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Medien und Gesellschaft

Warum der "Journalist" 32 Fragen an Gabor Steingart veröffentlicht – und keine einzige Antwort

Simon Hurtz
Journalist, Dozent, SZ, Social Media Watchblog

Mag es, gute Geschichten zu erzählen.
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Mag es, gute Geschichten zu teilen. Das tut er hier.
Mag es gar nicht, in der dritten Person über sich zu schreiben.

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Simon HurtzMittwoch, 02.10.2019

Die Webseite des Medienmagazins Journalist ist optisch und funktional nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Es gibt keine Mobilversion, und auf größeren Monitoren sieht das nicht-responsive Design antiquiert aus. In dieser Hinsicht ist das Interview mit Gabor Steingart ein Gewinn: Es enthält eine Menge modernen Weißraum.

Damit hören die guten Nachrichten aber schon auf. Eigentlich passt das düstere Schwarz viel besser, mit dem die Redaktion Steingarts Aussagen in der Printausgabe unkenntlich gemacht hat. 32 Fragen, keine Antwort – weil Steingart im Nachhinein nicht mehr zu dem stehen wollte, was er gesagt hatte.

Eine Stunde habe Journalist-Autorin Catalina Schröder Anfang September mit Steingart gesprochen, schreibt Chefredakteur Matthias Daniel. Als das Magazin das Interview autorisieren lassen wollte, habe Steingart eine Version zurückgeschickt, "die mit dem tatsächlich geführten Gespräch an vielen Stellen nichts mehr zu tun hatte".

Das wiederum lehnte die Redaktion ab. Mehrere Verständigungsversuche scheiterten, bis Steingart schließlich über seinen Medienanwalt Christian Schertz mitteilen ließ, dass er seine Antworten komplett zurückziehe.

"Die Eingriffe von Steingart hatten mit Autorisierung nichts zu tun. Ich sehe sie als Versuch, Gesagtes im Nachhinein um- und neuzuschreiben", sagt Daniel. Steingart habe sogar versucht, in die Fragen der Autorin einzugreifen und diese zum Teil umzudichten.

Das ist schade. Die Fragen klingen nach einem interessanten, kritischen Gespräch. Ich hätte gern gewusst, was Steingart hierzu sagt:

Auf der Website Ihrer Firma Media Pioneer steht: "100% Journalismus. Keine Märchen." Erzählen außer Ihnen alle Medien Märchen?

Oder wie er sein Treffen mit Steve Bannon begründet. Oder wie er auf meine Lieblingsfrage reagiert:

Sie lassen gerade ein Schiff bauen, das ab Frühjahr 2020 Ihr Redaktionssitz werden soll und täglich auf der Spree fahren soll. Wieso braucht Journalismus ein Schiff?
Warum der "Journalist" 32 Fragen an Gabor Steingart veröffentlicht – und keine einzige Antwort

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Kommentare 13
  1. Reinard Schmitz
    Reinard Schmitz · vor 5 Jahren

    Bis auf den unnötigen Hinweis auf das angeblich nicht zeitgemäße Seitendesign des journalist-Webauftritts ist alles ok.

  2. Jan Paersch
    Jan Paersch · vor 5 Jahren

    Ich sehe das zwiespältig. Autorisierung ist meines Erachtens notwendig, um Fehler, die beim Abtippen, Kürzen, Verdichten passieren, auszumerzen. Es ist, zumindest bei Interview-Ungeübten, auch verständlich, dass diese gesagte Dinge zurücknehmen wollen. Das darf aber natürlich nicht ausarten. Was ich schon kämpfen musste!

    1. Hristio Boytchev
      Hristio Boytchev · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

      Wie gesagt. Sollte man von mir aus machen dürfen, aber nicht müssen. Fehler kann man auch anders ausmerzen. Und man sollte eben in solchen Fällen einfach das ganze Interview drucken dürfen. Sonst ist man als Journalist*in einfach sehr erpressbar. Man kann nicht jede zweite Ausgabe ein Interview nur mit Fragen drucken.

