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Literatur

Geld und Schuld

Thomas Durgeloh Oliva

Community piqer für: Literatenfunk, Volk und Wirtschaft, Zukunft und Arbeit, Wissenschaft und Forschung, Europa

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Thomas Durgeloh OlivaSonntag, 03.09.2017

Geld sei nicht nur das Schmiermittel jeder arbeitsteiligen Wirtschaft, sondern auch ein zentrales Bindeglied jeder bürgerlichen Gesellschaft. Doch ein Zuviel davon sei schädlich, denn „hypertrophe Finanzen“ verursachten „schwere Kollateralschäden“, so in Kürze zusammengefasst die zentrale Aussage des renommierten Ökonomen Raimund Dietz in seiner umfangreichen Abhandlung „Geld und Schuld“. Dietz hat nicht nur den Untergang des sowjetischen Sozialismus vorausgesagt, sondern bereits 2006 eine zu wenig beachtete Studie über die bevorstehende Finanzkrise verfasst.

In seinem neuen Buch, das finanzwirtschaftliche Zusammenhänge gut verständlich erklärt und nicht weniger als eine neue „Theorie des Geldes“ vorlegt, warnt der Autor vor den Verwerfungen des aus dem Lot geratenen, eben „hypertrophen“ Finanzsystems. Nach einer Beschreibung der Arten von Geld bzw. Vermögen (Assets) in der modernen Wirtschaft wendet sich Dietz dem Verhältnis von Geld und Schulden zu, die schicksalhaft miteinander verbunden seien. Dies nicht nur, weil das Vermögen des einen immer des anderen Schuld darstellt, sondern weil Finanzvermögen in Form von Kontrakten immer fiktiv sei („Von einer Forderung kann man nicht abbeißen.“ S. 189) und ihre Einlösbarkeit von der gesamtwirtschaftlichen Situation abhänge, „insbesondere vom Verhältnis der Gesamtvermögen zur gesamten Wertschöpfung der Welt“. Ein überproportionales Wachstum der Vermögen führe daher nicht zu einer Verbesserung, sondern zu einer Verschlechterung der Situation: „Das Risiko des Absturzes steigt. Einzelne können zwar auf Kosten anderer ihre Situation verbessern, niemals aber alle zugleich, und bei Überforderung leiden alle“.

Vermögen als Allmende, die nicht überweidet werden darf 

Während in euphorischen Phasen Banken und Publikum „ein bereits überhöhtes und weiter wachsendes Anspruchsniveau“ tolerierten, werde dann, wenn die Stimmung kippt, plötzlich sichtbar, „vor welchen Schuldentürmen man eigentlich steht“. Die Spirale, die sich vorher nach oben gedreht hat, weist plötzlich nach unten. „Es werden nicht nur Vermögen vernichtet, die Wirtschaft wird mit hineingerissen.“. Dietz spricht daher bei Vermögen von einer „Allmende“, bei der eben „Überweidungsgefahr“ bestehe. Die vielen Möglichkeiten der Verbriefung hätten zudem einer „Anonymisierung der Vermögenswerte“ Vorschub geleistet. Die „Emanzipation von der Relation von Gläubiger und Schuldner“, die einander ja nicht mehr kennen, habe zur Erzeugung einer „riesigen und gefährlichen Illusion“ geführt: „Die Gläubiger fühlen sich nicht mehr als solche, sondern sehen sich nur mehr als Eigentümer von Geldwerten“ (S. 199), was jedoch nicht zutreffe. Der Großteil der Vermögen bestehe in der modernen Wirtschaft jedoch nicht als Geld, sondern lediglich als „Anspruch auf Geld“ (S. 205). Da die Ansprüche ein Vielfaches von dem betragen, worüber die Geschäftsbanken verfügen, sei „die Einlösbarkeit individueller Forderungen davon abhängig, dass andere ihre Forderungen nicht einlösen“.

