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Technologie und Gesellschaft

Entschleunigung beim Lesen

Nina Weber
Autorin und Texterin
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Nina WeberFreitag, 03.05.2019

Als große Verfechterin der E-Books habe ich den Artikel von Friedjof Küchemann über das neue Sachbuch von Prof. Maryanne Wolf, die u.a. Leseverhalten erforscht, zögernd aber mit Interesse gelesen. 

Warum zögernd? Ich bin müde, dass in Deutschland so viel E-Book-Bashing betrieben wird, dass das E-Book immer noch nicht richtig Fuß fassen konnte. Auf beiden Seiten tun die Menschen so, als gäbe es nur das eine oder das andere. Dabei eint uns etwas viel Wichtigeres: Wir gehören zu der stetig kleiner werdenden Gruppe von Menschen, die überhaupt noch Bücher lesen! Da müsste es als Dienst am Lesenden viel mehr gleitenden Übergang zwischen den Medien geben. Der "Kampf", wenn man es so nennen will, verläuft nicht zwischen E-Book und Papierbuch, zwischen Zeitung in der Printausgabe und Zeitung digital, sondern zwischen Lesenden und "Ich lese keine Bücher oder Zeitungen, ich bin auf Instagram/YouTube ..."

Maryanne Wolf zieht aber den Schluss aus ihrer Leseforschung und aus Selbstversuchen, dass das Lesen von E-Books uns letztlich dem Lesen entwöhnt (um es sehr stark zu verkürzen). Küchemann fasst das sehr gut im Artikel zusammen. Was mir fehlt (was aber im besprochenen Sachbuch evtl. steht) ist der Gegenversuch: Was passiert, wenn Wolf die anspruchsvolle Literatur, mit der sie ihr Leseverhalten wieder trainiert hat, als E-Book konsumiert und nicht als Papierbuch? Liegt die beobachtete Veränderung im Gehirn und im Leseverhalten vielleicht nicht unbedingt am Medium E-Book sondern daran, dass wir tendenziell eher "Snackliteratur" als E-Books konsumieren und anspruchsvolle Bücher als Papierbuch? Die Preisgestaltung verführt dazu – wenn das E-Book nur knapp weniger als das Papierbuch kostet, greifen viele Menschen trotz Reader zum Papierbuch. Auf dem Reader lesen sie dann Indie-Autoren und fremdsprachige Titel, die für unter 8 Euro zu haben sind.




Entschleunigung beim Lesen

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Kommentare 6
  1. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

    ...ich las von einer Studie, in der Wissenschaftlerinnen nachgewiesen haben, dass schon die reine Präsenz des eigenen, ausgeschalteten Handys in Studien bewirkte, dass Probanten um etwa 10% schlechtere Ergebnisse erzielten bei Tests, als wenn das Gerät nicht da war. Wohl gemerkt: ausgeschaltet.
    Das heißt wir verknüpfen die Ablenkung und die Hochfrequenz mit dem Gerät und dem Bildschirm. Wir antizipieren das Abgelenktwerden.
    Würde total dafür sprechen, dass das gedruckte Buch es etwas leichter macht, sich auf tatsächliches Lesen einzulassen. Aber ich denke auch, dass wir uns darüber hinaus an unseren internetversorgten Bildschirmen egal welcher Art und Größe das Lesen grundsätzlich abtrainieren und uns insofern Räume schaffen müssen, in denen wir es weiter trainieren bzw. tun.

    1. Nina Weber
      Nina Weber · vor mehr als 5 Jahre

      Interessant @Marcus von Jordan. Wobei ich mir vorstellen kann, dass da auch die Reflexe wirken, die viele sich von ihrem Smartphone antrainieren lassen. Wenn man gewöhnt ist, spätestens alle 10 Minuten von dem Ding unterbrochen zu werden, trainiert man sich den Fokus aufs Handy an, auch wenn es gar nicht an ist.
      Mein Mann denkt schon gar nicht mehr nach, wenn das Ding andauernd bimmelt und vibriert - er greift sofort nach dem Handy, egal, was er gerade tut.
      Seitdem ich letztes Jahr einen Artikel im Guardian über die süchtig-machenden Funktionen im Smartphone (wenn man es derart verkürzt zusammenfassen will) gelesen habe, habe ich als erstes so gut wie alle "Notifications" abgestellt. Nur WhatsApp darf mir was "melden". Und da stelle ich Eltern-Gruppen und manche Kontakte auch stumm. Wenn man Interviews z. B. mit dem Programmierer, der den Like-Button erfunden hat, liest, wird einem ganz anders. Das war der Aufhänger des Guardian Artikels: Dass die Programmierer, die sich von Psychologen darin ausbilden lassen, ihre Spiele und Apps noch süchtigmachender zu programmieren, ihren eigenen Kindern keine Smartphones oder Tablets geben.

