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„Auslöschung“ – weshalb der Netflix-Hit ins Kino gehört

Benjamin Freund
News Editor / Redakteur bei LinkedIn News

Studierter Medienwissenschaftler & Kulturjournalist. Fest für LinkedIn News, frei für dpa, Tagesspiegel, Monopol, shelfd & Galore. Vorher unter anderem bei ze.tt, DLF Nova, Deutsche Welle, Berliner Zeitung & Musikexpress.

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Benjamin FreundMittwoch, 14.03.2018

Um den Filminhalt und dessen Vertriebsstrategie sind Hype und Aufregung entflammt. Der jüngste Sciencefictioner von "Ex-Machina"-Regisseur Alex Garland erschien vor wenigen Tagen nicht etwa im Kino, sondern exklusiv beim Streamingdienst Netflix.

Dabei hätte die Literaturverfilmung um die Biologin Lena (Natalie Portman), die das Leben ihres Mannes in einem mysteriösen Areal zu retten glaubt, durchaus einen Platz auf der Leinwand verdient. Denn neben tiefschürfenden Gesprächen über den Hang des Menschen zur Selbstzerstörung, philosophiert Garland durch die Kraft seiner surrealen Bilder. Begleitet werden vier Frauen, die an der Seite von Lena durch das unbekannte Waldgebiet forstend, mit Gedächtnisschwund, mutierter DNA und der eigenen Endlichkeit konfrontiert werden. Alles gebrochen von Rückblende und Vorschau auf das, was davor gewesen ist und das, was danach sein wird. Kathleen Hildebrand von der SZ trifft mit „[…] wie eine Landschaft auf LSD […]“ den Nagel auf den Kopf.

Zum Bedauern Garlands, schienen den Produzenten Grizzly-Kühe und Suizidgedanken zu intellektuell und kompliziert für den Mainstream-Kinobesucher zu sein. Hildebrand widerspricht der These und sieht in Garlands Werk primär einen Film, der ausgehalten werden muss:

[…] auf seine verrätselten Filme muss man sich schon in Ruhe einlassen, so auch bei "Auslöschung". Die Sumpflandschaft, in die diese Wissenschaftlerinnen vordringen, ohne zu wissen, was sie im Inneren erwartet, ist der Schauplatz eines mysteriösen ökologischen Wandels.

Im Kino funktioniert das wohl besser als im Wohnzimmer, immerhin kann man sich dort jenem existentiellen Wandel nicht so leicht durch das Drücken einer Stop-Taste auf der Fernbedienung entziehen.

In ihrer lesenswerten Rezension feiert Hildebrand eine der vermutlich eindringlichsten Sci-Fi-Produktionen des Jahres. Zugleich füttert sie den Diskurs um Netflix als prädestinierten Kinofresser und lässt den Leser nicht nur Sehgewohnheiten, sondern auch das eigene Sehverhalten hinterfragen.

„Auslöschung“ – weshalb der Netflix-Hit ins Kino gehört

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Kommentare 4
  1. Christian Huberts
    Christian Huberts · vor fast 7 Jahre

    Danke für den feinen Piq!
    Ich teile die Einschätzung von Kathleen Hildebrand zum größten Teil, finde es aber sehr schade, dass sich der Film für seine tollen Bilder und Themen so wenig Zeit nimmt. Was bei Kubrick eine halbe Stunde dauert, wird hier in fünf Minuten abgefrühstückt und kann kaum richtig wirken. Ich hatte beim schauen das Gefühl, eine für das Mainstream-Publikum stark gekürzte Fassung zu sehen. Dabei wäre es ja gerade auf Netflix möglich gewesen, auf solche Kompromisse zu pfeifen. Wenn man eh schon »zu intellektuell« für das Kino ist, dann doch bitte all-in gehen!

    1. David Simeth
      David Simeth · vor fast 7 Jahre

      Ich habe es so verstanden, dass erst nach Fertigstellung des Films entschieden wurde, ihn nicht ins Kino zu bringen... all-in hieße dann, gleich für netflix zu produzieren - oder sich dank des alternativen Vertriebswegs nicht von den Mainstreamvorstellungen der Studios zu sehr bestimmen zu lassen.
      Vielleicht gibt es ja noch die gute alte "Directors Cut" Version irgendwann...

    2. Benjamin Freund
      Benjamin Freund · vor fast 7 Jahre

      Hey Christian,
      danke für dein Feedback!
      Ich sehe das sehr ähnlich. Man hätte noch tiefer in die Landschaft und Themen-Welten eindringen können und auf Netflix vielleicht sogar müssen.

      ---SPOILER---

      Ich persönlich fand manche Szenen, wie den Angriff des "Monsters", bei dem die Frauen zerfleischt werden, etwas zu explizit – andere Momente wiederum zu seicht angedeutet. Vor allem die Kreuzung zwischen Mensch und Pflanze hätte meiner Meinung nach unglaublich viel Potential gehabt, um schöne, kitschlose Bilder zu erzeugen: Natur zeigen, ohne dass man dabei in einen Glühwürmchen-Look á la James Cameron's Avatar abdriftet. Auch die Kreuzung zwischen Haifisch und Reptil ging mir etwas zu schnell und wird dann von den Charakteren eben als gottgegeben hingenommen. Portman klappt das Maul des Alligators ja wie einen Kofferaum zu.

      Die Gleichgültigkeit in den Frauen lässt sich natürlich aber auch durch ihre persönlichen Schicksalsschläge erklären. Und das finde ich dann schon sehr stark, nicht das typische Horror-Film-Klischee verzweifelter, "hysterischer" Frauen zu bedienen. Sodass ich mir "Auslöschung" auf jeden Fall ein zweites Mal, auch noch stärker in Bezug auf die Buchvorlage anschauen werde. Aber auch schon jetzt: ein sehenswerter Film!

    3. Christian Huberts
      Christian Huberts · vor fast 7 Jahre

      @Benjamin Freund Das auf jeden Fall! Gerade im Vergleich mit anderen "Problemfilmen", die sich Netflix unter den Nagel gerissen hat.

      – Kleinere (Buch-)Spoiler –

      Die meisten Änderungen gegenüber der Buchvorlage finde ich sehr nachvollziehbar. Sie ist eben noch einmal um einiges abstrakter und sonderbarer in der Darstellung des Phänomens "Area X". Da wird in den Nachfolgebüchern unter anderem ein Begriff aus der Winzerei als Behelfsmetapher genutzt. Kein fremder Organismus oder eine fremde Intelligenz ist mutmaßlich auf der Erde gelandet/erschienen (?), sondern ein ganzes "Terroir" (https://de.wikipedia.o...). Das filmisch darzustellen, wären schon eine Herausforderung. Da gestalten sich Dialoge und Bilder zu zerstreuter DNA deutlich zugänglicher. Und auch die Begegnung mit dem "Leuchtturmwächter" ist im Buch mehr mind-blowing. Da geht's nicht nur um die motivlose Imitation von Form und Verhalten, sondern ebenso um groteskeste Hybridisierungen aus Neurolinguistik, Tiefenpyschologie und Biologie. Schleimpilze, die konfuse Psalmen runterbeten etc. Die weibliche, namenlose Hauptfigur ist derweil noch spröder. Nicht primär ein Love-Interest treibt sie in den Sumpf, sondern kühle, biologische Neugier.

      Lange Rede, kurzer Sinn: Ich würde mich wirklich über einen Director's Cut freuen, der sich noch tiefer in die bizarre Welt der Vorlage traut.

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