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Kurator'in für: Literatur forum Fundstücke
Journalistisch bisher hauptsächlich im Kulturbereich unterwegs für Tageszeitungen, Magazine und Onlineportale wie zum Beispiel den Musikexpress, MARE, FREUNDIN, den Münchner Merkur, die Hildesheimer Allgemeine Zeitung, Jetzt.de, PUBLIC, CURT, Zebrabutter.net, literarisch zum Beispiel für BLOCK. 2018/19 arbeitete sie als freie Autorin und Regisseurin für den Discovery Channel.
Als Teil des Autorinnenduos Franke und Flau aber auch immer wieder mit eigenen Programmen auf der Bühne zu sehen.
Seit Oktober 2019 ist sie Redakteurin bei piqd und seit September 2020 auch bei yourbook.shop. Außerdem ist sie Pressereferentin des Verlags Reisedepeschen.
Ich möchte Euch diesen Text aus der FAZ anpreisen, weil er einen Lyrikband feiert, der zu meinen liebsten gehört und man hier ein wenig reinlesen kann. Und dann werdet Ihr ihn auch gleich lieben und lieben ist so eine schöne Sonntagsbeschäftigung.
Es geht um Louise Glücks "Wilde Iris". Jaja, Nobelpreis und so. Kein Geheimtipp, klar. Aber zu der Zeit des Erscheinens vor 15 Jahren war noch die großartige Ulrike Draesner Louise Glücks Übersetzerin und dadurch kommt noch eine sprachliche Ebene hinzu, die sich lohnt aufzusaugen. Auch wenn man die Originalfassung vielleicht schon kennt.
Außerdem kann ich Euch hier noch ein paar Hintergrundinformationen anbieten. Denn als Louise Glück 2020 den Nobelpreis für Literatur erhielt, war ihre ehemalige Übersetzerin, die praktischer Weise einst auf piqd kuratierte (hier), aus alter Verbundenheit zu unserer Plattform sofort bereit mit mir zu telefonieren und von dieser Arbeit zu erzählen.
Leider ist das Interview, das ich damals mit Ulrike Draesner führte online nicht mehr abrufbar. Aber ich tippe Euch mal einen kleinen Auszug aus meinen Notizen ab.
Oder, was soll's, warum nicht gleich das ganze Ding?
Zuerst erschienen im nur sehr kurz existierenden Mojoreads Literaturmagazin.
Yvonne Franke: Es schien, als sei alle Welt überrascht, dass der Nobelpreis in diesem Jahr an Louise Glück geht. Nachdem Sie so tief in Ihr Werk eingetaucht sind, haben Sie vielleicht mehr damit gerechnet, als andere?
Ulrike Draesner: Ich war vollkommen überrascht. Ich saß im Zug und plötzlich klingelte das Handy und hörte überhaupt nicht mehr auf. Ich habe mich sehr gefreut. Zum einen für das Werk von Louise Glück aber auch für die Lyrik. Ich finde wichtig und schön, dass ein Lebenswerk wie ihres ausgezeichnet wird. Sie ist wirklich einen ganz eigenen Weg gegangen. Man hat erkannt, dass ihre Art des „nature writing“ in der die Pflanzen selbst anfangen zu sprechen, etwas ist, worüber wir heute im Anthropozän viel nachdenken. Also darüber, wie wir uns anders verbinden können mit den Lebewesen, die uns umgeben. Ihre Arbeit ist relativ leise. Sie hat sich nie etwas auf die Fahne geschrieben, ist keine laute Feministin. Aber ihre Gender-Überlegungen und das hübsche Usurpieren der Männerdomäne Lyrik, durch eine Frau, die die antiken Mythen übernimmt und neu interpretiert – das ist alles da. Lyrik ist eine immens starke Gattung, die etwas auf den Punkt bringen kann und die sehr politisch ist. Nicht auf eine laute Art, sondern auf eine fragende. Und jetzt rückt sie in den Vordergrund. Das finde ich am allerbesten an diesem Nobelpreis.
Wie kamen Sie dazu Louise Glück zu übersetzen?
