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Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Geheimnisvolle Fäden auf dem Cover verlockten mich. Sie versprachen eine Kulturgeschichte des Strickens, verfasst von der griechischen Autorin Katerina Schiná. Die Beziehung von Erzählen und Handarbeiten hat mich als schreibende Tochter einer strickenden und nähenden Mutter immer fasziniert. Schiná mischt Beispiele aus Geschichte, Psychoanalyse, Mathematik und Literatur mit zahlreichen Kurzinterpretationen von Werken und künstlerischen Interventionen vor allem griechischer Kunstschaffender. Die Autorin fügt Autobiografisches hinzu, flicht Zitate ein, folgt jedoch keiner geordneten Typologie. Die Nadeln des Aufstands sind vor allem eine Fundgrube für Einzelheiten. Die spannenden Passagen beziehen sich meist auf Kunstprojekte, wie etwa:
- Die Visualisierung digitaler Daten aus dem Arbeitsamt in Form gestrickter Motive;
- Die Bewegung des Craftivismus, einer Verbindung von Handarbeit mit politischem Aktivismus, die z. B. in kollektiver Anstrengung einen Panzer mit einer Decke aus rosa Strickflecken überzog. (Die pinken Pussyhats tauchten erst 2017 auf und finden in diesem – im Original 2015 veröffentlichten – Buch noch keine Erwähnung.)
- Der Pullover als Träger politischer Botschaften;
- Die Verwandlung von Wolle in Brot mittels Strickmaschinen;
- Ein virales Projekt, das gebrauchte Stricksachen auftrennt und zu neuen zusammensetzt.
Weiters fand ich im Buch einen Satz von Joseph Roth, in dessen Roman „Die Kapuzinergruft“ ein gewisser Graf Chojnicki seine Strickmanie mit
„Ich stricke die Monarchie“,
kommentiert, was kurz vor dem Untergang des Österreichisch-Ungarischen Reichs unglaublich rührend anmutet.
In Folge dachte ich darüber nach, wer wohl die Pullover, mit denen der Künstler Erwin Wurm berühmt wurde und die er Gegenständen oder auch Gebäuden überstülpt, strickt.
Beim Lesen kamen mir auch die tollen Fadeninstallationen der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota in den Sinn, die ganze Räume spinnwebenartig füllen, ihr Rot eine Erinnerung an Blut.
Außerdem fiel mir die Berliner Strickkünstlerin Claudia Skoda ein, die seit den 80er Jahren innovativ mit diesem Medium hantiert und kürzlich ihre Werke in einer großen Ausstellung zeigte.
Auch habe ich nicht gewusst, dass Samurais stricken konnten und angesichts des Niedergangs ihres Stands sich zum Teil den Lebensunterhalt damit aufbesserten. Nadeln statt Schwerter sozusagen. Das hatte mir die ganzen Jahre, die ich in Japan verbrachte, keiner erzählt.
Am besten aber gefällt mir das im Buch erwähnte Projekt Hyperbolic Crochet Coral Reef der Schwestern Margaret und Christine Wertheim, die an einer Synthese von
„Kunst, Wissenschaft, Mathematik, Meeresbiologie, Handarbeit und gemeinschaftlichem Tun“
arbeiten, indem sie die prachtvolle Vielfalt der sterbenden Korallenriffe mittels Häkelnadeln und bunten Garnen nachbilden.
Wer geordnetes Nachdenken über Schleifen und Fäden wünscht, sollte sich eher an Donna Haraway halten. Wen es nicht stört, diese Autobiografie einer Strickerin als Sammelsurium zu nutzen, der kann "Die Nadeln des Aufstands" durchforsten, um dann diese Gedanken weiterzuspinnen.
Katerina Schiná: Die Nadeln des Aufstands. Eine Kulturgeschichte des Strickens. Übersetzt von Doris Wille, Edition Converso, Bad Herrenalb 2021
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