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Medien und Gesellschaft

Corona-Zahlen: Johns-Hopkins-Universität bedient sich bei Morgenpost, Tagesspiegel und Zeit Online

Simon Hurtz
Journalist, Dozent, SZ, Social Media Watchblog

Mag es, gute Geschichten zu erzählen.
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Mag es, gute Geschichten zu teilen. Das tut er hier.
Mag es gar nicht, in der dritten Person über sich zu schreiben.

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Simon HurtzDonnerstag, 09.04.2020

Anfang des Jahres hätten viele Menschen "Johns-Hopkins-Universität" (JHU) für einen Tippfehler gehalten. Mittlerweile wissen die meisten, dass die private Uni in Baltimore tatsächlich von einem US-Amerikaner gegründet wurde, der Johns und nicht John hieß – weil der Name regelmäßig in etlichen großen deutschen Medien auftaucht.

Wenn Zeitungen, Radiosender oder die Tagesschau über die Ausbreitung des Coronavirus berichten, berufen sie sich oft auf die Fallzahlen der JHU. Die Angaben liegen fast immer über denen des Robert-Koch-Instituts, scheinen also aktueller zu sein. Doch woher stammen diese Zahlen? Welche Berechnung legt die JHU zugrunde?

Jochen Becker, Robin Hollstein und Marvin Milatz haben sich auf die Suche nach der Quelle begeben:

Wie eine Zapp-Recherche zeigt, bediente sich die Universität für ihre Corona-Zahlen zu Deutschland über weite Strecken beim Corona-Monitor der Berliner Morgenpost. (...) Nach mehrfacher Anfrage bestätigt auch die Johns-Hopkins-Universität die Quelle.

Die Morgenpost-Redaktion um Marie-Louise Timcke, die das Interaktiv-Team der Funke-Mediengruppe leitet, wusste lange Zeit nichts davon. Sie habe Mitte März nur durch Zufall herausgefunden, dass sich die JHU an ihrer Auswertung bedient: "Wann immer wir unsere Daten aktualisiert haben, hatte die Karte der JHU etwa zwei Stunden später exakt dieselben", sagt sie.

Neben der Morgenpost zapft die JHU noch zwei weitere deutsche Medien an, ohne sie darüber zu informieren:

"Wir haben zufällig Ende letzter Woche bemerkt, dass der aktuelle Wert auf Zeit Online identisch mit dem Eintrag bei der JHU für Deutschland war", erklärt Sascha Venohr, Chef des dortigen Datenjournalismus-Teams. Eine Benachrichtigung darüber seitens der JHU, habe man jedoch auch bei der "Zeit" nicht erhalten. Beim "Tagesspiegel" wusste man hingegen bis zum Anruf aus der Zapp-Redaktion nichts davon, dass es ihre Daten wohl bis zur Johns-Hopkins-Universität schaffen. Hier hatte man nur erfahren, dass ein Mittelsmann die Daten abgreift.

Der Zapp-Bericht entwirrt das Durcheinander aus diversen Originalquellen und Aggregatoren wie dem "Worldometer", ein auf Echtzeitstatistiken spezialisierter Datendienst, mit dessen Zahlen wiederum die JHU arbeitet. Auch wenn die Entstehung intransparent ist, sind die Zahlen wohl relativ verlässlich:

Bislang scheint es der Johns-Hopkins-Universität zu gelingen, größere Fehler, wie etwa Mehrfachzählungen zu vermeiden. Grundlage ihrer Daten sind in allen von Zapp recherchierten Fällen offizielle Meldestellen und seriöse Erhebungen.

Zahlen und Statistiken sind in der aktuellen Situation wichtig. Sie bilden die Grundlage, auf der Wissenschaftlerïnnen Modelle aufbauen und Politikerïnnen  Entscheidungen treffen. Dennoch sollte man eins nicht vergessen:

But measures don’t just change stats, numbers and data. They have material consequences for people. (...) These are political questions, social questions, sometimes moral questions, not questions of mathematics or statistics.

Das schreibt Jürgen "Tante" Geuter in einem Essay, den ich als ergänzende Lektüre zu diesem piq empfehle. Er wünscht sich mehr als Grafiken, Dashboards und Diagramme: 

Numbers are sorta easy to come by these days. Everyone can load some raw numbers about infections into their software and create whatever. The exploding amount of armchair epidemiologists on twitter is proof. But making sense of what certain data sets and structures imply, what kind of political agenda the represent or effect they will cause is what we need journalism for. And right now I don’t feel very well informed.
Corona-Zahlen: Johns-Hopkins-Universität bedient sich bei Morgenpost, Tagesspiegel und Zeit Online

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