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Technologie und Gesellschaft

Digitale Ausgestoßene: Wen treffen die Sanktionen der EU wirklich?

Magdalena Taube
Redakteurin
Zum Kurator'innen-Profil
Magdalena TaubeDonnerstag, 24.02.2022

Gerade sind wieder neue Sanktionen gegen eine Familie, die dem Assad-Regime nahe steht, verhängt worden, wie in einem Artikel auf der offiziellen Website des Rates der EU und des Europäischen Rates zu lesen ist. Anlass mal darüber zu sprechen, was solche Sanktionen – die jetzt gerade auch im sogenannten Ukraine-Konflikt als saubere Lösung gehandelt werden – eigentlich für Konsequenzen haben. Ich zitiere aus diesem Artikel:

Die Sanktionen gegen Syrien wurden erstmals 2011 als Reaktion auf das gewaltsame Vorgehen des Assad-Regimes gegen die Zivilbevölkerung verhängt. Sie richten sich auch gegen Unternehmen und bekannte Geschäftsleute, die von ihren Verbindungen zum Regime und von der Kriegswirtschaft profitieren. Die restriktiven Maßnahmen umfassen ferner ein Erdöleinfuhrverbot, Restriktionen bei bestimmten Investitionen, das Einfrieren der in der EU gehaltenen Vermögenswerte der syrischen Zentralbank, Ausfuhrbeschränkungen für Ausrüstung und Technologie, die zur internen Repression verwendet werden können, sowie für Ausrüstung und Technologie zur Überwachung oder zum Abhören des Internets und von Telefongesprächen.

Synaps, eine Informationsagentur in Beirut, die junge Forscher:innen aus der Region ausbildet, berichtet regelmässig aus Syrien über die dortige Lage. Zuletzt über die Möglichkeiten bzw. Unmöglichkeiten in Syrien ins Netz zu kommen. Der sprechende Titel ihres soeben erschienenen Berichts: "Digital castaways. The Syrian struggle to connect". Der Bericht ist ein erschütterndes Dokument. Denn auch abseits der bewaffneten Kampfhandlungen herrschen post-apokalpytische Verhältnisse, die sich nicht zuletzt darin manifestieren, dass die Menschen so hart um den Zugang zum Internet kämpfen müssen (als Plattform und Werkzeug, um ihren Alltag zu organisieren), dass es sie von Grund auf verzehrt. Und das in einer ohnehin schon kaum auszuhaltenden Situation, in der alle anderen Lebensgrundlagen – ob Nahrungsmittel oder Strom – Mangelware sind.

Im eingangs erwähnten Artikel des EU-Rats heißt es:

Die EU-Sanktionen in Syrien sind darauf ausgerichtet, jegliche Auswirkungen auf humanitäre Hilfe zu vermeiden, und zielen daher darauf ab, die Lieferung von Nahrungsmitteln, Arzneimitteln und medizinischer Ausrüstung nicht zu beeinträchtigen.

Das Problem aber ist, und das zeigt der Synaps-Artikel eindrücklich: Die Sanktionen, die zwar nicht auf die Bevölkerung ausgerichtet sind, treffen am Ende vor allem die Bevölkerung. Die Herrschenden verstehen es offenbar nur zu gut, ihre Privilegien zu sichern und die erdrückenden Folgen der Sanktionen auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Im Falle des Internets kommt es in Syrien noch schlimmer: der Staat bietet Alternativen an, Software, Webdienste, etc. die von offizieller Stelle unter das Volk gebracht werden; wer das annimmt, weil er/sie eben nicht anders kann, wird Subjekt eines digitalen Kontrollprogramms.

Dies zeigt nicht nur, wie existenziell und problematisch der Zugang zum Netz für die Unterprivilegierten – nicht nur in Syrien freilich – ist. Sondern auch, dass wir auf europäischer Ebene (und darüber hinaus) dringend eine politische Debatte über Sanktionen brauchen.

Denn, um es noch mal zu wiederholen: Die Sanktionen der EU gegen "Schurkenstaaten" zielen auf deren Machthaber, treffen aber meistens die ohnehin schon notleidende Bevölkerung. Das kann doch nicht sein!

Digitale Ausgestoßene: Wen treffen die Sanktionen der EU wirklich?

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Kommentare 1
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor fast 3 Jahre

    ja das ist ein großes Problem. Aber Sanktionen sind ja offz das einzige Mittel ohne direkt mit Soldaten einzugreifen. und ja zt sollen sie auch das Volk treffen ...um den Rückhalt der Regierung zu schwächen. Das trifft hptsl auf Länder wie Iran oder jetzt Russland zu; in Syrien hat das Volk ja schon deutlich gemacht dass sie Assad nicht wollen... und das Argument Sanktionen träfen auch das Volk - ist kein gutes, denn was wäre denn mit Bomben und Raketen?

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