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Medien und Gesellschaft

Was ist guter Journalismus? Revolutionäre Idee: Fragen wir doch mal die Leser!

Simon Hurtz
Journalist, Dozent, SZ, Social Media Watchblog

Mag es, gute Geschichten zu erzählen.
Mag es, gute Geschichten zu lesen.
Mag es, gute Geschichten zu teilen. Das tut er hier.
Mag es gar nicht, in der dritten Person über sich zu schreiben.

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Simon HurtzFreitag, 12.02.2016

Eine der Lieblingsbeschäftigungen von Journalisten scheint es zu sein, über den Niedergang des "Qualitätsjournalismus" zu diskutieren (zu diesem fürchterlichen Begriff ein wunderbares Interview mit Constantin Seibt). Die Leser werden dabei nur selten nach ihrer Meinung gefragt. Viele Medienmacher gehen davon aus, dass online eh nur Katzenbilder, Promiklatsch und reißerische Überschriften funktionieren.

Der Tagesanzeiger hat die Leser selbst zu Wort kommen lassen und um ihre Meinung gebeten. In der verlagseigenen 12-App wurden sie am Ende jedes Textes gefragt: "Ist dieser Artikel lesenswert?"

Datenjournalisten haben die Antworten ausgewertet und grafisch aufbereitet - mit bemerkenswerten Ergebnissen:

Hoch taxiert werden: Auslands-, Wissens-, Politik­themen; Reportagen, Interviews, Analysen. Lange Texte schneiden besser ab als kurze. Und: Textqualität ist den Usern wichtiger als Bildstrecken oder Videos.

Und was fällt bei den Lesern durch?

Themen wie Lifestyle, People, aber auch einzelne Sportarten (Ausnahme: Tennis) führen zu einer tiefen Wertung. Ebenfalls nicht geschätzt wird ein aggressiver, polemischer Ton.

Natürlich verzerrt eine solche Umfrage. Wie bei Wahlprognosen gibt es einen Effekt der "sozialen Erwünschtheit". Und selbst wenn Leser eine Analyse des Syrien-Konflikts höher bewerten als eine Fotostrecke mit Hollywood-Stars, bringt Letztere garantiert ein Vielfaches an Klicks.

Dennoch zieht der Tagesanzeiger folgende Konsequenzen aus der Leserbefragung:

Lifestyle-Storys etwa bieten wir kaum mehr an, aus den Bereichen Sport und Digital wirklich nur noch die allerbesten Geschichten. Bei der Verwendung von Videos und interaktiven Grafiken sind wir zurückhaltender. Dafür setzen wir noch entschlossener auf erklärende und einordnende Texte mit einem hohen Nutzwert.

Das ist keine Revolution des Online-Journalismus – aber trotzdem erfreulich.

Was ist guter Journalismus? Revolutionäre Idee: Fragen wir doch mal die Leser!

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Kommentare 11
  1. Leopold Ploner
    Leopold Ploner · vor mehr als 8 Jahre

    Das ist wie wenn man die Zuseher nach ihren Fernsehgewohnheiten befragt: Alle gucken eigentlich nur Nachrichten, Kultursendungen und Naturdokus.

    1. Simon Hurtz
      Simon Hurtz · vor mehr als 8 Jahre

      Ich teile deine Bedenken, deshalb schrieb ich ja auch vom "Effekt der sozialen Erwünschtheit". Andererseits wurden die Antworten auf die Frage "Ist dieser Artikel lesenswert?" ja auch mit der Reichweite (sprich: den Klickzahlen) der jeweiligen Texte in Verbindung gebracht. Und tatsächliche gibt es viele Artikel, die sowohl hoch bewertet als auch häufig gelesen werden.
      Insofern muss man wohl zumindest einem Teil der Leser zugestehen, dass sie sich tatsächlich für kluge Analysen, Essays und Reportagen interessieren - was mich als Journalisten natürlich sehr freut.

    2. Michael Lemster
      Michael Lemster · vor mehr als 8 Jahre

      Ich gucke – wenn überhaupt – nur Nachrichten, Kultursendungen und Naturdokus. Warum sollte ich sonstwas sehen?

    3. Gurdi (Krauti)
      Gurdi (Krauti) · vor mehr als 8 Jahre

      @Michael Lemster Der Rest ist echt Müll. Obwohl ich unsere Nachrichten in Deutschland auch ziemlich schlecht finde. ich schaue mittlerweile lieber das ORF oder France 24. Außer Phönix "der Tag" ist dass sonst alles ziemlich schlecht.

  2. Christoph Weigel
    Christoph Weigel · vor mehr als 8 Jahre

    "...Und zeigen: User-Feedbacks sind für die Qualitätssteigerung im Journalismus produktiver...". in dieser aussage find ich mich wieder. als user.

    1. Gurdi (Krauti)
      Gurdi (Krauti) · vor mehr als 8 Jahre

      Die Medien unter sich dass debattieren zu lassen scheint ja wenig Erfolg gehabt zu haben. Das sieht man auch wunderbar am hans Joachim Friedrich Preis. Der Zuschauer hat schon zumindest für etwas Verbesserung gesorgt wie ich finde.

  3. Gurdi (Krauti)
    Gurdi (Krauti) · vor fast 9 Jahre

    Der prinzipielle Ansatz vom Tagesanzeiger scheint mir ein guter zu sein.

  4. Magdalena Taube
    Magdalena Taube · vor fast 9 Jahre

    Cool, danke!

  5. Christoph Zensen
    Christoph Zensen · vor fast 9 Jahre

    Wenn ich das richtig verstanden habe, hat 12App ein mit piqd vergleichbares Konzept. Hat man hier ähnliche Erfahrungen gemacht? Haben diese Ergebnisse Auswirkungen auf piqd?

    1. Simon Hurtz
      Simon Hurtz · vor fast 9 Jahre

      Das kann ich dir leider nicht weiterhelfen, von der App weiß ich gar nichts und habe sie noch nie ausprobiert. Für mich klingt das Konzept allerdings nicht allzu ähnlich zu Piqd.
      Die Idee, Texte zu kuratieren, ist ja nicht allzu neu; das machen viele. Für die 12-App suchen Tamedia-Journalisten Tamedia-Texte - genau dasselbe machen etliche Online-Medien in ihren täglichen Newslettern. Das Alleinstellungsmerkmal von Piqd sind für mich die Vielfalt der Piqer, die daraus resultierende Themenmischung und die Diskussion über die Piqs. All das fehlt in der Tamedia-App.

    2. Christoph Zensen
      Christoph Zensen · vor fast 9 Jahre

      @Simon Hurtz Die Analogie liegt im Kuratieren und Bewerten. Klar gibt es auch Unterschiede, aber die betreffen die Sache doch gar nicht.

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