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Kurator'in für: Pop und Kultur Fundstücke Medien und Gesellschaft
Freier Journalist in Hamburg. Liebste Arbeit: Interviews führen; übelste Arbeit: Interviews abtippen.
Flohwalzer-Virtuose. Erste selbstgekaufte Kassette: Roxette - "Tourism". Krautrock, afrikanischer Blues und Souljazz waren da noch fern. Schätzt "Handgemachte Musik", und hört natürlich trotzdem HipHop, Dub und Ambient.
Über Äußerlichkeiten sollte man schweigen, aber: Joan Baez sieht einfach fantastisch aus in diesem Film (zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war sie fast 80). Das Publikum sieht sie schlafend in Hotelzimmern, hemdenbügelnd für ihre Bandkollegen, diskutierend mit ihrer Schwester und natürlich musizierend während ihrer Abschiedstournee 2019.
Joan Baez – I am a Noise läuft nun in den Kinos, eine in jeder Hinsicht bemerkenswerte Dokumentation über die Vita der sogenannten "Folk-Ikone". Dem Film ist ein Zitat von Gabriel García Márquez vorangestellt:
Jeder Mensch hat drei Leben: ein öffentliches, ein privates und ein geheimes.
Die private Seite der Frau, deren Karriere bereits 1958 auf dem Newport Folk Festival begann, wird in 113 Minuten "uneitel, mit Humor und schonungslos selbstreflexiv ausgelotet" (Der Standard). Netflix und Co. hätten sicher eine fünfteilige Serie aus der Materialfülle gemacht. Die Regisseurinnen hatten freie Hand, sich aus Baez' Archiv (Tagebücher, Audiokassetten mit aufgezeichneten Therapiesitzungen, Filmaufnahmen) zu bedienen. "Der Film ist, was er ist, weil ich genügend Vertrauen in diese Frauen hatte", sagt sie im gepiqten Interview.
Die fantasievollen Bleistiftzeichnungen Baez' werden zum Leben erweckt, es gibt herrliche Fotos aus den Sixties; Dylan, Drogen und ihre unglückliche Rolle als Mutter kommen vor. Die Künstlerin sagt: "I'm not good at one-on-one relationships. I'm great at one to one thousand relationships".
Und dann ist da noch das geheime Leben, das Joan Baez' Kindheit betrifft:
Im dunkelsten Kapitel geht es nochmals um die eigene Familie, der Verdacht auf Missbrauch steht im Raum. Auch hier bemüht sich Baez um Wahrheit – um sich einzugestehen, dass sich diese nicht mehr rausfinden lässt.
"Ein Porträt wie eine Therapiesitzung" meint der NDR – mir hat dieser Ansatz gut gefallen, zeigt er doch gerade, dass Psychotherapie hilft, aber kein Allheilmittel ist. Obendrein ist auch die Ästhetik von "I am Noise" eindrucksvoll.
Baez hat einen naheliegenden Weg gefunden, um mit ihren Dämonen umzugehen:
When I am depressed I sing to myself to prove that life really isn't so bad.
Quelle: Karl Gedlicka Bild: Alamode-Film www.derstandard.at
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