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Quelle: privat
Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Fakt und/oder Fiktion, lautet die Frage, über die ich seit einiger Zeit nachdenke. Wie verarbeiten Autorinnen historische Geschehnisse in Literatur? Dazu holte ich ein paar Bücher aus der Bibliothek: Zwei Franzosen, die über Nazideutschland schreiben; eine Engländerin mit Faible für englische Könige, sowie einen Österreicher, der während der Nazizeit verfolgte Fahrende, sogenannte Jenische thematisiert.
Letzterer, Thomas Sautner, greift für den Kurzroman „Die Älteste“ auf Erzählungen des Nachkommen einer alten Frau zurück, welche nach dem Krieg als Heilerin in einer abgelegenen Gegend lebt. Die Geschichte spielt in der Gegenwart und beschreibt die Begegnung einer kranken Städterin mit der eigenartig wirkenden KZ-Überlebenden, deren Weisheiten jedoch tröstliche Effekte haben. Man erfährt dabei viel mehr über die Besucherin als über die Vergangenheit der Heilerin. Wie schade.
Die Engländerin Hilary Mantel beabsichtigt mit Romanen, wie „Wölfe“ und „Falken“, die Welt der englischen Herrscher sinnlich erfahrbar zu machen. Jeder verspeiste Bissen, jeder Geruchsschwall, der Faltenwurf am kostbaren Rock des Protagonisten wird durch Mantels intensiven Blick aus den verstaubten Archiven geholt. Einerseits gelingt es ihr damit, die Körperlichkeit geschichtlich verbürgter Personen in die Gegenwart zu transportieren, Andererseits erzeugt dieses Versessensein auf Details mit der Zeit auch Überdruss. Man muss die englische Königsgeschichte schon sehr lieben, um sie über Tausende Seiten verfolgen zu wollen. Dennoch ist Mantels Anliegen einzigartig. Herrlich auch ihre Analyse weiblicher Herrschaftskörper am Beispiel der Ehefrau von Prinz William, die im Grunde, so wie ihre Vorgängerinnen, bloß als Anziehpuppe und Gebärmaschine definiert wird. Trotzdem legte ich Mantels Romane bald beiseite.
Danach las ich den Prix-Goncourt-Preisträger Olivier Guez. In „Das Verschwinden des Josef Mengele“ beschreibt er den nach Südamerika abgetauchten Nazi-Arzt und seine ehemaligen Kameraden. Die Existenz dieser Verbrecher wird anfangs von diktatorischen Regimen und deutschen Behörden unterstützt, sodass sie ein halbwegs angenehmes Leben führen können. Der Kunstgriff des allwissenden Erzählers besteht darin, die Zusammenkünfte der Mörder in leichtem Ton zu schildern und bei ihrer Vorstellung jeweils in Klammern die Zahl der von ihnen Getöteten anzubringen. Diese Zahlen reichen von den Zehntausenden bis in die Hunderttausende und bewirken Schockmomente, bevor Guez dann mit der Schilderung banaler Einzelheiten fortfährt. Als es für Mengele enger wird, da Regime wechseln, landet er - immer unterstützt durch seine vermögende deutsche Familie - in Brasilien. Der Erzähler dringt ab nun mehr und mehr ins Innenleben des Verfolgten. Nach der Lektüre bleibt das Staunen über die Untätigkeit deutscher Behörden, aber auch darüber, wie man es als Autor erträgt, die Gefühle eines Massenmörders schreibend nachzuvollziehen. Warum wählte Guez gerade diese Darstellungsmethode? Hatte er sich von den detailreichen Schilderungen in Mengeles Tagebüchern verführen lassen?
Am besten gefiel mir Eric Vuillards schmales Buch „Die Tagesordnung“. Der Autor versucht erst gar nicht die dunkle Epoche deutscher Geschichte umfassend darzustellen, sondern konzentriert sich auf ausgewählte Szenen. Er macht Fiktion deutlich, indem er darauf verweist, dass seine Darstellung letztlich eine Bewertung und Einschätzung verschiedener Quellen ist. Vuillard zeigt die Konstruktion von Historie gemäß vorherrschender Interessen auf, indem er z.B. erst eine Fotografie interpretiert, daraufhin erwähnt, dass es im Archiv ein anderes Foto gebe, das mehr zeige, weil es im Gegensatz zu dem bekannteren Abbild beschnitten worden sei und damit seine Interpretation verändere. Der Autor spielt mit historischen Quellen, verlebendigt sie, lässt die Lesenden teilhaben am Entdecken und vergegenwärtigt so das vermeintlich längst Abgeschlossene. Denn die Geschichte reicht ins Heute, bis in unseren Alltag und an unsere Körper. Da die damaligen Vertreter der deutschen Industrie, wie BASF, Bayer, etc. dem Nazi-Regime willig zuarbeiteten und so ihre wirtschaftliche Macht festigten, sind wir alle weiterhin an deren Verbrechen beteiligt, indem wir ihre Produkte konsumieren, wie Vuillard meint.
„Sie sind hier unter uns, zwischen uns... Sie sind unsere Autos, unsere Waschmaschinen... Sie sind überall in Gestalt von Dingen....Sie heilen und bekleiden uns, fahren uns über die Straßen der Welt... lullen uns ein.“
Fakt und Fiktion verbinden sich zu einer eindrücklichen Erzählung. Geschichte muss gar nicht ausführlich erzählt sein, um fühlbar zu werden.
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