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Wer war Egon Schiele? Gar ein Psychopath, der als Künstler daherkam? Sein Werk verstört und verunsichert bis heute. Und welcher Künstler ist nicht auch ein bisschen Psychopath? Bei Egon Schiele war alles nur ein wenig extremer ausgebildet. Heute ist er einer der am teuersten bezahlten Künstler weltweit. Doch zu seinen Lebzeiten galt seine Kunst als krank. So ändern sich die Zeiten. und was sagt das über uns und unsere heutige Gesellschaft? Die Dokumentation wagt den Versuch, sich dem Werk Egon Schieles zu nähern. Ganz erfassen können wir es wahrscheinlich nie. Außer, wir denken in seinen Kategorien - und das ist wahrhaft verstörend.
Einsamkeit, Neugierde am Okkulten, Ablehnung, Verehrung. Lust und Laster, Verdammung, Bestrafung. Nicht zu vergessen der kurze und kometenhafte Aufstieg in die strahlenden Höhen des Künstlerolymps, der sinnlos erscheinende frühe Tod, schließlich die Gegenwart mit Verehrungs- und Heiligsprechungstendenzen. Dies sind die Bausteine des kurzen Lebens von Egon Schiele. Sie und seine bis heute schwer zu entschlüsselnde Kunst bilden auch 100 Jahre nach seinem Tod jenes Material, aus dem die Legenden der Unerreichbaren gefertigt sind. Aber wer sich die Mühe macht, sich nicht von dieser affektbeladenen Fassade einschüchtern zu lassen, sondern hinter diese zu blicken, dem sollte es auch gelingen, in seiner Kunst die Seele des Menschen Schiele zu erkennen. Diese Begegnung mag verstören: Was sie uns mitzuteilen hat, wurde oft mit brutaler Ehrlichkeit auf Leinwände und Papier gebannt. Es ist weit entfernt von Schönheit und Harmlosigkeit angesiedelt. Egon Schiele entkleidet die Gesellschaft und sich selbst nachhaltig und im doppelten Sinne. Wie Sigmund Freud drang auch er in jene Zonen des Menschseins vor, wo ästhetisches Empfinden eine untergeordnete Rolle spielt. Sein Blick legte die aus dem Verborgenen heraus wirkenden menschlichen Triebe genauso schonungslos frei, wie er menschliches Sein als Leidensweg des physischen und seelischen Schmerzes entzifferte. 100 Jahre nach Schieles Tod versucht die Dokumentation nicht das Genie zu huldigen, sondern die inneren Zusammenhänge aufzudecken, die Schieles unvergleichliches Werk erst ermöglichten.
Die interessante Dokumentation ist noch bis zum 11. Mai 2020 in der Arte-Mediathek zu sehen.
Quelle: Herbert Eisenschenk Bild: Arte arte.tv
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