Das war eine Kombination von zwei Dingen. 2006 hat der Verlag, Luchterhand, die Rechte an zwei ihrer Gedichtbände gekauft. Dann suchte man jemanden für die Übersetzungen. Man machte eine kleine Ausschreibung, sprach Übersetzer*innen an und bat sie eine Probeübersetzung zu schreiben. Ich habe mich dafür interessiert, weil ich, durch einen Zufall, 2005 auf einer Lesereise in den USA in einem Buchladen in Harvard Werke von Louise Glück entdeckt hatte. Ich fand ihre Stimme so eigen. Ganz anders, als das, was einem in der deutschsprachigen Lyrik begegnet. Ich bekam dann den Zuschlag für den Übersetzungsauftrag und so sind die beiden Bände dann entstanden.
Haben Sie eine Gemeinschaft gespürt zwischen der eigenen Arbeitsweise und der von Louise Glück? Warum glaubten Sie die richtige für diesen Übersetzungsauftrag zu sein?
Das kann ich nur aus meiner Innensicht beurteilen. Ich übersetze schon lange, habe Anglistik studiert und in England gelebt. Das Übersetzen aus dem Englischen ist etwas, das mich seit langem begleitet. Ich habe bemerkt, dass es am besten funktioniert, wenn ich etwas übersetze, dass meinem Schreiben gar nicht ähnelt. Dann gibt es eine fruchtbare Spannung. Außerdem ist die Versuchung nicht so groß die Dichterin, die ich übersetze zu mir selber zu machen. Also sie zu verfremden, indem ich zu viel von mir hineinstecke. Es muss etwas geben, das einen inhaltlich antriggert, ein sprachliches Interesse und eine Fremdheit. Das alles war da bei Louise Glück.
Inwiefern?
Ihre Themen sind ungewöhnlich. Sie ist sprachlich ganz anders als ich. Ihre Sprache ist zunächst mal ganz einfach. Das ist oft so in der anglo-amerikanischen Lyrik. Das hat viele Gründe, die mit der Sprache zusammenhängen und der Tradition. Das Vokabular ist relativ einfach. Manchmal gibt es natürlich auch Wörter, die auch ein Engländer nachschlagen müsste, aber im Prinzip ist die Sprache einfach. Es geht schnell, dass man in Glücks Gedichten einen bestimmten Raum betritt, eine Landschaft, einen Garten. Und dort trifft man auf ein, zwei oder drei Figuren. Es entsteht zunächst ein Bild, das bleibt und dann kommt Louise Glück und stellt eine Frage oder stellt etwas in Frage. Man legt diese Frage vor sich wie einen Ball und wenn man damit spielt tauchen ganz andere Bilder auf. Und auch die Frage selbst verändert sich. Louise Glück arbeitet oft in Zyklen und treibt darin philosophische und metaphysische Fragen voran. Sie forscht und das hat mir gefallen.
Wie erarbeitet man sich als Übersetzerin so ein komplexes Werk?
Glücks Arbeiten sind zum einen sinnlich, haben aber auch einen konzeptuellen, einen denkerischen Rahmen. Wenn man genauer anfängt damit zu arbeiten, erkennt man, dass dieser Rahmen sehr bewusst und geschickt gebaut ist. Es gibt viele Resonanzen auf die Lyrikgeschichte und auf antike Mythen. Sie bezieht sich auch auf Dantes Göttliche Komödie. Sie arbeitet mit vielen Echoräumen und beherrscht aber die Kunst, das nicht auszustellen. Das ist nie plakativ.
Und trotzdem muss man ja versuchen all diese Bezüge zu erkennen als Übersetzerin.
Das wäre günstig, ja. Ich habe bestimmt nicht alles erkannt. Meine Erfahrung hat geholfen. Entscheidend ist beim Übersetzen aber etwas anderes. Wenn man Einzelgedichte übersetzt, ist das schwierig genug. Dann hat man andere Fragestellungen. Wenn man aber ganze Bücher übersetzt, die eigentlich ein Zyklus sind, dann ist wichtig, dass man erstmal die Struktur erkennt und ihr folgt. Wenn das Wort „pflanzen“ auf Seite 12 vorkommt und auf Seite 40 wieder, muss mir das auffallen. Und dann kann ich überlegen, was ich damit mache. Ob es an der Stelle die gleiche Bedeutung hat oder nicht. Man kann sich eine ganze Wand voller Wörter vorstellen, die man im Kopf haben muss beim Übersetzen. Erst, wenn diese Arbeit getan ist, kann das entstehen, was man später auf der Oberfläche sehen kann.Deshalb dauert das Übersetzen so lang und ist notorisch unterbezahlt.