    2. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 5 Jahre

      @Nina Weber ja das habe ich gemeint...war nicht deutlich...ich glaube wir assoziieren abgelenktes, oberflächliches Lesen mit einem Bildschirm und lesen dementsprechend eher konzentriert auf Papier...würde mir einleuchten. Natürlich kann man sich anders "trainieren" oder konditionieren.

      Dem Vernehmen nach strotzt das ganze Silicon Valley vor Waldorfschulen, die die Kinder der digitalen Elite garantiert "un-digital" erziehen.

  2. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor mehr als 5 Jahre

    Ein weiterer Pluspunkt: Selbst Ziegelstein-Schmöker wie die Buddenbrooks lassen sich als e-book bequem mit einer Hand lesen. Gerade wenn man kleine Kinder durch die Gegend trägt, ist das ein riesiger Vorteil.

    1. Nina Weber
      Nina Weber · vor mehr als 5 Jahre

      Das sehe ich auch so @Frederik Fischer.
      Ich hatte oben erst noch viel mehr geschrieben aber zum Glück bremste mich die Piqd-Länge dann aus. ;-)
      Denn die ersten und überzeugtesten E-Book-Leser meines Bekanntenkreises waren Menschen über 70 und 80, die eigentlich Vielleser waren, aber dann aufgrund schlechter Augen oder abnehmender Kraft in den Händen/Handgelenken gezwungen waren, das Lesen dranzugeben. "Bei Hörbüchern bin ich immer eingeschlafen", hieß es (das geht mir heute schon so ;-). Das war also keine Lösung. Aber mit einem Reader können sie sich endlich die Schriftgröße so einstellen, wie sie es zu der Tagesform brauchen - und auch 600 Seiten Biographien kann man wieder lesen, wenn der Reader leicht genug ist.
      Die Voraussetzung ist, dass jemand diesen Menschen hilft, den Schritt zum E-Reader zu machen. Ich glaube, dass da riesig Potenzial ist.

  3. Nina Weber
    Nina Weber · vor mehr als 5 Jahre

    Nachtrag: Wenn ich von E-Books spreche, meine ich immer explizit als Buch formatierte E-Book-Dateien, die auf einem dezidierten E-Book-Reader gelesen werden. Ich kenne viele Menschen, die E-Books ausprobiert haben und denen "E-Books nicht gefallen" beim Lesen, die aber ALLE nur in der App eines E-Book-Stores auf dem Handy oder dem Tablet gelesen haben. Das Lesegefühl ist nicht zu vergleichen! Ich habe auch so angefangen mit E-Books. Es ist so, als würde man vor seinem Computer sitzend Bücher lesen - Anstrengung der Augen, man fängt an, über die Zeilen zu huschen, ganze Absätze zu überfliegen. Ein guter (!) E-Book-Reader hat eine matte Struktur, ist schwarz-weiß und man kann genauso stundenlang damit lesen wie mit einem Papierbuch. Ich achte seitdem bei jeder Diskussion darauf: Geht es um das Lesen von E-Books - oder wurde das Lesen von E-Books auf E-Book-Readern erforscht?
    Das soll kein Loblied auf Reader sein. Mir ist z. B. leider noch kein E-Book-Anbieter begegnet ist, der eine für Vielleser geeignete Buchverwaltung erschaffen hat. Da merkt man schmerzlich, dass die Software-Entwickler vermutlich durch die Bank keine Leser sind. Ich möchte z. B. virtuelle Bücherregale haben. Nicht (nur) alle Titel über alle Themen alphabetisch oder nach Datum. Ich möchte einen abschließbaren "Giftschrank" haben. Bisher ist mir noch kein E-Book-Leser begegnet, der sich das nicht gewünscht hat. ;-)

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