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Medien und Gesellschaft

Wie PenguinRandomhouse seinen Autor Sören Sieg bevormunden wollte

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
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Dirk LiesemerSamstag, 28.01.2023

Man muss Sören Sieg dafür dankbar sein, dass er diese Geschichte erzählt, denn sein Verlag PenguinRandomhouse wird darüber sicher nicht jubeln, aber so viel Grenzüberschreitungen, noch dazu völlig übertriebene, ja absurde wie in diesem Fall dürfte es selten geben, auch wenn sich der Eindruck verfestigt, dass sich solche Geschichten gerade häufen und künftig möglicherweise vermehrt vorkommen werden.

Vielleicht handelt es sich um einen besonders krassen Fall, aber ich finde, er gehört zu Recht an die Öffentlichkeit: Der studierte Soziologe Sören Sieg, der als Schriftsteller und Komponist arbeitet, befasst sich seit dreißig Jahren mit Afrika. Mit anderen Worten: Er dürfte sich auskennen.

Für sein neues Buch über Couchsurfing in Schwarzafrika ist er monatelang durch Äthiopien, Uganda, Kenia, Tansania, Südafrika und Ghana gereist. Er verfasste sein Manuskript, lieferte es ab und erhielt es nicht etwa lektoriert, sondern völlig zusammengestrichen zurück, versehen mit Anmerkungen einer Gutachterin, die einen an George Orwells düsteres 1984 erinnern.

Es wurden nicht nur sämtliche Adjektive gestrichen, mit denen er Menschen beschreibt, die er getroffen hat – und die er seinem Publikum nahebringen will; wozu liest man Bücher, wenn man denn nicht die Welt so wie sie ist kennenlernen will? Gestrichen wurden selbst harmlosteste Worte wie hübsch, schlank, füllig, groß, klein, stämmig, wuchtig, kräftig, weil sie alle – kein Scherz – unangenehme Anspielungen seien, darunter übrigens auch das Wort "warmherzig".

Noch dreister und übergriffiger ist, dass und wie offenbar Zitate seiner Gesprächspartner verfälscht worden sind, sogar von Forschern, es habe gereicht, dass jemand allein das Wort "Afrika" in den Mund genommen habe. Sören Sieg nennt weitere Beispiele. Man fragt sich: Was sollen diese Menschen denken, wenn sie davon erfahren, wie ihre Aussagen verfälscht werden sollten (Sieg konnte dies letztlich abwehren)? Dass sie davon erfahren hätten, ist übrigens nicht unwahrscheinlich. Ich selbst habe schon Rückmeldungen auf Texte aus Tunis und Accra erhalten.

Sicher, es ist gut, dass nicht alles so gedruckt wird wie es abgeliefert wurde. Niemand, der schreibt, will so etwas. Dabei sind auch hunderte von Korrekturen nicht ungewöhnlich, schließlich ist so ein Buchtext nicht gerade kurz, aber bei den Korrekturen geht es um Stil, Struktur und Spannung, weniger um Inhalt, wenngleich durchaus um einzelne Wörter gerungen wird.

Sören Sieg hält explizit fest, wie dankbar er früheren Lektoren ist. Aber das, was ihm nun passierte, kann man nicht anders denn als Sittenwächterei und eine bewusste, ideologisch motivierte Verfälschung der Wirklichkeit betrachten. Wer es liest, verspürt nicht unbedingt die größte Lust, ein Buch für PenguinRandomhouse zu schreiben.

Sein Text steht kostenpflichtig auf Blendle; wer ein FAZ-Abo hat, findet ihn in der heutigen digitalen Beilage von "Bilder und Zeiten". Für sein Buch habe er einen großen Teil der "Korrekturen" abwehren können, schreibt er, darunter eben auch die verfälschten Zitate. Befremdlich bleibt, dass der Verlag all die Eingriffe verteidigt und die Gutachterin nicht in Frage stellt. Immerhin dürfen ihr zufolge die Begriffe Mann und Frau verwendet werden, aber vielleicht ist sie da nicht ausreichend sensibel.

Lesenswert ist auch eine Glosse, die Andreas Platthaus kürzlich über diesen Fall geschrieben hat.

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