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Europa

Hohe Kosten in Frankreich durch Linke und Rechtspopulisten

Tanja Kuchenbecker
Journalistin, Auslandskorrespondentin

Seit 1991 arbeitet Tanja Kuchenbecker in Paris als Auslandskorrespondentin für deutsche Medien. Sie schreibt über die unterschiedlichsten Frankreichthemen, vor allem über Wirtschaft und Politik und hat mehrere Bücher über Frankreich veröffentlicht.

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Tanja KuchenbeckerMontag, 01.07.2024

Die Wirtschaftsberatung Asterès hat die Wirtschaftsprogramme des neuen linken Parteibündnisses Nouveau Front Populaire (NFP) und des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) verglichen. Die Volksfront vereinigt LFI (die linke La France Insoumise, das unbeugsame Frankreich), Kommunisten, Sozialisten und Grüne. Die LFI gibt dabei derzeit den Ton an. Beide Programme gehen einher mit einer starken Erhöhung der Staatsausgaben in Frankreich und einer zunehmenden Abschottung von der internationalen Wirtschaft. Man besinnt sich zurück auf Frankreich. EU-Regeln wie der Stabilitätspakt passen nicht dazu, weil das ohnehin schon hoch verschuldete Frankreich sich weiter verschulden würde. 


Text: 


Wirtschaftsprogramme von NFP und RN – erstaunlich ähnlich

Von Sylvain Bersinger, Chef-Ökonom von Astères

Die Wirtschaftsprogramme der Neuen Volksfront und des Rassemblement National weisen viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede auf. Während diese beiden Parteien auf entgegengesetzten Seiten des politischen Spektrums stehen und sich als direkte Gegner gerieren, ähneln sich ihre Wirtschaftsprogramme in Wahrheit sehr (in Bezug auf den RN stützt sich Asterès insbesondere auf die von Marine le Pen im Jahr 2022 vorgeschlagenen Maßnahmen; Anm. der Übersetzerin: Mittlerweile hat Jordan Bardella ein Programm vorgestellt, das darauf basiert und nur wenig abgeschwächt ist.) Die größten Differenzen finden sich beim Thema Einwanderung.

1) Allgemeine Wirtschaftsphilosophie: Eine große Nähe zwischen RN und NFP.

Beide Parteien entwickeln eine Vision der Wirtschaft, die sich in ihrer Gesamtkonzeption weitestgehend gleicht. Beide verteidigen die Idee einer nach innen gerichteten französischen Wirtschaft, die darauf abzielt, die Wirtschaft durch öffentliche Ausgaben und durch einen illusorischen Haushaltsabschluss anzukurbeln, und spiegeln damit ihre jeweiligen Ideologien wider.

1.1 Globalisierung: der gemeinsame Gegner

Das Misstrauen gegenüber der Globalisierung ist NFP und RN gemeinsam. Sie  stehen der Globalisierung und dem europäischen Aufbau gleichermaßen kritisch gegenüber. Und sie vertreten die Auffassung (laut Asterès falscherweise), dass die französische Wirtschaft besser da stünde, wenn sie sich durch Zollschranken vor der internationalen Konkurrenz schützen würde.

- Europa als ewiger Sündenbock.

Obwohl keine der Parteien plant, die EU oder die Eurozone zu verlassen, zeigen sich beide offen feindselig gegenüber dem Konstrukt Europa. Der Stabilitätspakt steht ebenso wie die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) besonders in der Kritik (was im Wesentlichen ein Eingeständnis bedeutet, dass beide das Staatsdefizit deutlich erhöhen würden). Europäische Verträge und Regeln werden sowohl vom RN als auch vom NFP grundsätzlich in Frage gestellt.

- Der internationale Handel wird eher als Bedrohung denn als Chance gesehen.

Obwohl NFP und RN sich als Hauptverteidiger der Kaufkraft sehen, stehen sie paradoxerweise mit dem internationalen Handel auf Kriegsfuß, der niedrigere Einkaufspreise ermöglicht (dies ist tatsächlich ihr Hauptinteresse, noch vor Absatzmärkten für unsere Industrie). Diese beiden Parteien weisen jedoch vor allem auf die mit dem internationalen Wettbewerb verbundenen Risiken für die Industrie hin; statt sich darum zu bemühen, die Leistungsfähigkeit französischer Unternehmen zu steigern, um ihnen so die Erschließung von Wachstumsquellen im Ausland zu ermöglichen, verfechten sie protektionistische Maßnahmen wie den Austritt aus Freihandelsabkommen.