  3. Hristio Boytchev
    Hristio Boytchev · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

    Das Problem ist auch diese Autorisierungspraxis insgesamt, die Interviewpartnern die Macht einräumt, nach dem Gespräch Aussagen oder eben das ganze Gespräch zu revidieren. Wie viele geschwärzte (siehe auch https://taz.de/!673398/ ) Interviews wollen wir lesen, bevor wir sie endlich abschaffen?

    1. Georg Wallwitz
      Georg Wallwitz · vor 5 Jahren

      Ohne den Autorisierungsvorbehalt würden kaum noch Interviews stattfinden. Und die, die stattfinden würden, bestünden nur noch aus Formeln.

    2. Hristio Boytchev
      Hristio Boytchev · vor 5 Jahren

      @Georg Wallwitz Das stimmt nicht. Im angelsächsischen Raum finden auch Interviews statt. Man nimmt es auf und druckt es dann. Im Übrigen: Auch im Fernsehen und im Radio finden Interviews nach diesem Prinzip statt, da gibt es nichts zu "autorisieren". Aber das ist eben das Problem, dass sich in Deutschland im Printjournalismus dieser Standard und diese Erwartungen durchgesetzt haben.

    3. Georg Wallwitz
      Georg Wallwitz · vor 5 Jahren

      @Hristio Boytchev Das stimmt, es scheint ein deutsches Phänomen zu sein. In der Tat ist die angelsächsische Presse nicht untergegangen, obwohl sie diese Praxis dort kein Standard ist. Allerdings liest man recht häufig bei den Angelsachsen, dass dieser und jener sich nicht zu dem Vorgang äußern wollte. Das mag miteinander zu tun haben. Wahrscheinlich gehen auf diese Weise der Welt einige Interviews verloren. Andererseits: ist das ein Verlust?

    4. Hristio Boytchev
      Hristio Boytchev · vor 5 Jahren

      @Georg Wallwitz Dass sich jemand zu etwas nicht äußern wollte, liest man natürlich manchmal auch hier. Sehe es aber ansonsten auch so: Besser kein Interview geben als es nachher sabotieren können. Hat auch etwas mit der Zeit der Journalisten zu tun.

    5. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor 5 Jahren

      @Hristio Boytchev Jein, man darf auch nicht übersehen, dass viele Interviews massiv umgeschrieben werden, um sie überhaupt lesbar zu machen. Kaum jemand spricht halt druckreif. Allerdings scheint das ja nicht das Problem bei diesem Steingart-Interview gewesen zu sein.

    6. Hristio Boytchev
      Hristio Boytchev · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

      @Dirk Liesemer Genau. Das mit dem Umschreiben, das ist nach meiner Meinung nicht zwingend und es funktioniert in anderen Bereichen auch ohne. Kann man ja machen, wenn beide Seiten sich drauf einigen. Aber wenn es zu keiner Einigung kommt, soll man das rohe Interview veröffentlichen dürfen und das auch tun, statt geschwärzten Passagen. Online gibt es auch kein Platzproblem mehr. PS: Nach Relotius sollte man sich auch überlegen, ob massiv umgeschriebene Interviews Leser*innen noch als solche verkauft werden sollten.

    7. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor 5 Jahren · bearbeitet vor 5 Jahren

      @Hristio Boytchev Autorisierung hat aber den Vorteil, dass niemand sagen kann, das Interview sei gegen den eigenen Willen zugespitzt oder verzerrt worden. Zudem geht es bei Umschreibungen ja nicht um inhaltliche Veränderungen, sondern nur um stilistische Korrekturen.

    8. Hristio Boytchev
      Hristio Boytchev · vor 5 Jahren

      @Dirk Liesemer Das Problem wird auch durch die Audioaufnahme gelöst. Heißt zudem auch nicht, dass man nach einem Gespräch sich nicht mit Gesprächspartner*innen austauschen könnte, wenn man sich als Journalist*in unsicher ist, ob man überspitzt. Zu den stilistischen Korrekturen: Es wird trotzdem wird ein Kunstprodukt geschaffen, etwa der Eindruck von Eloquenz. Könnte man in der Branche überdenken, wo die Grenze zu ziehen ist.

  4. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 5 Jahren

    Wird Gabor Steingart reagieren? Was weiß DER JOURNALIST, dass dieses Blättchen so angriffslustig wird?

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