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Kurator'in für: Technologie und Gesellschaft Medien und Gesellschaft Klima und Wandel
Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.
Vergangene Woche beendete die bekannte Psychologin Lotte Rubæk ihre Zusammenarbeit mit Meta, wo sie drei Jahre in einem Expertengremium beratend für Selbstverletzungs- und Suizidprävention tätig war. Nun erhebt sie schwere Vorwürfe: Das Versagen des Konzerns bei der Löschung von Bildern autoaggressiven Verhaltens würde junge Frauen triggern, Teenager dazu ermutigen, sich weiter zu ritzen und zu steigenden Suizidstatistiken beitragen. Eine weitere kleine Episode in der unrühmlichen Geschichte der Plattformen, die den von ihnen ausgelösten mental health issues, vor allem unter jungen Frauen und Teenagern, nur unzureichend Aufmerksamkeit schenken. Die Selbstverletzungsrate unter jungen Frauen und Mädchen hat sich seit dem globalen Siegeszug von Social Media-Plattformen fast verdreifacht.
Der bekannte Moralpsychologe Jonathan Haidt hat nun ein Buch über den Einfluss der Social Media-Plattformen auf die Psyche vor allem von Jugendlichen geschrieben -- ich habe hier auf Piqd oft darauf hingewiesen (hier und dort und da) -- und in The Atlantic hat er nun die Hauptthesen des Buchs in einem langen Artikel zusammengefasst: End the Phone-Based Childhood Now. Das Buch "The Anxious Generation" erscheint am 26. März auf englischer Sprache, im Juni erscheint "Generation Angst" auf deutsch.
Laut Haidt haben vor allem westliche Gesellschaften die Bedingungen für (nicht nur schulisches) Lernen in der Kindheit in kleinen Schritten immer weiter abgebaut und verändert. Zunächst sorgten in den USA sorgten steigende Kriminalitätsraten in Kombination mit sensationalistischen "News"-Segmenten im Privatfernsehen für das Entstehen des sogenannten Helicopter-Parentings und einem übersteigerten Sicherheitsbedürfnis, das in sinkendem Outdoor-Spiel der Kinder resultierte. Die Kids wurden weniger unabhängig und hingen weniger mit ihren Freunden rum.
Schließlich setzte sich zunächst das Internet in den 1990ern gefolgt von Social Media in den 2000s als gesellschaftsweite Kommunikationsplattformen durch, aber erst mit der technologischen Dominanz von Smartphones als dauerverfügbare Zugangsinterfaces wurde aus der harmlosen Vernetzung auf Websites auf Computern eine allgegenwärtige, algorithmisch sortierte Dauersozialisierung. Daraus folgte eine schließlich eine "phone-based childhood" für die Kids genau der Generation, die den Technologien in den 90ern zu ihrem Siegeszug verholfen hatte. Diese (meine) Generation sah es als Vorteil für ihre Kinder an, als "Digital Natives" in dieser neuen Medienumgebung groß zu werden, und teilte munter knuddelige Youtube-Videos von zweijährigen, die mit großen Augen auf iPhones herumtasteten. Heute wissen wir, dass Screentime grade für Kleinkinder ausgesprochen schädlich ist und ihre Entwicklung um bis zu zwei Jahren verzögert.
Heute verbringen amerikanische Teenager fünf Stunden pro Tag auf Social Media- und Video-Plattformen alleine. Zusammengenommen addieren sich die Screen-Aktivitäten zu sieben bis neun Stunden im Durchschnitt, und die Zahlen für Alleinerziehende und Wenigverdiener sind sogar noch höher. Wie Haidt ganz richtig hinzufügt, sagen diese Zahlen nichts aus über die Zeit, in denen wir zwar physisch irgendwo anwesend, geistig aber immer noch in der virtuellen Welt gefangen sind und aus FOMO (Fear Of Missing Out) darüber nachdenken, wie dieses eine Bild auf Instagram bei den Followern wohl klicken wird und wer was wo und wann über uns und dieses Bild posten könnte, und welche Folgen das möglichweise hat.
Die psychologischen Kosten sind immens: Die Kids treffen ihre Freunde weniger, haben weniger physische Interaktion, schlafen weniger, lesen weniger, verbringen weniger Zeit mit "Mind Wandering", Reflektion und Imagination, und nichts davon kann wirklich durch virtuelle soziale Welten ersetzt werden, die weder körperlich, noch synchron, noch wirklich interaktiv (also zwischenmenschlich-physisch kommunikativ) sind. Kinder, die in virtuellen Sozialwelten aufwachsen erfahren weitaus mehr sozialen Druck, soziale Vergleiche und Angstzustände durch public shaming als andere Generationen und Haidt vermutet, dass Kids in einem konstanten Defensivmodus mit "Fight- or Flight"-Reaktionen leben, den er einem "discover mode" entgegensetzt, in dem Menschen offener sind für Erfahrungen und weniger anfällig für Depressionsstörungen. Dieser konstante Defensivmodus erzeugt all die psychologischen Auswüche, die wir Sozialen Medien zuschreiben, und die sich am ausgeprägtesten in der Teenage Mental Health-Krise zeigt.
In seinem Text geht Haidt noch weiter und schreibt über fragmentierte Aufmerksamkeitsspannen, Porno- und Social Media-Sucht und sozialen Rückzug, Bedeutungsverluste, Neverending Internet-Dramas und bietet auch einige Lösungsansätze an .
Sascha Lobo hatte sich neulich in einem Kommentar auf Netzvordenker Michael Seemanns Newsletter über dessen neuen "Kulturpessimismus" beschwert, dem ich entgegenhalten möchte: Angesichts dieser Auswüchse der digitalen Revolution -- und die Teenage Mental Health-Krise in all ihren Ausprägungen ist nur einer von dutzenden Brandherden und ein Buch von Jonathan Haidt über die Auswirkungen auf Demokratie und Institutionen erscheint im Jahr 2025 --, angesichts dessen erscheint mir ein ausgewachsener Kulturpessimismus als die einzige authentische Haltung, denn derzeit ist es in der digitalen Welt ganz sicher so, "dass das Böse in der Welt das Gute überwiegt, das Leiden die Freude."
Diesem Net-Negative der digitalen Revolution sollten wir bezüglich der Lösungen einen gesunden Techno-Pragmatismus entgegenstellen, also eine realistische Einschätzung und Regulation der Lage, ein Verbot von Smartphones an Schulen, mehr nicht-ausgelagerte Moderation und Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen, ein Entwicklung gesellschaftlicher Normen über das "digitaltechnologische Einstiegsalter" und vielleicht auch das, was ich einmal "digitale Streetworker" genannt habe -- und dafür weniger bekannte Psychologinnen, die bei Meta kündigen müssen, weil man dort den Einfluss ihrer Plattformen auf die geistige Gesundheit von Kids nicht ernst genug nimmt. Damit wären wir immerhin einen kleinen Schritt weiter.
Quelle: Jonathan Haidt Bild: Maggie Shannon EN www.theatlantic.com
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In sehr vielen Fällen müssen aber auch Eltern lernen, den Kindern wieder mehr Freiheit zu lassen und nicht ständig zu wissen, wo sie sind. Ich musste früher nur um 19:00 Uhr zum Abendbrot zuhause sein. Was ich bis dahin gemacht habe, wussten meine Eltern nicht. Das ist Freiheit!!