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Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).
Das Buch hatte ich mir leichtfertig wegen ein paar Filmkritiken am letzten Freitag bestellt, in denen es als Romanvorlage für den Film „Elle" mit Isabelle Huppert erwähnt wurde. Die Kritiken waren alle Hymnen, es ging um weibliche Subjektivität und Sexualität, eine Vergewaltigung, bei der das Opfer die Tat irgendwie gegen den Täter wendete, und möglich war auch, dass der Film vielleicht nur eine Satire auf einen französischen Film sein könnte (oder das Milieu, um das es in französischen Filmen geht). Aber was heißt schon „nur"?
Von Philippe Djian wusste ich vor allem, was mir ein befreundeter Autorenfußballer, den ich wegen seiner eleganten Erscheinung (immer im Herrenschal von Thomas I Punkt) und seines Musikgeschmacks intern unter der Dusche gern „Bryan Ferry" nannte, über ihn erzählt hatte. Wir saßen in einem Ostberliner Vereinsheim und es ging um prägende Lektüre-Erfahrungen: Wenn du stellvertretend für dein Lese-Leben nur ein Buch nennen solltest ...
Bryan Ferry meinte: ganz klar, Philippe Dijan. Und einen Romantitel, den ich mir nicht gemerkt habe (nicht „Betty Blue"). Dazu erzählte er eine Story, die eigentlich selbst schon der bessere Roman war. In den frühen Neunzigern wäre er mit seiner großen Jugendliebe in Thailand im Urlaub, auf einer der Ko-Inseln, gewesen. Die Freundin war eine bildhübsche Schauspielerin und es ergab sich, dass im Apartment nebenan ein Regisseur wohnte. In diesen Regisseur verliebte sich Bryan Ferrys Freundin - um die Story abzukürzen - sofort und zog umgehend aus Bryan Ferrys Apartment aus und beim Regisseur nebenan ein. Den Rest des Urlaubs verbrachte Bryan Ferry also allein und musste nachts durch dünne Wände dem Liebesspiel der beiden zuhören. Als er es nicht mehr aushielt, wanderte er durch die Straßen des thailändischen Ortes, bis er von einem einheimischen Pärchen mit Moped mitgenommen wurde. Sie fuhren an einen verlassenen Strand, wo der männliche Teil des Pärchens Bryan Ferry immer wieder versicherte, wie „beautiful" er ihn fand. „Beautiful, and sad." Dann bot der Thai im zunächst seine Freundin zum Sex an, danach sich selbst. Bryan Ferry sagte uns, dass er beides abgelehnt hätte.
Das war aber auch nicht das Entscheidende an der Story. Entscheidend wäre gewesen, dass er durch diesen Urlaub wie ein Protagonist in einem Philippe-Djian-Roman getaumelt wäre. Und das kam so: zum Lesen hätte er nur ein Sachbuch über Dramentheorie mitgehabt, auf das er in seinem Liebeskummer dann jedoch unmöglich zurückgreifen konnte. Aber seine Freundin hätte einen Roman von Philippe Djian eingepackt. Und diesen Roman, dessen Titel ich mir leider nicht gemerkt habe, ließ sie dann - immerhin - in Bryan Ferrys Apartment liegen, als sie nach nebenan in das Apartment des Regisseurs wechselte, so dass Bryan Ferry für den Rest des Urlaubs diesen Philippe-Djian-Roman las, wie er noch nie zuvor in seinem Leben einen Roman gelesen hatte (und auch nie mehr danach).
Als ich Bryan Ferry jetzt gestern auf „Oh..." ansprach, wusste er auf Anhieb Bescheid (jedoch nicht, dass es die Vorlage für „Elle" gewesen war) und erzählte mir die ziemlich krude Handlung ohne jede weitere Spoiler-Warnung vor.
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