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Seit 2005 ist er mit verschiedenen Projekten im Internet aktiv. Er gründete twitkrit.de und die Twitterlesung, organisierte verschiedene Veranstaltungen und betreibt den populären Podcast wir.muessenreden.de. Anfang 2010 begann er das Blog CTRL-Verlust zuerst bei der FAZ, seit September auf eigene Faust, in dem er über den Verlust der Kontrolle über die Daten im Internet schreibt. Seine Thesen hat er im Oktober 2014 auch als Buch veröffentlicht: Das Neue Spiel, Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust.
1957 fand James Vicary heraus, dass man Menschen mittels bewusst kaum wahrnehmbarer Botschaften manipulieren kann. Blendet man zum Beispiel im Kino die Botschaft „Esst mehr Popcorn“ ein, steigt nachweisbar der Popcornumsatz. Vicarys Studie zu „Sublimnal Stimuli“ wurde zum weltweiten Erfolg. Die CIA unternahm alsbald eigene Experimente und natürlich war es auch mit der Kritik nicht weit. In „Die Geheimen Verführer“ von Vance Packard, das im selben Jahr erschien, wurden Vicarys manipulative Experimente mit Abscheu und Horror beschrieben.
Die Geschichte hat nur einen Haken. Das Experiment von James Vicary war rein erlogen und „Sublimnal Stimuli“ gibt es nicht. Dennoch hält sich die Geschichte dieses "urban Myth" nachhaltig. Es ist halt eine gute Geschichte.
Ich gehöre einer kleinen, radikalen Minderheit an, die die Allmacht von Big Data, KI und Facebook leugnet. Und ja, ich glaube nicht daran, dass Cambridge Analytica mittels Big-Data-Psycho-Superwaffe Donald Trump ins weiße Haus geschossen hat. Aber ich gebe zu: Auch das ist eine gute Geschichte.
Aber es ist nicht nur die gute Geschichte, die solche Mythen so widerstandsfähig macht. Es ist die Tatsache, dass diejenigen, die angeblich vor der Manipulation warnen, auf dasselbe Konto einzahlen, wie diejenigen, die ein Interesse daran haben, als die großen Manipulatoren zu gelten. Die "Große Manipulation" ist ein diskursiver "Double Whammy".
Vicarys Behauptungen hat niemand wirklich ernst genommen, bevor Packard in die "Geheimen Verführer" vor ihm warnte. Ähnlich ging es Alexander Nix, dem Geschäftsführer von Cambridge Analytica. Erst mit der Medienberichterstattung um die angebliche große Massenmanipulation bekam sein Schlangenöl allgemeine Glaubwürdigkeit.
Gerade wird ein weiterer Baustein der Cambridge-Anlytica-Legende durch den Blätterwald getrieben. Es ist eine Netflix-Doku, die in raunendem Ton von dem "großen Hack" berichtet und sich dabei unglaublich kritisch vorkommt.
Es ist umso erfrischender, dass es immer noch ein paar kritische Geister gibt, die sich mit diesem Quatsch auseinandersetzen. Der Text arbeitet fein heraus, wie die Dokumentation genau das tut, was sie Cambridge Analytica vorwirft: manipulieren.
Wahrscheinlich aber mit dem großen Unterschied, dass die Doku wesentlich erfolgreicher dabei ist.
Quelle: Micah L. Sifry Bild: Dominic Lipinski ... EN thenation.com
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Ich gehöre ja zu der Gruppe, die sehr besorgt darüber ist, dass Werbung mittels Mikrotargeting gezielt ausgespielt wird. Dass ich zu Katzenfutterkäufen animiert werden könnte, obwohl ich keine Katze besitze, halte ich auch für Quatsch. Aber ich mag es trotzdem überhaupt nicht, dass Plattformen mir Dinge in die Timeline spülen, für die ich mich interessieren könnte. Oft treffen sie meinen Nerv – zum Glück nicht immer. Aber selbst wenn es schief geht, ist das Problem ja noch da: Dritte, die ich nicht kenne, machen irgendwas mit MEINER Timeline, weil mich die Plattform aufgrund meines Verhaltens in irgendeine Schublade steckt. Nun weiß ich das ja und lasse mich auf bestimmte Plattformen schon gar nicht mehr ein. Und auch andere Einstellungen helfen dabei, sich nicht aus Versehen selbst in was weiß ich was für Schubladen zu katapultieren. Aber früher habe ich auch Online-Quizzes gemacht. Die Altlasten schwirren also noch rum. Und ich bewege mich weiter im Netz, ohne eine Ahnung davon zu haben, welche Datenbank ich mit welchen Infos auf dem Weg so füttere. Egal, ob staatlich oder corporate.
Ich möchte gerne ohne Paranoia haben zu müssen Online publizieren und Dienste nutzen. Und deswegen stört es mich sehr, dass die Werbeindustrie so intransparent arbeitet. Genau: Wenn sie übertreiben, würde ich gerne verstehen, an welcher Stelle. Aber das wird leider in deinem piq auch nicht klar. Ich stimme zu: Den Double Whammy machen wir uns wohl zu wenig bewusst. Das passt ja durchaus in die Konzepte der Massenpsychologie.
Trotzdem habe ich ein Problem mit CA und deren Arbeit bei Wahlen. CA ist ja nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Industriezweig der Tracking- und Analysefirmen. Wie viele Firmen dieser Art gibt es? Wenn man sich mit dem gesamten Geschäftsmodell von SCL beschäftigt (der Mutter von CA), dann hat man schon eine Menge Fragen. Die Arbeit an Wahlen ist ja nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Portfolio. Und offenbar glauben nicht nur wir Normalsterbliche an deren Künste, sondern auch Verteidigungsressorts in den USA und der EU. Klar hat es schon immer Methodengeheimhaltung bei Sicherheitsbehörden gegeben – aus nachvollziehbaren Gründen. Aber diese totalen Möglichkeiten zur Infobeschaffung sind ja neu. Und mich stört, dass was auch immer genau da passiert ohne gesellschaftlichen Diskurs und mit ziemlich wenig gesetzgeberischem Überblick – geschweige denn Kontrolle – abläuft. Ich möchte gerne Regeln für Wahlwerbung im Netz. Auch wenn es sehr schwierig wird, eine vernünftige Definition hinzukriegen und klare Grenzen zu ziehen. Einfach, damit mehr Licht in die Black Box kommt.
Leider liegt es ja in der Natur der Sache, das niemand genau sagen kann, wie viel Anteil an einem Wahlerfolg irgendeine Wahlwerbung hatte. Deshalb greift für mich dieses Argument kein bisschen, um alles einfach so weiterlaufen zu lassen nach 2016. Ich finde die Frage viel wichtiger, ob wir wirklich Wahlwerbung wollen, die auf unsere psychologischen Profile und die gesammelten Datenpunkte zugeschnitten ist. Egal, ob sie wirkt oder Schlangenöl ist. Ich weiß, dass ich das nicht will. Und ich verstehe auch nicht, warum im Netz intransparente Wahlwerbung gemacht werden darf, wenn sie Offline verboten ist. Für diese Regelung gibt's ja schließlich auch gute Gründe.