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Pop und Kultur

Debattieren wir richtig, wenn es um "kulturelle Aneignung" geht?

Martin Böttcher
Journalist, Sammler
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Martin BöttcherMontag, 22.08.2022

Die Überschrift des hier empfohlenen Artikels führt in die Irre: "Was Sie wissen sollten, bevor Sie sich über kulturelle Aneignung aufregen". Denn es geht dem Autor Jens Balzer gerade nicht um eine einseitige Betrachtung der sogenannten "cultural apropriation", sondern um eine differenzierte Diskussion. Dazu gehört auch, dass der Vorwurf der kulturellen Aneignung in bestimmten Fällen auch zutreffen kann. Jens Balzer fragt: 

Worum geht es bei der Debatte um kulturelle Aneignung? Woher stammt sie? Welches sind die Probleme, die sie aufwirft und sinnvoll zu reflektieren vermag? Und welche sind es nicht?

Und dann folgt eine meiner Ansicht nach wirklich angemessen-nachdenkliche Betrachtung des Themas, die man vielleicht so zusammenfassen kann: Wir müssen mehr miteinander reden, gerade bei solch komplexen Themen. Und zwar darüber, dass "Kulturen" niemals rein und abgeschlossen waren oder sind. Und darüber, dass es natürlich Machtverhältnisse auf der Welt gibt, derer man sich bewusst sein sollte, wenn man zum Beispiel als Künstler*in Musik macht und sich woanders bedient an Sounds und Rhythmen und Melodien.

Noch einmal anders angefangen, für alle, die nicht so in der Debatte drin sind: Der Begriff der "cultural appropriation", der kulturellen Aneignung ist schon ein paar Jahrzehnte alt, hat seit ein paar Jahren Konjunktur. Im engeren Sinne ist damit gemeint, dass eine "dominante" Kultur einer "Minderheitskultur" etwas von ihrer Kultur "wegnimmt", indem Kulturelemente übernommen und ohne Genehmigung, Anerkennung oder Entschädigung in einen anderen Kontext gestellt werden. Kein kultureller Austausch auf Augenhöhe, sondern ein Ausbeuten, oft auch noch verschärft durch die Konzentration auf Stereotypen.

Jens Balzer hat zu dem Thema gerade ein Buch veröffentlicht ("Ethik der Appropriation"), das aber offenbar schon vor dem aktuellen Fall in der Schweiz fertiggestellt wurde. Dort wurde das Konzert einer Reggae-Band abgebrochen, angeblich, weil zwei der (weißen) Musiker Dreadlocks tragen. In dem Artikel für republik.ch untersucht Balzer diesen Fall genauer. Und wünscht sich, dass sich alle, die ernsthaft an den Umständen interessiert sind, einen Moment des Nachdenkens gönnen. 

Bei allem angebrachten Befremden über die beschriebenen Vorgänge kann man sich fragen, ob hier nicht mit sehr grossen Kanonen auf sehr kleine Spatzen geschossen wird. Zumal solche Kommentare durchweg von Feuilletonisten stammten, die bisher nicht unbedingt durch ihr Interesse an alternativer Kultur oder besondere Kompetenzen bezüglich jamaikanischer Musik aufgefallen waren. Sie nutzten bloss gerne die Gelegenheit, um «die Linken» ein weiteres Mal als die wahren Gegner der Meinungs­freiheit hinzustellen, die unablässig jemandem etwas verbieten wollen, was doch eigentlich ein Menschen­recht ist: etwa, sich die Haare so zu frisieren, wie es einer oder einem gerade passt.

Es ist natürlich nicht nur das Thema der "cultural appropriation", bei dem man sich mehr intelligente Debatten und weniger aufgeregtes Lagerdenken wünschen würde. Aber das macht den Artikel von Jens Balzer noch wichtiger.

Debattieren wir richtig, wenn es um "kulturelle Aneignung" geht?

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Kommentare 1
  1. Alexander Greim
    Alexander Greim · vor mehr als 2 Jahre

    Vielen Dank für den Artikel. Die Diskussion um "kulturelle Aneignung" ist keine leichte und eignet sich nicht für Pauschalantworten.

    Interessant ist auch der Ausflug zu "ethnic drag" von Katrin Sieg dem ich einiges abgewinnen kann.

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