1.2 Staatsausgaben: Tiefe Taschen

Unterstützung der Kaufkraft auf der Grundlage öffentlicher Ausgaben.

Anstatt zu versuchen, die Produktionskapazität der Unternehmen zu stimulieren, um Beschäftigungsquoten und Löhne zu steigern (was immer noch der sicherste Weg wäre, langfristig Lohnerhöhungen sicherzustellen), stützen beide Parteien die Haushaltsförderung auf erhebliche öffentliche Ausgaben. Dies würde eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben, Steuersenkungen oder einen früheren Ruhestand bedeuten (der letztendlich vom Staat finanziert würde).

– Ein starker Anstieg der öffentlichen Ausgaben.

Im Hinblick auf öffentliche Dienstleistungen, Gehälter und Kaufkraft schlagen sowohl der RN als auch der NFP deutliche Erhöhungen von Ausgaben vor. Die Löhne würden auch mehr oder weniger direkt durch die öffentliche Hand gestützt: Im Vorschlag des RN würden Lohnerhöhungen durch Senkungen der Arbeitgeberbeiträge ermöglicht, bei dem NFP müssten die Unternehmen die Lohnerhöhungen tragen - und bei Beamten wäre der Staatshaushalt verantwortlich.

- Beide Programme schlagen Steuersenkungen vor.

Das Programm des RN bietet die meisten Steuererleichterungen, beispielsweise eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel (Anm. laut Programm von Bardella nur noch bei starker Inflation, dafür Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie), Einkommens- oder Gewerbesteuer. Der NFP sieht auch Steuersenkungen vor, etwa die Abschaffung der 10-prozentigen „Macron-Steuer“ auf Energie oder die Senkung der Mehrwertsteuer auf öffentliche Verkehrsmittel.

- Der RN und der NFP wollen, dass die Franzosen früher in den Ruhestand gehen.

Während die Einzelheiten der vorgeschlagenen Rentenreformen noch ungewiss sind, insbesondere seitens des RN, der seinen ursprünglichen Vorschlag (Rentenalter mit 60 Jahren) teilweise rückgängig gemacht hat, wollen beide den Franzosen einen früheren Ruhestand ermöglichen. Eine solche Maßnahme wäre für den Staat kostspielig, da es zu Steuereinbußen kommen würde (weniger Arbeitnehmer bedeuten weniger Produktion und damit weniger Einnahmen) und weil sich das Rentendefizit vergrößern würde.

1.3 Haushaltsabschluss: unzureichende Einnahmen

Der Haushaltsabschluss des Programms von RN und NFP ist illusorisch und spiegelt vor allem wider, welche Sündenböcke die beiden Parteien für die wirtschaftlichen Probleme verantwortlich machen.

RN wie NFP behaupten, ihr Programm, das in beiden Fällen einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr benötigen würde, durch Maßnahmen zu finanzieren, die nur einen kleinen Bruchteil der Staatsausgaben ausmachen. (Asterès hat keine detaillierten Zahlen erstellt; die fehlende Konkretisierung vieler Maßnahmen macht das in unseren Augen zu ungenau .) Die vorgeschlagenen Wege aber unterscheiden sich und zeugen von der unterschiedlichen ideologischen Grundlage.

- RN würde Einwanderer „bezahlen“ lassen. 

Die wichtigste Sparmaßnahme des RN würde darin bestehen, die Sozialhilfe für Einwanderer zu kürzen. Von ihrem Kampf gegen die Einwanderung erwartet die Partei einen Gewinn von 16 Milliarden Euro pro Jahr, eine Zahl, die nach Kenntnis von Asterès nicht detailliert angegeben wurde und die nicht berücksichtigt, dass Einwanderer auch eine für die französische Wirtschaft wichtige Arbeitskraft darstellen.

Die Betrugsbekämpfung würde 15 Milliarden Euro pro Jahr einbringen, eine Zahl, die ebenfalls illusorisch erscheint, da einfach zu ermittelnde Betrugsfälle bereits bearbeitet werden. Mit anderen Worten: Angesichts eines Anstiegs der Staatsausgaben (oder -defizite) auf mindestens mittlere zweistellige Milliardenbeträge schlägt der RN nur zusätzlichen Einnahmen vor, die bestenfalls ein paar Milliarden Euro pro Jahr ausmachen würden.

