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1981 in St. Petersburg geboren, kam 1992 mit ihrer Familie nach Deutschland. Mit ihrem Debütroman „Meine weißen Nächte“ (2004) wurde die damals dreiundzwanzigjährige Autorin als Entdeckung gefeiert, mit „Hochzeit in Jerusalem“ (2007) war sie für den Deutschen Buchpreis nominiert. Sie veröffentlichte weiterhin die Romane "Lieber Mischa", "Die Listensammlerin" und "Null bis Unendlich" sowie das politische Buch "Sie können aber gut Deutsch!" Sie schreibt Texte jeder Art, arbeitet an einem Roman, einem Film und vielen Ideen und lebt in München.
Ich weiß nicht, warum ich manchmal so gerne Jugendbücher lese. Ich weiß nicht, ob es eine Sehnsucht ist nach dieser Zeit, in der alles ganz schlimm oder ganz toll war, und man dachte, dass Gefühle kein Ende nehmen, nicht die ganz schlimmen und nicht die ganz tollen. In der man sich den Wind durch die Haare wehen ließ (auf dem Moped zum Beispiel, es konnte aber auch ein Fahrrad sein) und das Freiheit nannte und bei dieser Feststellung blieb. Ich weiß nicht, ob mir das Leben zu groß ist, oder das nur eine Überinterpretation ist, und ich einfach manchmal gerne Jugendbücher lese und niemandem, auch mir selbst nicht, eine Erklärung dafür schulde.
„every day“ ist jedenfalls ein Jugendbuch, ein Roman, in dem der Protagonist eine ganze Menge nicht weiß und gleichzeitig mehr weiß, als wir alle zusammen. A - das ist ein Name, den er sich selbst gegeben hat - ist schwer zu definieren und gar nicht zu beschreiben: Er ist eine Seele, ein Ich, ohne Körper, ein Etwas. Beschreiben lässt er sich deshalb nicht, weil er jeden Tag anders aussieht. Sprich: A, sechzehn Jahre alt, geschlechtslos, auf eine wunderbare Weise übrigens geschlechtslos, wacht jeden Morgen im Körper eines oder einer anderen Sechzehnjährigen auf. Für einen Tag ist er der dicke Junge, den niemand mag. Am nächsten Morgen wacht er im Körper einer Cheerleaderin vier Städte weiter auf. Er leiht sich die Körper - unfreiwillig - aus, er lebt jeden Tag ein anderes Leben. Er kann nicht bestimmen, in welchem Körper er als Nächstes aufwacht, er kann Mädchen oder Junge, hübsch oder hässlich, beliebt oder uncool, krank oder gesund, er kann, aber vielmehr muss er alles sein. Und niemand kennt ihn/sie, A., der eigentlich für einen Tag in all diesen Körpern steckt. Das ist traurig und sehr, sehr einsam.
Ich weiß nicht, warum englischsprachige Jugendbücher so viel besser klingen als die auf Deutsch. Lange habe ich nach einem guten deutschen Jugendbuch gesucht, habe die mit Preisen ausgezeichneten gelesen, Empfehlungen eingeholt und nichts gefunden. David Levithan, Autor von „every day“, der häufig auch Co-Autor des Bestseller-Autoren und Jugendbuch-Gurus John Green ist, hat für A eine Sprache gefunden, die so natürlich daher kommt, dass man vergisst, dass man liest. Sie fließt sozusagen dahin. Die Kapitel mal kürzer, mal länger, erzählen jeweils einen Tag in A’s Leben, die Menschen, die ihm begegnen, und vor allem Gefühle und Umstände aller Couleur: Niemand kennt sich so mit dem Leben aus wie A., der seit seiner Geburt jeden Tag ein anderes ausprobiert.
Was kompliziert zu erklären ist, hat sich der Autor perfekt durchdacht: Auch wenn ich danach suche, finde ich keinen Logikfehler auf den Seiten. Dieser fantastische, verwirrende Ansatz funktioniert. Dieses Leben funktioniert auch für A., der es gewohnt, sich jeden Morgen beim Aufwachen in eine neue Person hinein zu denken: „to access the memories“, nennt er das. Es funktioniert, bis - wie könnte es anders sein - A., also tatsächlich A., nicht die Person, die er gerade bewohnt, die Seele sozusagen - sich verliebt. Und sich plötzlich nichts sehnlicher wünscht, als täglich dieselbe Person sein zu dürfen. Er macht sich - trotz aller Widrigkeiten, trotz der Tatsache, nach außen hin jeden Tag ein anderer zu sein - auf den Eroberungsfeldzug.
Spätestens, wenn ich das so aufschreibe, klingt es, als müsste dieses Buch scheitern, als müsste es in der Geschichte der ersten Liebe ertrinken, als käme man an Pathos und überladendem Sujet nicht vorbei. „every day“ scheitert aber nicht, es erzählt vom Gefühl der Freiheit, diesem, nach dem sich A. sehnt, und vielleicht all jene, die immer noch gerne Jugendbücher lesen, so wie ich, sich sehnen, und es erzählt von einem Vielleicht. Und ganz nebenbei erzählt es, ohne jeden pädagogischen Ansatz, von der Geschlechtslosigkeit der Seelen.
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Letztlich sind wir dem Universum egal;
irgendwann sind die eigenen Kinder so gross wie wir selbst waren und sind.
Wunderbar, dass piqd schon vor Jahren über das Buch schreibt, was jetzt das Kind liest. :-)
Kerstin Fuchs fand ich auch super, und Poznanski probiere ich mal aus. Danke für den Tipp!
Stimmt, großartiges Buch. Habs verschlungen, dieses Jugendbuch, und das mit jugendlichen 55 Jahren ;-)
Ich kenne dieses Gefühl sehr gut. Ich hatte es zuletzt bei den Büchern von John Green. Gefesselt hat mich auch Saeculum von Ursula Poznanski, und Mädchenmeute von Kerstin Fuchs. Über Tschick muss ich wahrscheinlich hast nichts sagen.
Klingt toll. Ich weiß nicht, warum, aber mir ist sofort Andreas Steinhöfels "Mitte der Welt" eingefallen, das fließt auch so dahin, man merkt trotz bedrückender Stimmung kaum, wie man federleicht zum Ende getragen wird, und los lässt es mich auch nicht mehr, obwohl ich es schon vor vielen Jahren gelesen habe. Allerdings auf deutsch, vielleicht klingt auch das Buch besser in der englischen Übersetzung?