Kann diese Arbeit nur unterbezahlt sein?
(lacht) Ja, und literarische Arbeit kann auch immer nur unterbezahlt sein.Man wird gefragt: warum bekommt man dieses oder jenes Zeilengeld für so etwas Einfaches, wie zum Beispiel einen Satz wie „Did you really come?“ Den könnte doch jeder übersetzen. Es geht um die Arbeit die dahinter steckt, bis man überhaupt einen Punkt erreicht, an dem man entscheiden kann, wie man diesen Satz übersetzt. Die Gedanken, das Nachschauen, das Suchen.
Hat Louise Glück Sie darin unterstützt? Gab es eine Zusammenarbeit?
In „Wilde Iris“ kamen Pflanzen vor, die ich nirgendwo finden konnte. Das war auffällig, weil sie bisher nur Blumen beschrieben hatte, die wir alle kennen, wie Schneeglöckchen und Lilien. Da habe ich ihr zum Beispiel geschrieben. Ihre Antwort war: „Ja, diese Pflanze gibt es. Ich erinnere mich genau, dass ich die Knollen in einem Katalog gesehen habe. Das war in den 70er Jahren.“ Das half mir natürlich gar nicht dabei, die deutsche Übersetzung zu finden.
Was haben sie dann gemacht?
Ich habe sie als Goldlilie wörtlich übersetzt. Wahrscheinlich gibt es diese Züchtung heute gar nicht mehr. Das war ein langer Prozess, die Recherche hat ewig gedauert. Das sieht man der wörtlichen Übersetzung dann natürlich nicht an.
War das das einzige Mal, dass Sie miteinander kommunizierten?
Sie war sehr zurückhaltend und scheu. Alles musste über ihre Agentur laufen und nur per Mail. Ich konnte damit sehr gut umgehen. Mich haben die Texte interessiert und nicht primär die Person. Ich fand das sehr gut, dass sie es mir überlassen hat, es so zu übersetzen, dass die Menschen, die es hier lesen auch einen Anschluss finden. Wie soll sie sich auch einmischen, wenn sie kein deutsch spricht? Damit zerstört man eigentlich nur etwas.
Sie sind Übersetzerin schreiben aber auch selbst Lyrik und Belletristik.
Ich würde mich selbst gar nicht als Übersetzerin bezeichnen. Ich bin Schriftstellerin, ich bin Prosa-Autorin, ich bin Dichterin. Und ab und an, wenn mich etwas interessiert, übersetze ich auch etwas. Das zwingt mich dazu, mich neu an der Sprache zu reiben, sie neu zu bearbeiten.
Sicher ist das zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer einzuschätzen, aber vielleicht haben Sie schon eine Idee davon, was sich für Sie verändern könnte, nachdem Louise Glück der Nobelpreis verliehen wurde.
Keine Ahnung. Wäre ja schön, wenn auch mein Werk dadurch mehr Beachtung findet. Mein neuer Roman hat auch was mit Lyrik zu tun. Es geht um Kurt Schwitters. Ich würde mir auch wünschen, dass insgesamt mehr Lyrik gelesen wird. Es gibt ganz tolle Gedichte. In diesem Sommer ist zum Beispiel einiges erschienen, das sich mit Black Lives Matter Fragen befasst.
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH Bild: FAZ www.faz.net
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Ergänzend sei empfohlen:
Laute, Leute, Beute – oder: Wie übersetzt man Poesie?
Die US-amerikanische Lyrikerin Louise Glück erhält den Literaturnobelpreis 2020. Ihre Übersetzerin Ulrike Draesner erklärt, wie sie deren Texte ins Deutsche bringt: Übersetzen heisst verlieren – und daran wieder anbauen.
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