- Der NFP würde die Reichen bezahlen lassen.

Um ihre kostspieligen Maßnahmen zu finanzieren, will der NFP vor allem die Besteuerung der Reichsten erhöhen: zum Beispiel die Wiedereinführung des ISF (Anm. der Übersetzerin: Vermögenssteuer), die Abschaffung der Flat tax sowie die Erhöhung der Erbschafts- oder Einkommenssteuer für wohlhabende Haushalte. Die Flat Tax wurde 2018 von Macron eingeführt und ist eine Steuer für Finanzeinkommen mit einem Steuersatz mit einem Plafond von 30 Prozent. Diese Maßnahmen könnten einige Milliarden Euro einbringen, möglicherweise auch mehr, wenn die Steuererhöhungen sehr groß wären (die Programmmaßnahmen erscheinen uns auch hier zu vage, um genaue Zahlen zu liefern). Dies würde jedoch eindeutig nicht ausreichen, um den Verlust für die öffentliche Hand durch ein äußerst verschwenderisches Programm auszugleichen, das die Kosten oder Fehlbeträge um etliche Milliarden Euro erhöhen würde. (die Schätzung von Macrons Partei Renaissance von 257 Milliarden Euro scheint zu hoch, glaubwürdig erscheint aber ein Wert zwischen 100 und 200 Milliarden Euro pro Jahr.)

2) Einwanderung: Der Hauptunterschied zwischen den Wirtschaftsprogrammen des RN und des NFP.

RN und NFP weisen dennoch einige Unterschiede in ihren Wirtschaftsprogrammen auf. Am bemerkenswertesten ist das beim Thema Einwanderung, es gibt jedoch auch einige Unterschiede in Bezug auf Energie, Steuern oder Preisdeckel.

- Einwanderung ist eine tiefe Bruchlinie. 

Während der RN Einwanderung äußerst feindselig gegenübersteht, ist der NFP dafür. Während der RN die Hilfen für Einwanderer kürzen und ihnen die Arbeitserlaubnis verweigern will, befürwortet der NFP genau das Gegenteil.

- Eine gegensätzliche Vision erneuerbarer Energien.

Der NFP beabsichtigt im Gegensatz zum RN, erneuerbare Energien massiv auszubauen. Der RN schlug sogar vor, den Bau neuer Windkraftanlagen nicht nur einzustellen, sondern sogar die bereits gebauten wieder abzubauen. (Anm. der Übersetzerin: was inzwischen wieder zurückgenommen wurde)

- Die Entwicklung der Besteuerung ist in den RN- und NFP-Programmen nicht immer gleich.

Trotz gewisser Ähnlichkeiten, wie der Erhöhung der Reichensteuer und der Steuer auf „Spekulation“(ohne dass dieser eher vage Begriff klar definiert ist), weisen die beiden Programme Unterschiede auf. Beispielsweise will der RN bestimmte Unternehmenssteuern senken (insbesondere Produktionssteuern), der NFP sieht stattdessen eine Erhöhung der Unternehmensbesteuerung vor (insbesondere durch die Beseitigung von Steuerschlupflöchern).

- Preisdeckel gibt es nur bei der NFP. 

Der von der NFP vorgeschlagene Preisdeckel für Grundnahrungsmittel ist im RN-Programm nicht enthalten, das stattdessen auf eine Senkung der Mehrwertsteuer setzt, um die Kaufkraft der Haushalte zu steigern. 


Hohe Kosten in Frankreich durch Linke und Rechtspopulisten

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Kommentare 1
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 6 Monaten

    Nein, nicht Frankreich müsste für die Wirtschaftsprogramme von Linken und Rechtspopulisten tief in die Tasche greifen.

    Sondern die Linke versucht mit klassischen sozialdemokratischen Forderungen, etwa Wiedereinführung (!) der Vermögenssteuer die wenigen Reichen abzuschöpfen. Durch die neoliberale Konterrevolution profitierten diese in den letzten Jahrzehnten enorm.

    Die anderen wählen die typische faschistische Lösung, Sündenböcke zu schaffen. Diesmal sind es die Einwanderer und Flüchtlinge.

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