeit auf eine Weise erhöht, die noch vor einem Jahrzehnt unvorhersehbar war. Die Koordinierungswerkzeuge, die wir jetzt haben – und ich spreche nicht von irgendetwas Ausgefallenem, ich spreche von Mailinglisten und Usenet und Weblogs und Wikis – diese Werkzeuge verwandeln Liebe in eine erneuerbare Resource. (...) Bis vor kurzem war der Radius und die Halbwertszeit dieser Zuneigung ziemlich begrenzt. Mit Liebe alline kann man eine Geburtstagsparty feiern. Wenn Sie aber die Koordinierungstools des Internets hinzufügen, können Sie ein Betriebssystem schreiben. Früher taten wir kleine [und persönliche] Dinge aus Liebe, aber große Dinge, [die über ihren persönlichen Kreis hinausgingen], erforderten Geld. Jetzt können wir große Dinge für die Liebe tun.

Taylor Lorenz hat gerade aus willkürlichen Gründen den Zugriff auf das vielleicht wichtigste Koordinationstool verloren. In Shirkys Worten verlor sie den Zugang zu dem Werkzeug, das für die Verbreitung von „Love, Internet-Style“ entscheidend ist.

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Ich habe History mit Twitter, wie einige von Ihnen vielleicht wissen. Gute Zeiten, schlechte Zeiten, yada yada. Ich habe Twitter geliebt und tue es immer noch. Es ist das, was einem globalen Hive Mind am nächsten kommt. Die Verarbeitung von Informationen in Echtzeit auf globaler Ebene, urkomische Witze und Kunst, Seite an Seite mit chaotischen und geradezu verstörenden oder gewalttätigen Gedanken, gefolgt von Einsichten, die Sie zum Innehalten bringen. Man könnte das alltägliche Chaos auf Twitter beinahe menschlich nennen.

Twitter und die sozialen Medien insgesamt sind die reale Welt, und der alte digitale Dualismus des Digitalen als separate Sphäre der menschlichen Existenz, wie er in der Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace formuliert wird, gilt nicht mehr. Diese Position ist schon seit langer Zeit nicht weiter haltbar, ohne dass es vielen Menschen auffällt. Hacker und Trolle werden es schwer haben damit und Anachronismen tauchen manchmal an den seltsamsten Orten auf. Und weil dies die reale Welt ist, enthält sie auch all die Irrationalitäten und das seltsame Zeug, die uns zu dem machen, was wir sind.

Die viralen Ströme zu kontrollieren – „Love, Internet-Style“ zu kontrollieren – bedeutet, das wirkliche Leben zu kontrollieren, das, was wir sehen und uns interessieren und worüber wir sprechen: was unsere Welt ausmacht.

All diese nun von der Plattform verbannten (und manchmal wiedereingesetzten) Journalisten haben an anderen Stellen Veröffentlichungsmöglichkeiten mit riesigen Leserzahlen und sie wurden durch die Sperrung auf Twitter nicht wirklich „zum Schweigen gebracht“. Aber Musk wurde als Clown der Meinungsfreiheit entlarvt, und ich denke, dass das Ausschließen von Journalisten aus dem kollektiven Schwarmbewusstsein mit Zensur vergleichbar ist, Privatunternehmen hin oder her.

Twitter ist immer noch das, was wir einem Hive Mind am nächsten kommt, und das Ausschließen von Menschen aus dem kollektiven Bewusstsein sollte nicht aus einer Laune heraus erfolgen. Nicht für die Behauptung, „Frauen seien keine Männer“ und nicht für die Berichterstattung über den Standort von Elon Musks Privatjet.

Es ist mir egal, ob es sich um geheime Kabale aktivistischer Mitarbeiter handelt, die virale Ströme kontrollieren, um den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu beeinflussen, oder um einen reichen Clown der Redefreiheit oder um koordinierte Mobs, die hinter den Kulissen zusammenarbeiten.

Ich möchte ein Sperrverfahren, das dem Gesetz folgt, Punkt. Weder das alte "woke" Twitter noch das neue "fake-libertäre" Twitter erfüllen dies.

Ich werde die Plattform vorerst weiter nutzen und den schlechten Geschmack in meinem Mund mit Erdbeer-Vanille-Vape überdecken.

Für alle Fälle, hier mein Mastodon: @[email protected].

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Abigail Shrier, die ebenfalls als Journalistin an der Veröffentlichung der Twitter-Files beteiligt ist/war, hat ebenfalls einen guten Text mit anderen lesenwerten Perspektiven auf die Sperrung der Journalisten: Real-Time Doxxing and the Littlest Musk.

Über die Zensur von Journalisten auf Twitter

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