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Medien und Gesellschaft

Social Bots essen Seele auf? Über die aufgewärmte Paranoia vor Bots

Alexander Sängerlaub
Publizist, Journalist, Utopist

Programmleiter Zukunft des Journalismus am Bonn Institute & Direktor futur eins

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Alexander SängerlaubDienstag, 18.12.2018

Die Union hat die Social Bots wiederentdeckt, aufgrund einer ominösen Studie des Berliner Unternehmens "Botwatch", das – wie auch immer – herausgefunden hat, dass 28 % aller deutschsprachigen Tweets zum Thema UN-Migrationspakt angeblich Social Bots seien. Die NZZ lässt zurecht kein gutes Haar an der Studie und zitiert u. a. den Social-Media-Analysten Luca Hammer: "An der Studie stört mich, dass sie nicht einmal in Auszügen einsehbar ist. Dadurch sind die Ergebnisse wertlos".

Damit fällt mal wieder ein weiteres düsteres Schlaglicht auf die ominöse Botforschung, vom Oxford Internet Institute bis zu Simon Hegelich, den schon der Datenjournalist Michael Kreil vor einem Jahr auf dem CCC-Kongress auseinandergenommen hat. Denn: Social Bots lassen sich bis heute nicht seriös messen (auch wenn es einige Fortschritte und neue bessere Tools gibt). Bis heute ist die unsinnige und willkürliche Definition noch immer in der Welt, dass jede/r, der mehr als 50 Tweets am Tag produziert, unweigerlich zum Bot wird.

Doch die eigentlichen Fragen werden selten gestellt: Welchen Einfluss haben Social Bots letztlich wirklich auf eine Debatte? Und schaffen sie es, manipulativ und disruptiv Debatten zu beeinflussen? Die meisten seriösen Forscher, denen ich begegnet bin, antworten bisher darauf eher mit "nein". Botswatch selbst verschleiert seine Methode mit dem Hinweis auf das "Betriebsgeheimnis" – auch das ist alles andere als "seriöse Forschung".

Klar, die Europawahl klopft an die Tür und nicht zu unrecht macht sich der/die ein oder andere Politiker/in Sorgen um Wahl(kampf)manipulation. Doch die Forderung einer Botkennzeichnungspflicht geht am Problem meilenweit vorbei – die großen Herausforderungen digitaler Öffentlichkeiten liegen jedenfalls woanders (Stichwort: Desinformation). Oder anders gesagt: Hinter den meisten Social Bots steckt in Wahrheit ein Troll.

Und einen weiteren politischen Schnellschuss, wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kann nun wahrlich niemand gebrauchen.

Social Bots essen Seele auf? Über die aufgewärmte Paranoia vor Bots

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Kommentare 5
  1. Silke Jäger
    Silke Jäger · vor fast 6 Jahre

    Hallo Alexander, kannst du zu diesem Satz "Hinter den meisten Social Bots steckt in Wahrheit ein Troll." noch ein bisschen mehr sagen? Was hast du dazu rausgefunden? Und wie genau definiert sich Troll inzwischen? Damit ist ja nicht mehr nur der Troll, den man aus den Zeiten der Internetforen kennt, gemeint. Ich lese inzwischen öfter von Trollbots. Das wäre wohl die moderne Definition des Trolls, oder?

    1. Alexander Sängerlaub
      Alexander Sängerlaub · vor fast 6 Jahre

      Sehr gern. Viel geht dabei aus dem Vortrag von Michael Kreil hervor, der BR hat das auch ganz gut verschriftlicht – ich verlinke mal zu dem Artikel des Bayerischen Rundfunks. Auch das Weizenbaum-Institut hat sich mit verschiedenen Definitionen von Bots beschäftigt und das anhand von Twitter-Daten getestet – je nach Tool schwankt die Anzahl der vermeintlichen Bots ca. von 4 bis 40 %.

      "Viel Gelächter im Saal gab es für Kreils Nacherzählung eines Teis einer ZDF-Doku über das Phänomen Social Bots. Professor Hegelich von der TU München sollte für die Doku-Macher Bot-Accounts identifizieren. Das tat der und fand: Egon Dombrowsky, vermutlich ein Bot. Nur: Dombrowsky stellte sich als etwa 50-jähriger ehemaliger SPD-Gemeinderat heraus, der für die AfD twittert, weil er findet, dass die eben recht hat.

      Peinlich für die Wissenschaft und für Teile der Medien, die Social Bots als große Gefahr für die Demokratie identifiziert hatten. Dabei will Kreil seine Analyse nicht als Fundamentalkritik verstanden wissen. “Ich weiß nicht was die Lösung ist,” sagt Kreil."

      https://www.br.de/nach...

    2. Silke Jäger
      Silke Jäger · vor fast 6 Jahre

      @Alexander Sängerlaub Herzlichen Dank, auch für diese schöne Geschichte. :) Botornot meint auch, dass ich mit 25 % Wahrscheinlichkeit ein Twitter-Bot bin. Ich gehe dann mal in mich und versuche das Bot-Viertel zu finden. Den Impact, den mein Twitter-Account hat, würde ich auch gerne mal einschätzen können, Bot hin oder her. Da fischen Mensch und Maschine gleichermaßen im Trüben, würde ich sagen. Vielleicht hilft ein zertifiziertes Influencer-Badge weiter? ;)
      Spaß beiseite: Ich lese mich mal ein. Danke für die Links! Und hier habe ich noch einen schönen Dreischritt zur Bot-Identifizierung gefunden (der auch wieder nicht in der Farge des Impacts weiterhilft, aber vielleicht zuverlässiger Bots identifizieren hilft, also den Nicht-Experten): http://scotorbot.scot/ Funktioniert nicht nur in Schottland ... Und man lernt: Die Schotten kennen Luca Hammer. :)

  2. Stephan Russ-Mohl
    Stephan Russ-Mohl · vor fast 6 Jahre

    Jüngste Forschungsarbeiten sehen das etwas anders, lieber Alexander Sängerlaub, und übrigens ein paar Tage zuvor auch die NZZ (in einem Beitrag aus meiner Feder...): https://de.ejo-online....

    1. Alexander Sängerlaub
      Alexander Sängerlaub · vor fast 6 Jahre

      Mein Punkt ist, dass die bloße Existenz von Bots nach wie vor wenig bis nichts über ihre letztliche Wirkmächtigkeit aussagt. Die Studien, die sie in ihrem eigenen Text zitieren, stützen das ja sogar: So schreiben Klinger/Keller "The results revealed that the share of social bots increased from 7.1% before to 9.9% during the election campaigns. The percentage of active social bots remained roughly the same. An analysis of the content distributed by both the most popular and the most active bots showed that they disseminate few political hashtags, and that almost none referred to German politics."

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