Den Hauptinstabilitätsfaktor sieht Dietz im permanenten Anwachsen von Vermögen und Schulden, woraus Konflikte entstehen. Denn: „Forderung und Schulden lassen sich leicht erzeugen, aber nicht so leicht aus der Welt schaffen“ (S. 208). In anderen Worten: „Läuft die Dynamik der Forderungs- und Schuldenmatrix der Expansion des Wohlstands weit voraus und überschreiten die akkumulierten Forderungs- und Verschuldungsgrößen einen kritischen Punkt, können die ihr zugrundeliegenden Verträge und Verpflichtungen nicht mehr bedient werden.“ (S. 209) Einer Rückführung der Schulden steht nach Dietz vor allem die wachsende Diskrepanz zwischen Arm und Reich – auf der Ebene der Subjekte wie der Staaten – entgegen. Da die Reichen ohnedies bereits alles haben, steige ihre Sparquote, der Konsum gehe zurück. Auf diese Weise würden die „Forderungen der Reichen“ immer rascher ansteigen als das Sozialprodukt. Da aber die Verschuldung der „Armen“ nicht in diesem Tempo weiter stattfinden könne, müsse der Staat – „er ist Repräsentant sowohl der Reichen als auch der Armen“ (S. 209) – einspringen und Extra-Ausgaben tätigen, die diesen aber „über die Jahre selbst in den Ruin treiben". Dietz sieht in der Überschuldung daher vor allem eine Verteilungsproblematik, die aus der inneren Logik von Vermögens- und Schuldakkumulation herrühre. Dasselbe gelte übrigens für Staaten, wo Überschussländer zwar kurzfristig reüssieren könnten, langfristig jedoch auch verlieren würden: „Hinter jedem Exportberg wartet ein Rezessionstal.“ (S. 210)

Redimensionierung des Bankensystems

Um das System zu retten und seiner eigenen Logik zu folgen, fordert Dietz eine Redimensionierung des Bankensystems (er nennt es „Kalibrierung“), eine Nachweispflicht der Finanzindustrie für den Nutzen neuer Finanzprodukte sowie den Übergang zu Vollgeld. Als wichtigsten Schritt fordert er die „Vernichtung von Vermögen“ (!). Dies könne geschehen durch Insolvenzen und Schuldenschnitte, durch Inflation, welche die realen Schulden verringere sowie drittens – und dafür plädiert der Autor vor allem – durch höhere Besteuerung der Vermögen, um damit die Staatsschulden verringern zu können. Dietz nennt es „Konfiskation der dysfunktionalen und überschüssigen Eigentumsgrößen durch die „Gemeinschaft“, die sich dadurch von der Schuldenlast befreien könnte, welche sie auf sich nahm, um das `System ́ zu retten.“ (S. 228)

Man starre heute wie gebannt auf die zu hohen Staatsschulden, mit denen zukünftige Steuerzahler belastet würden, doch getraue sich nicht zu fordern, dass der „wohlhabende Vermögensbesitzer, der mehr hat als er braucht“ (S. 229) die Hauptlast tragen sollte. Aber nur so könne die Wirtschaft wieder in Fahrt kommen und der Ausweg aus der Überschuldung gelingen. Der wahre Reichtum der Bürger bestehe darin, „einander zu dienen und zu verdienen“, was nur in einem funktionierenden Gemeinwesen möglich sei. „Nicht bedienbare Schulden können wir uns nicht leisten“, so der Autor pointiert, der das Abgeben von Vermögen den Reichen auch in ihrem eigenen Interesse nahelegt. Diese „Vermögensvernichtung“ müsse man „mit aufrechtem Gang“ hinter sich bringen; sie gelinge am besten, wenn man den Menschen Perspektiven vermittle. Denn diese bräuchten nicht „exzessive Vermögenswerte, sondern die Sicherheit, ihren Lebensunterhalt bestreiten und ihre Rechnungen bezahlen zu können.“ Keine noch so hohen Vermögenswerte können diese Sicherheit geben, „wenn das System selbst in Frage steht.“ 

Fazit: Eine einleuchtende Analyse und Schlussfolgerung eines durchaus bürgerlichen Ökonomen, dem es darum geht, den Kapitalismus zu retten und nicht ihn abzuschaffen. Ob die Botschaft von den Wirtschaftsberatern der Politik und Finanzkonzerne gehört wird, ist freilich offen. Wollen wir es hoffen!

Geld und Schuld

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Kommentare 1
  1. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor mehr als 7 Jahre

    Tolle Besprechung, tolle Zusammenfassung. Macht wirklich Lust es zu lesen und ich habe es gleich bestellt.

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