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Medien und Gesellschaft

Die Lingustinnen Pusch und Trutkowski streiten übers Gendern

Dirk Liesemer
Autor und Journalist
Zum Kurator'innen-Profil
Dirk LiesemerDienstag, 31.08.2021

Bei Streitgesprächen übers Gendern lassen Medien gerne einen älteren Mann, der natürlich contra ist, gegen eine junge Frau antreten, die sich vehement dafür ausspricht. Damit wird zugleich das Bild kreiert, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich Genderschreibweisen durchsetzen.

Hier nun in diesem recht ausführlichen, kostenpflichtigen GEO-Doppelinterview hat die Redaktion auch über die Auswahl der Diskutanten genauer nachgedacht, was das Gespräch schon einmal erfrischend macht: Die feministische Lingustin Luise Pusch, geboren 1944, verteidigt das Gendern gegen die dreißig Jahre jüngere Sprachwissenschaftlerin Ewa Trutkowski. Wie gut ihr das gelingt, möge jeder selbst entscheiden.

Auf die Frage, ob sie Lingustin, Feministin oder Sprachaktivistin sei, antwortet Pusch:

Ich bin Sprachwissenschaftlerin. Und die Frauenbewegung hat mich sozusagen aktiviert. Ich habe zuvor lange zu den Frauen gesagt: Habt euch nicht so. Aber dann bin ich von der Saula zur Paula geworden. Ich habe mich für einen Aufsatz mit dem Thema beschäftigt und dann gemerkt, dass alles noch viel schlimmer ist, als bis dahin behauptet wurde. Ich habe durch intensives Studium erkannt, was das Deutsche für eine fürchterliche Männersprache ist. Seitdem habe ich versucht, diesen Protest der Frauen zu begleiten und sprachwissenschaftlich zu fundieren.

Und Trutkowski antwortet auf die viel diskutierte Frage, ob Sprache überhaupt unsere Realität verändern kann:

Für die Sapir-Whorf-Hypothese, der zufolge Sprache das Bewusstsein prägt, gibt es keine wirklich einschlägige Evidenz. An erster Stelle steht die Realität, und dort muss sich etwas verändern, gern auch durch role models – wobei ich der Meinung bin, dass auch hier die Geschlechtlichkeit überbewertet wird: Warum sollte nicht auch ein Mann oder eine inter- oder transsexuelle Person ein role model für mich sein können?

Interessant ist auch diese Kontroverse über eine bestimmte Art von wissenschaftlichen Studien, die auch in vielen Medien gerne als Beweis für die Sinnhaftigkeit des Genderns zitiert werden:

Pusch:

Aber es ist tatsächlich so, dass mehr an Frauen gedacht wird, wenn sie erwähnt werden. Das haben viele Assoziationsstudien nachgewiesen.

Darauf Trutkowski:

Dieser psychologistische Bedeutungsbegriff ist problematisch – denn Bedeutung ist viel mehr als Asso­ziation. Assoziationen sind subjektiv und kontextabhängig. Durch solche Studien werden Bedeutungen in Haupt- und Nebenbedeutungen kategorisiert und gewichtet. Aber wir können doch nicht sagen, dass ein bestimmtes Wort – nehmen wir zum Beispiel „Bank“ – nur noch Geldinstitut bedeutet, bloß weil wir in den meisten Fällen an das Geld und nicht an die Sitzgelegenheit denken.

Am Ende geben sich beide Lingustinnen zuversichtlich, dass ihnen die Zukunft recht geben wird – die Frage bleibt nur, welche Sichtweise gewinnt: Wird sich das Gendern durchsetzen, weil sich dadurch alle Gruppen sprachlich repräsentiert sehen? Oder siegt am Ende doch wieder das generische Maskulium, auch weil es schlicht die kürzere und damit ökonomischere Form ist?

Die Lingustinnen Pusch und Trutkowski streiten übers Gendern
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