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Medien und Gesellschaft

Das Drama mit dem Klima – wie gelingt gute Klimaberichterstattung?

Alexander Sängerlaub
Publizist, Journalist, Utopist

Programmleiter Zukunft des Journalismus am Bonn Institute & Direktor futur eins

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Alexander SängerlaubFreitag, 04.09.2020

Als Menschheit haben wir derzeit so viele Probleme gleichzeitig (Trump, Corona, Klimakrise, Geopolitik, etc.), dass es uns in der Öffentlichkeit manchmal schwer fällt, auf die wichtigen Themen zu fokussieren und dran zu bleiben. Wie eben bei der Klimakrise – die leider schon wieder aus dem Blickfeld des Journalismus und damit auch des politischen Handels in den Corona-Hintergrund gerückt ist.

Das hat nicht nur damit zu tun, dass unser derzeitiges Konzept von "Öffentlichkeit" eher einem hysterischer Wellenritt von Themenwelle zu Themenwelle gleicht, anstatt wir uns konzentriert und dauerhaft auf das fokussieren, was ebenfalls durchgängig wichtig ist. Es gibt aber noch ein paar mehr Probleme, von denen der Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens in diesem großartigen Interview im Medienfachmagazin "Der Journalist" berichtet.

Ich habe mal angefangen, weil ich erzählen wollte, wie schön die Welt ist. Und inzwischen fühle ich mich wie ein Kriegsberichterstatter.

– beginnt Steffens das Interview und macht ein paar Kernknackpunkte der Probleme des Wissenschaftsjournalismus (am Beispiel Klimakrise) fest, die es lohnt sich einmal genauer anzuschauen:

  • Durchdringen mit den richtigen Narrativen: Warum wir bei Corona entschlossener handeln (und eben auch entschlossener berichterstatten), als bzw. bei Umweltverschmutzung (der jedes Jahr laut WHO/NASA auch 9 Mio. Menschen zum Opfer fallen), erschließt sich Steffens nicht. Auch die Wahl der Begriffe ist wichtig: Wie der Guardian, der in der Redaktion durchgesetzt hat, bspw. von "climate crisis" anstatt "climate change" zu schreiben. In Deutschland: klappt das nicht so. Zu der Frage der Narrative kommen aber auch Fragen nach Konstruktivem Journalismus hoch: Wie kann man über die Klimakrise auch außerhalb der "ökokalyptischen Untergangsgesänge" berichten? Man ahnt es: lösungsorientierter und in dem man eben auch die Chancen des Umdenkens (z.B. für die Wirtschaft) betont und aufzeigt.
  • Problematik von Statistiken: Das Dilemma kennen wir eigentlich überall – wer Zahlen eben nur in Ausschnitten anguckt und diese nicht in Perspektive setzt, kann mit Statistik eben auch den Teufel beweisen. (m.E. wäre eine statistische Grundausbildung von Journalistïnnen eigentlich Grundvoraussetzung nicht nur im Wissenschaftsjournalismus)
  • Pro-Contra-Berichterstattung: Beim Thema Klimakrise hat es einfach keinen Sinn den Verschwörungsgläubigen und der Frage, ob es überhaupt die menschgemachten Klimakrise gibt, immer wieder Raum einzuräumen. (Machen wir ja bei anderen Themen auch nicht: Coronavirus – gibt es überhaupt Viren? Olaf Scholz – ist er überhaupt ein Mensch oder Reptiloid? / um mal die Absurdität der Diskussion aufzumachen.) Steffens Tipp: Redaktionen sollten vom wissenschaftlichen Common Sense aus starten zu berichten: Die Krise ist da, real und wir sollten uns kümmern.
  • Gewichtung: Ob genug über das Thema berichtet wird, ist Steffens skeptisch, allerdings gibt es ja nicht nur die Klimakrise, sondern auch eine Menge anderer Themen, die unmittelbar damit zusammenhängen und deren Konsequenzen wir noch kaum in der Berichterstattung und damit auch nicht auf dem Schirm haben:  Wie das Artensterben.
  • Vermischung von Journalismus und Aktivismus: Steffens ärgert, dass er, nur weil er über die Klimakrise berichtet, ständig als Umweltaktivist vorgestellt wird. Wer in der Politikredaktion über Demokratie schreibt, sei ja auch kein Politaktivist.

Das Interview macht viele kluge Gedanken auf, was grundsätzlich in der Art und Weise, wie wir unsere Öffentlichkeit gebaut haben, schief läuft. Gerade beim Thema Klimaberichterstattung gibt es derzeit aber auch interessante Projekte, die versuchen den Blick aufs Klima dauerhaft zu verankern. Wie das Crowdfunding-Projekt KLIMA° vor acht, das die Rundfunkanstalten auffordert, Berichterstattung zur Klimakrise prominent und regelmäßig ins Programm zu nehmen (wie Börse vor acht).

Das Drama mit dem Klima – wie gelingt gute Klimaberichterstattung?

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Kommentare 1
  1. Christoph Zensen
    Christoph Zensen · vor 4 Jahren

    Um besser zu verstehen, wann ein Journalist als Aktivist oder nicht gelabelt wird, hilft mir immer das Model der Hallin-Sphären: https://de.m.wikipedia...

    Nach dem Modell teilen Redaktionen die Welt in drei Sphären ein.

    In der Sphäre der Konsens wird ein Fürsprechen gar nich als solches wahrgenommen und behandelt. Zum Beispiel: Für eine geringe Arbeitslosigkeitsquote, für die Pressefreiheit, gegen Krieg und int. Spannungen, gegen Hunger und Kinderarmut, für hohe Verkaufszahlen im Weihnachtsgeschäft des Einzelhandels.

    In der Sphäre der legitimen Kontroverse werden Fürsprecher als Aktivisten und Opponenten als Kritiker gelabelt. In dieser Sphäre sprechen viele Redaktionen selbst nur im Kommentar und lassen ansonsten Protagonisten von "beiden Seiten" fürsprechen.

    Das Problem: Viel zu viele Redaktionen platzieren die Klimakrise noch immer in die Sphäre der "legitimen Kontroverse" und nicht in die Sphäre des Konsens.

    Das Modell ist so ähnlich wie das bekanntere Overton-Fenster, aber viel griffiger :)

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