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#ViewFromSomewhere #MovementJournalism
Das war keine gute Woche für mich. Der Weg zu einem besseren Journalismus ist noch weit, aber immerhin ist die Kritik jetzt immer häufiger an der richtigen Adresse: Bei den Chefredakteuren und bei den Verfassern von journalistischen Lehrbüchern (siehe auch: die Kritik an Kelly McBride).
Die DLF-Landeskorrespondentin für Mecklenburg-Vorpommern, Silke Hasselmann, hatte einen Beitrag produziert, in dem sie den Standpunkt vertrat, dass niemand aus dem Flüchtlingslager Moria nach Deutschland evakuiert werden dürfe, solange der Verdacht im Raum steht, dass der Brand von einigen Bewohnern des Lagers gelegt wurde.
Den treffendsten Kommentar zu dieser zynischen Haltung hat Jagoda Marinić von der SZ formuliert (Danke für den Hinweis René Martens):
Bei welchem Thema bringt man nen Text, der sagt: Wenn ein Haus brennt, wird keiner gerettet, solange nicht klar ist, ob es der Nachbar war. So viel bullshit geht nur bei Migration. – Twitter
Jedenfalls wurde der Beitrag von Silke Hasselmann am vergangenen Freitagabend kurz hintereinander auf Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur gesendet. Den Kommentar in Auftrag gegeben hatte die Redaktion „Zeitfunk” des Deutschlandfunks. Die Redaktion hat einen Abteilungsleiter Friedbert Meurer (Hier ein Interview mit ihm zum Thema) und über ihm steht dann eben noch die Chefredakteurin Birgit Wentzien.
Silke Hasselmanns Kommentar hat nicht zuletzt innerhalb des eigenen Hauses viele Journalisten empört, von denen sich viele auch öffentlich äußerten: Thilo Schmidt, Marcus Richter, Ann-Kathrin Büüsker, Sandro Schröder
Schäme mich für die Kollegin, die menschenverachtende Kackscheiße zu #Moria kommentiert. Schäme mich für die Redaktion, die den Kommentar mit dieser Argumentation & Wortwahl (“Selektion”) durchwinkt. Schäme mich, dass daraus ein Share Pic gebaut wurde. – Sandro Schröder
Für mich war die wichtigste Frage in der Debatte, ob der Beitrag – wie Rene Martens es sehr treffend formuliert hat – noch Teil eines ideologischen Spektrums ist, dass eine Abbildung im Programm verdient.
Doch diese Frage nach den Grenzen des legitimen Meinungsspektrums scheint für Birgit Wentzien gar keine zu sein. Sie entscheidet sich tatsächlich für die radikale Position, dass es solche Grenzen schlichtweg nicht gibt. Der Deutschlandfunk solle – laut Wentzien – ein Spiegel der Gesellschaft sein und alle existierenden Meinungen und Kommentierungen abbilden.
Kann sie das ernst meinen? Die Welt und die Gesellschaft in allen existierenden Meinungen spiegeln? Etwa auch die dümmsten Stammtischparolen? Auch Verschwörungsmythen? Schließt das auch homophobe Einstellungen ein? Was mit sexisitischen und rassistischen Meinungen?
In verschiedenen Interviews betont Birgit Wentzien auf die Frage, ob ethische Grenzen verletzt wurden, dass es sich bei Hasselmanns Kommentar um eine mögliche Meinung handelt. Und sie findet, dass damit alles gesagt sei. Ihr Kollege Dieter Kassel formuliert diese Idee vollends aus: „Aber es ist doch eine mögliche Meinung, muss es dann nicht möglich sein, die auch in einem öffentlich-rechtlichen Sender so zu veröffentlichen?”
Es ist zum Verzweifeln. Ich finde es ja schon schlimm, dass sich eine Korrespondentin des Deutschlandfunks so eine Meinung zu eigen macht und dass die Zeitfunk-Redaktion diesen Kommentar akzeptiert und sendet. Aber es nervt mich tierisch, wie die Verantwortlichen sich zieren, überhaupt über das Thema Diskursgrenzen zu sprechen.
Deswegen ist es auch allzu passend, dass Birgit Wentzien, wenn sie über die Grundlagen journalistischer Standards spricht, diese als Handwerkskarton bezeichnet. Nicht Handwerkskoffer, nicht einmal Handwerkskiste, sondern Handwerkskarton. Ich habe auch so einen Handwerkskarton im Keller. Und da kommt all das Werkzeug rein, das nicht mehr zu gebrauchen ist, das ich aber nicht übers Herz bringe, einfach wegzuschmeißen.
Also, liebe Birgit Wentzien: Schmeiß deinen alten Handwerkskarton auf den Müll und besorg dir anständige Werkzeuge. Zum Beispiel bei Samira El Ouassil: Framing in der Debatte um Moria oder bei Jürgen Zimmerer: Moria, Sprache und Moral. Warnung vor der Diskursverschiebung. Das Interview mit dem Historiker Jürgen Zimmerer ist der Piq.
Quelle: Jürgen Zimmerer und Dieter Kassel Bild: pexels.com @polin... srv.deutschlandradio.de
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Hier ein link zum Kommentar: https://www.deutschlan... und die wesentliche Stelle (muss man echt suchen in der ganzen Aufregung):
„Doch zumindest solange der begründete Verdacht im Raum steht, dass einige Lagerbewohner nicht nur die Löscharbeiten behindert, sondern die Feuer selbst gelegt haben, darf Deutschland niemanden von dort herholen. Auch keine unbegleiteten Minderjährigen. Denn abgesehen von der immer schwierigen Frage, wer eigentlich wonach entscheidet, wer ausgewählt wird, stellt sich die Frage, welche Botschaften das in die Welt senden würde.* Eine auf jeden Fall: Brandstiftung kann sich lohnen! Das gewissenlose Inkaufnehmen von Opfern ginge ja quasi als Notwehr gegen die Unbarmherzigkeit der Europäischen Union durch; sehr zur Nachahmung empfohlen!
Nein: Schicken wir das Technische Hilfswerk nach Griechenland und bauen wir ein menschenwürdiges Auffanglager. Doch Brandstifter gehören nicht auch noch belohnt, wie verzweifelt sie auch immer gewesen sein mögen.„
Ich würde das nicht als unmögliche Meinung bezeichnen. Alle Meinungen müssen möglich sein. Das ist ein für die Demokratie wesentliches Grundrecht. Unliebsame Meinungen muss man ertragen. Strafbares kann ich nicht erkennen. Dort wäre für mich die Grenze. Unschlüssig finde ich das Argument zu Auswahl. Nachvollziehbar das Argument mit der Botschaft.
Ist jetzt nicht so weit weg von Herrn Kurz: (https://tvthek.orf.at/...).
Man kann ohne weiteres die Gegenmeinung vertreten, aber ich finde, dass man diesen Kommentar aushalten muss, und halte die Entrüstung für übertrieben. Auch die Reaktion von Birgit Wentzien ist absolut richtig. Hätte sie das Gegenteil getan und Frau Hasselmann „diszipliniert“ oder ähnliches, bin ich fast sicher, das spätestens das Bundesverfassungsgericht die Meinungsfreiheit hier durchgesetzt hätte.