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Literatur

Dobler ist ein Phänomen: Und das ist keine Rezension.

Dobler ist ein Phänomen: Und das ist keine Rezension.

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtMittwoch, 09.12.2020

Dobler schrieb meines Wissens in den Neunzigern genau einen Roman, der hieß „Tollwut“ und ist in in der Edition Nautilus erschienen. Dieser Roman bringt den kleistschen Anarchismus, beziehungsweise den kohlhaasschen, mit der Wildheit des Western zusammen und versetzt ihn in die Bayrische Provinz. Es ist der späte Western, der desillusionierte und unversöhnte. Für mich war es DER Roman der Neunziger.

Ich wartete auf den nächsten, doch stattdessen erschienen Kurzprosa und eine Johnny-Cash-Biografie. Irgendwo las ich dann auch, dass Dobler sagte, er wolle sich dem Romanterror nicht unterwerfen. Und warum auch, die anderen Produktionen die Dobler auf den Markt warf, habe ich ebenfalls sehr gemocht.

Und jetzt also ist bei Starfruit ein Band mit Gedichten erschienen:

Ich will doch immer nur kriegen was ich haben will. Gedichte 1991 – 2020.

Im Band finden sich Fotografien von Juliane Liebert. Grandios abgestimmt, als würde den Dichter das gleiche Gefühl durchsickern wie die Fotografin.

Man kann diesen Gedichtband von Dobler nicht akademisch besprechen. Oder besser, ich kann es nicht, denn Doblers Literatur hat sich von Anfang an tief in mich eingegraben. Der Abstand ist gering. Und auch, wenn ich ihm nur ein einziges Mal begegnet bin, was eine kuriose Begegnung war, hat sie Spuren in meiner Seele hinterlassen.

Diese Begegnung fand übrigens um die Jahrtausendwende am Deutschen Literaturinstitut statt, als ich dort Student war, und vorgeschlagen hatte, ihn zu einer Lesung einzuladen. Und genau diese Lesung war eine Art Clash of Cultures. Dobler las seine Doblersche Kurzprosa und legte Platten auf, und im Saal saßen in der ersten Reihe die Professoren des Institutes, und zumindest bei einem der Professoren versteinerten die Gesichtszüge im Laufe des Abends immer stärker. Es war in den Anfangsjahren des Instituts, und zur Ehrenrettung des Professors wäre zu sagen, dass seine Haltung sich über die Jahre mehr und mehr lockerte. Ich kann ihn mir heute sogar in kurzen Hosen neben Dobler an einem Pool sitzend vorstellen.

Es war Anfang der Neunziger, da ich feststellen musste, dass das Herz der Rockmusik irgendwo in der Bayrischen Provinz liegt. Tennessee am Lech sozusagen, denn ich war auf einem Musikfestival in Landsberg gelandet. Dort spielte ein amerikanisches Ensemble, eine Gruppe, die Spoke hieß und später unter dem Namen Calexico bekannt wurde, und sie spielte eine derart relaxte, aber grandiose Musik, die sich aus kalifornischen und mexikanischen Einflüssen speiste, dass mir die Tränen kamen. Und es spielte die Kalifornierin Barbara Manning, die mir in der Pause eine Musikkassette mit ihrer letzten Platte schenkte. Am Tag zwischen den Konzerten waren wir, mein Kumpel Thilo und ich, im Landsberger Ratskeller Weißwurst essen. 

Auf diesem Festival las Franz Dobler aus seinem Lyrikband Jesse James und andere Westerngedichte. Ein Büchlein, das ich mir sofort kaufte. Die Texte daraus sind auch im vorliegenden Band enthalten.

Es war eine Lyrik, die mich aufgrund ihrer Einfachheit und Direktheit sofort gefangen nahm. Dabei hatten ihre Sujets eigentlich gar nichts mit meiner Lebenswelt zu tun. Zumindest nicht unmittelbar. Sie speisten sich eher aus Haltungen, die einzunehmen mir damals noch lang nicht gelang. Und ich würde mich jetzt um Kopf und Kragen schreiben, wenn ich Adjektive wie "kunstvoll-direkt" oder so kompilieren würde. Man muss die Gedichte lesen, unbedingt. Und natürlich auch die, welche in den letzten knapp 30 Jahren dazu gekommen sind.

Ein Text daraus geht übrigens auf den Gitarristen und mittlerweile auch Dichter und Schriftsteller HF Coltello zurück, mit dem ich selbst später einmal am Literaturinstitut auftrat, als sich die versteinerten Züge des Profs langsam entspannt hatten.

Aber wahrscheinlich/ war Jesse James' letzter Gedanke/ Scheiße/ oder einfach nur/ Mutter

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Kommentare 7
  1. Yvonne Franke
    Yvonne Franke · vor fast 4 Jahre · bearbeitet vor fast 4 Jahre

    Aber schau mal, das ist doch der Dobler: https://mojoreads.de/b... Ein Krimi!

    1. Yvonne Franke
      Yvonne Franke · vor fast 4 Jahre

      Und noch einer: https://mojoreads.de/b...

    2. Jan Kuhlbrodt
      Jan Kuhlbrodt · vor fast 4 Jahre

      @Yvonne Franke Dobler ist mit Friedrich Ani befreundet. Der ja auch coole Krimis schreibt. Und von Ani liegt hier ein Band mit Balladen. Auf den werde ich demnächst noch zurückkommen.

    3. Yvonne Franke
      Yvonne Franke · vor fast 4 Jahre

      @Jan Kuhlbrodt Ja, toll. Der Ani schreibt auch ganz gute Fernsehkrimis.

    4. Jan Kuhlbrodt
      Jan Kuhlbrodt · vor fast 4 Jahre

      @Yvonne Franke unbedingt. Das Glockenbachgeheimnis (bin mir nicht mehr sicher, ob der so hieß) war so ziemlich einer der besten Tatorte, an die ich mich erinnere.

    5. Jan Kuhlbrodt
      Jan Kuhlbrodt · vor fast 4 Jahre

      genau.

  2. Yvonne Franke
    Yvonne Franke · vor fast 4 Jahre

    Das überzeugt mich. Muss ich sofort haben.

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