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Medien und Gesellschaft

Über "erschreckende Zahlen" beim Thema Beziehungsgewalt und eine Opfergruppe, die übersehen wird

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
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Dirk LiesemerSamstag, 24.11.2018

Vor einigen Tagen veröffentlichte der Journalist Georg Mascolo eine Selbstkritik in der Süddeutschen Zeitung, die gerne auch auf piqd hätte empfohlen werden können (hier via Blendle). Er schreibt dort über eigene Versäumnisse, den Wandel der journalistischen Fehlerkultur und zu viel Leichtfertigkeit bei der Übernahme oder Verwendung von Begriffen:

Zu oft wird ungeprüft übernommen, voneinander abgeschrieben, es werden nicht einmal die einfachsten handwerklichen Regeln der Überprüfung eingehalten. Bequemlichkeit und Herdentrieb ersetzen die Recherche. In diesen Tagen ist oft von „Handelskriegen“ zu lesen, dabei ist es ein Streit. Nur Krieg ist Krieg. Dinge sind „völlig unklar“ oder „völlig offen“, aber was bedeutet die Steigerung eines Zustands, der sich doch gar nicht steigern lässt?

Ein weiteres, aktuelles Beispiel thematisiert Thomas Fischer im gepiqten Text. Es geht um den Jahresbericht "Beziehungsgewalt" des Bundesfamilienministeriums und über die anschließende Berichterstattung, die sich ausführlich mit der häuslichen Gewalt gegen Frauen befasst. Fischer schreibt: "Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Alarmgeheul sachlich gerechtfertigt ist, die Ergebnisse der Untersuchung also zutreffend eingeordnet sind." Hierfür liefert er starke Argumente und kritisiert etwa zu Recht die Inflation eines Gewaltbegriffs, der nicht mehr deutlich zwischen körperlicher und struktureller Gewalt unterscheidet. Wichtiger aber ist ihm ein anderer Punkt: Während das Thema häusliche Gewalt gegen Frauen "künstlich aufgepeppt" werde, schweige man über diejenigen, die viel stärker unter dieser Gewalt litten: Kinder unter zehn Jahren.

Über "erschreckende Zahlen" beim Thema Beziehungsgewalt und eine Opfergruppe, die übersehen wird

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Kommentare 4
  1. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor fast 6 Jahre

    Wirklich ärgerlich - gerade wenn man nur die entsetzen Überschriften gelesen hat, fühlt man sich wirklich verarscht.
    Warum nicht einfach nur den Terminus "Beziehungsgewalt" benutzen.
    Aber klar - wenn dann nicht bezahlter Unterhalt auch unter "Gewalt" verbucht wird, dann ist es auch schon egal. Mir ist schon klar, dass nicht oder zu spät gezahlter Unterhalt sehr wohl eine "gewaltvolle" Aktion sein kann und ich habe mehrere Fälle im privaten Umfeld, in denen das auch so war. Trotzdem ist das Führen dieses Tatbestandes in einer Gewaltstatistik natürlich saudumm und es ist ärgerlich, dass ausgerechnet Thomas Fischer das journalistisch "markieren" muss.

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 6 Jahre

      Wer das markiert, ist mir letztlich egal. Mich ärgert vielmehr, wenn Journalisten und auch Journalistinnen die Sprachregelungen einfach so aus der Politik übernehmen und sich damit für politische Kampagnen einspannen lassen. Oder ja ohnehin zum Teil sehr gerne in einem Meinungsstrom mitschwimmen. Mehr Distanz, mehr Sachlichkeit ist auch oder gerade bei Themen notwendig, die einem selbst wichtig sind. Das fehlt mir viel zu oft.

    2. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor fast 6 Jahre

      @Dirk Liesemer Ich unterschreibe beidhändig
      Mein "ausgerechnet Fischer" bezog sich darauf, dass ich es auch gerne gehabt hätte, dass von einer/m JournalistIn zu lesen.

    3. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 6 Jahre

      @Marcus von Jordan Ach so, ja, also das würde ich mir auch mal sehr wünschen - und das gilt keineswegs nur für dieses Thema.

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